Kant, Immanuel
(1724 - 1804)
Immanuel Kant (* 22. April 1724 in Königsberg; † 12. Februar 1804 in Königsberg) war einer der bedeutendsten Philosophen. Sein Werk Kritik der reinen Vernunft kennzeichnet einen Wendepunkt in der Philosophiegeschichte und den Beginn der modernen Philosophie.
Nicht nur in der Erkenntnistheorie, sondern auch in der Ethik mit dem Grundlagenwerk Kritik der praktischen Vernunft und in der Ästhetik mit der Kritik der Urteilskraft sowie bedeutenden Schriften zur Religions-, Rechts- und Geschichtsphilosophie schuf Kant eine neue, umfassende Perspektive in der Philosophie, welche die Diskussion bis ins 21. Jahrhundert maßgeblich beeinflusst.
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Zitate:
"Wenn ein Mann, der Geschmack genug hat, um über Produkte der schönen Kunst mit der größten Richtigkeit und Feinheit zu urteilen, das Zimmer gern verläßt, in welchem jene, die Eitelkeit und allenfalls gesellschaftlichen Freuden unterhaltenden, Schönheiten anzutreffen sind, und sich zum Schönen der Natur wendet, um hier gleichsam Wollust für seinen Geist in einem Gedankengange zu finden, den er sich nie völlig entwickeln kann: so werden wir diese seine Wahl selber mit Hochachtung betrachten, und in ihm eine schöne Seele voraussetzen, auf die kein Kunstkenner und Liebhaber, um des Interesse willen, das er an seinen Gegenständen nimmt, Anspruch machen kann. [...]
Daß das Wohlgefallen an der schönen Kunst im reinen Geschmacksurteile nicht eben so mit einem unmittelbaren Interesse verbunden ist, als das an der schönen Natur, ist auch leicht zu erklären. Denn jene ist entweder eine solche Nachahmung von dieser, die bis zur Täuschung geht: und alsdann tut sie die
Wirkung als (dafür gehaltene) Naturschönheit; oder sie ist eine absichtlich auf unser Wohlgefallen sichtbarlich gerichtete Kunst: alsdann aber würde das Wohlgefallen an diesem Produkte zwar unmittelbar durch Geschmack Statt finden, aber kein anderes als mittelbares Interesse an der zum Grunde liegenden Ursache, nämlich einer Kunst, welche nur durch ihren Zweck, niemals an sich selbst, interessieren kann."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"Wird auch Kunst vom Handwerke unterschieden; die erste heißt freie, die andere kann auch Lohnkunst heißen. Man sieht die erste so an, als ob sie nur als Spiel, d.i. Beschäftigung, die für sich selbst angenehm ist, zweckmäßig ausfallen (gelingen) könne; die zweite so, daß sie als Arbeit, d.i. Beschäftigung, die für sich selbst unangenehm (beschwerlich), und nur durch ihre Wirkung (z.B. den Lohn) anlockend ist, mithin zwangsmäßig auferlegt werden kann."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"Schöne Kunst dagegen ist eine Vorstellungsart, die für sich selbst zweckmäßig ist, und, obgleich ohne Zweck, dennoch die Kultur der Gemütskräfte zur geselligen Mitteilung befördert."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"Denn wir können allgemein sagen, es mag die Natur oder die Kunstschönheit betreffen: schön ist das, was in der bloßen Beurteilung (nicht in der Sinnenempfindung, noch durch einen Begriff) gefällt. Nun hat Kunst jederzeit eine bestimmte Absicht, etwas hervorzubringen. Wenn dieses aber bloße Empfindung (etwas bloß Subjektives) wäre, die mit Lustbegleitet sein sollte, so würde dies Produkt, in der Beurteilung, nur vermittelst des Sinnengefühls gefallen. Wäre die Absicht auf die Hervorbringung eines bestimmten Objekts gerichtet, so würde, wenn sie durch die Kunst erreicht wird, das Objekt nur durch Begriffe gefallen. In beiden Fällen aber würde die Kunst nicht in der bloßen Beurteilung, d.i. nicht als schöne, sondern mechanische Kunst gefallen."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"Genie ist das Talent (Naturgabe), welches der Kunst die Regel gibt. Da das Talent, als angebornes produktives Vermögen des Künstlers, selbst zur Natur gehört, so könnte man sich auch so ausdrücken: Genie ist die angeborne Gemütsanlage (ingenium), durch welche die Natur der Kunst die Regel gibt.
