Wackenroder, W.H.
Wilhelm Heinrich Wackenroder (* 13. Juli 1773 in Berlin; † 13. Februar 1798 in Berlin), Jurist, war als Schriftsteller Mitbegründer der deutschen Romantik.
Ganz im Geist des spätaufklärerischen Rationalismus erzogen, besuchte der Sohn des ersten Berliner Justizbürgermeisters zwischen 1786 und 1792 das Friedrichwerdersche Gymnasium, wo er enge Freundschaft mit Ludwig Tieck schloss. Im folgenden Jahr nahm der musisch begabte Wackenroder auf Wunsch des Vaters ein Studium der Rechte auf. Nebenbei hörte er jedoch weiterhin kulturgeschichtliche Vorlesungen und beschäftigte sich intensiv mit der Kunst der italienischen Renaissance. Während einer Sommerreise nach Bamberg, Nürnberg und Pommersfelden lernte er die Landschaft Süddeutschlands und die Kunstwerke des „deutschen Europäers“ Albrecht Dürer kennen, über die er sich begeistert in Briefen äußerte, die bereits Wackenroders Stellung zur Frühromantik erkennen lassen. Unter solchen Eindrücken entstanden 1795/1796 die Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders, eine Sammlung kunsttheoretischer Abhandlungen und teils fiktiver Biographien, in denen am Beispiel Michelangelos, Raffaels, Dürers unter anderem für eine sakrale Rezeption der Malerei geworben wird, da sie eine ähnlich kontemplative Wirkung auszuüben vermöge wie Andacht oder Gebet. Denn als Ausdruck freier Kreativität errichte die Kunst „einen neuen Altar zu Ehren Gottes“; gleichzeitig könne sie kraft ihres „göttlichen Beistandes“ die desparate Innerlichkeit auf seiten des Publikums heilen. In der abschließenden, autobiographisch gefärbten Geschichte Josef Berglingers bricht Wackenroder freilich mit dem zuvor entworfenen Bild einer noch einflussmächtigen Künstlergeneration und thematisiert im Gegenzug die existentiellen Krisen des modernen Musikers, dessen heilige Ideale an gewöhnlichen Lebensnöten scheitern. Mit dieser doppelten Intention wirkten die 1796 anonym in Berlin erschienenen Herzensergießungen nachhaltig auf das in der Philosophie und Literatur der Romantik diskutierte Problem künstlerischer Identitätsfindung und Sinnstiftung. Der antiaufklärerische Gestus, mit dem sich Wackenroder hinter der Maske des fiktiven Klosterbruders von der zunehmend utilitaristischen Erbauungskultur seiner Zeit abkehrte, beeinflusste darüber hinaus die Malerei der Nazarener. 1797 kehrte Wackenroder als Referendar nach Berlin zurück. Die vermutlich im selben Jahr gemeinsam mit Tieck niedergeschriebenen Phantasien über die Kunst erschienen ein Jahr nach dem Tod Wackenroders, der 1798 an Typhus starb.
Wackenroder hat nur ein schmales Œuvre hinterlassen; es handelt sich vornehmlich um theoretisierende Schriften:
* Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders (Berlin 1797, aber bereits Ende 1796 erschienen), einige Aufsätze darin hat Ludwig Tieck verfasst.
* Phantasien über die Kunst, für Freunde der Kunst, hrsg. v. Ludwig Tieck (Hamburg 1799); auch mit Texten von Tieck (Digitalisat)
* Phantasien über die Kunst, von einem kunstliebenden Klosterbruder, hrsg. v. Ludwig Tieck (Hamburg 1814); nach Tiecks Zeugnis soll diese Ausgabe nur Texte von Wackenroder enthalten (Digitalisat)
An »Franz Sternbalds Wanderungen« (1798 hrsg. von Tieck) war Wackenroder wahrscheinlich als Ideengeber beteiligt, die Ausarbeitung des Romans nahm aber Tieck wohl allein vor.
Von Wackenroder sind zudem etliche philologische Arbeiten, sechs Reiseberichte und zahlreiche Briefe überliefert.