Denn eine jede Kunst setzt Regeln voraus, durch deren Grundlegung allererst ein Produkt, wenn es künstlich heißen soll, als möglich vorgestellt wird. Der Begriff der schönen Kunst aber verstattet nicht, daß das Urteil über die Schönheit ihres Produkts von irgend einer Regel abgeleitet werde, die einen Begriff zum Bestimmungsgrunde habe, mithin einen Begriff von der Art, wie es möglich sei, zum Grunde lege. Also kann die schöne Kunst sich selbst nicht die Regel ausdenken, nach der sie ihr Produkt zu Stande bringen soll. Da nun gleichwohl ohne vorhergehende Regel ein Produkt niemals Kunst heißen kann, so muß die Natur im Subjekte (und durch die Stimmung der Vermögen desselben) der Kunst die Regel geben, d.i. die schöne Kunst ist nur als Produkt des Genies möglich."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"Darin ist jedermann einig, daß Genie dem Nachahmungsgeiste gänzlich entgegen zu setzen sei. Da nun Lernen nichts als Nachahmen ist, so kann die größte Fähigkeit, Gelehrigkeit (Kapazität), als Gelehrigkeit, doch nicht für Genie gelten. Wenn man aber auch selbst denkt oder dichtet, und nicht bloß was andere gedacht haben, auffaßt, ja sogar für Kunst und Wissenschaft manches erfindet: so ist doch dieses auch noch nicht der rechte Grund, um einen solchen (oftmals großen) Kopf (im Gegensatze mit dem, welcher, weil er niemals etwas mehr als bloß lernen und nachahmen kann, ein Pinsel heißt) ein Genie zu nennen: weil eben das auch hätte können gelernt werden, also doch auf dem natürlichen Wege des Forschens und Nachdenkens nach Regeln liegt, und von dem, was durch Fleiß vermittelst der Nachahmung erworben werden kann, nicht spezifisch unterschieden ist. [...]
Im Wissenschaftlichen also ist der größte Erfinder vom mühseligsten Nachahmer und Lehrlinge nur dem Grade nach, dagegen von dem, welchen die Natur für die schöne Kunst begabt hat, spezifisch unterschieden. Indes liegt hierin keine Herabsetzung jener großen Männer, denen das menschliche Geschlecht so viel zu verdanken hat, gegen die Günstlinge der Natur in Ansehung ihres Talents für die schöne Kunst. Eben darin, daß jener Talent zur immer fortschreitenden größeren Vollkommenheit der Erkenntnisse und alles Nutzens, der davon abhängig ist, imgleichen zur Belehrung anderer in eben denselben Kenntnissen gemacht ist, besteht ein großer Vorzug derselben vor denen, welche die Ehre verdienen, Genies zu heißen: weil für diese die Kunst irgendwo still steht, indem ihr eine Grenze gesetzt ist, über die sie nicht weiter gehen kann, die vermutlich auch schon seit lange her erreicht ist und nicht mehr erweitert werden kann; und überdem eine solche Geschicklichkeit sich auch nicht mitteilen läßt, sondern jedem unmittelbar von der Hand der Natur erteilt sein will, mit ihm also stirbt, bis die Natur einmal einen andern wiederum eben so begabt, der nichts weiter als eines Beispiels bedarf, um das Talent, dessen er sich bewußt ist, auf ähnliche Art wirken zu lassen. [...]
Da die Naturgabe der Kunst (als schönen Kunst) die Regel geben muß: welcherlei Art ist denn diese Regel? Sie kann in keiner Formel abgefaßt zur Vorschrift dienen; denn sonst würde das Urteil über das Schöne nach Begriffen bestimmbar sein: sondern die Regel muß von der Tat, d.i. vom Produkt abstrahiert werden, an welchem andere ihr eigenes Talent prüfen mögen, um sich jenes zum Muster, nicht der Nachmachung, sondern der Nachahmung, dienen zu lassen. Wie dieses möglich sei, ist schwer zu erklären. Die Ideen des Künstlers erregen ähnliche Ideen seines Lehrlings, wenn ihn die Natur mit einer ähnlichen Proportion der Gemütskräfte versehen hat. Die Muster der schönen Kunst sind daher die einzigen Leitungsmittel, diese auf die Nachkommenschaft zu bringen: welches durch bloße Beschreibungen nicht geschehen könnte [...]"
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"Das Genie kann nur reichen Stoff zu Produkten der schönen Kunst hergeben; die Verarbeitung desselben und die Form erfordert ein durch die Schule gebildetes Talent, um einen Gebrauch davon zu machen, der vor der Urteilskraft bestehen kann."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"Zur Beurteilung schöner Gegenstände, als solcher, wird Geschmack, zur schönen Kunst selbst aber, d.i. der Hervorbringung solcher Gegenstände, wird Genie erfordert."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"Die schöne Kunst zeigt darin eben ihre Vorzüglichkeit, daß sie Dinge, die in der Natur häßlich oder mißfällig sein würden, schön beschreibt. Die Furien, Krankheiten, Verwüstungen des Krieges, u.d.gl. können, als Schädlichkeiten, sehr schön beschrieben, ja sogar im Gemälde vorgestellt werden; nur eine Art Häßlichkeit kann nicht der Natur gemäß vorgestellt werden, ohne alles ästhetische Wohlgefallen, mithin die Kunstschönheit, zu Grunde zu richten: nämlich diejenige, welche Ekel erweckt."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"[...] So viel von der schönen Vorstellung eines Gegenstandes, die eigentlich nur die Form der Darstellung eines Begriffs ist, durch welche dieser allgemein mitgeteilt wird. - Diese Form aber dem Produkte der schönen Kunst zu geben, dazu wird bloß Geschmack erfordert, an welchem der Künstler, nachdem er ihn durch mancherlei Beispiele der Kunst, oder der Natur, geübt und berichtigt hat, sein Werk hält, und, nach manchen oft mühsamen Versuchen, denselben zu befriedigen, diejenige Form findet, die ihm Genüge tut: daher diese nicht gleichsam eine Sache der Eingebung, oder eines freien Schwunges der Gemütskräfte, sondern einer langsamen und gar peinlichen Nachbesserung ist, um sie dem Gedanken angemessen und doch der Freiheit im Spiele derselben nicht nachteilig werden zu lassen."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"[...] So verlangt man, daß das Tischgeräte, oder auch eine moralische Abhandlung, sogar eine Predigt diese Form der schönen Kunst, ohne doch gesucht zu scheinen, an sich haben müsse; man wird sie aber darum nicht Werke der schönen Kunst nennen. Zu der letzteren aber wird ein Gedicht, eine Musik, eine Bildergalerie u.d.gl. gezählt; und da kann man an einem seinsollenden Werke der schönen Kunst oftmals Genie ohne Geschmack, an einem andern Geschmack ohne Genie, wahrnehmen."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"Nach diesen Voraussetzungen ist Genie: die musterhafte Originalität der Naturgabe eines Subjekts im freien Gebrauche seiner Erkenntnisvermögen. Auf solche Weise ist das Produkt eines Genies (nach demjenigen, was in demselben dem Genie, nicht der möglichen Erlernung oder der Schule, zuzuschreiben ist) ein Beispiel nicht der Nachahmung (denn da würde das, was daran Genie ist und den Geist des Werks ausmacht, verloren gehen), sondern der Nachfolge für ein anderes Genie, welches dadurch zum Gefühl seiner eigenen Originalität aufgeweckt wird. Zwangsfreiheit von Regeln so in der Kunst auszuüben, daß diese dadurch selbst eine neue Regel bekommt, wodurch das Talent sich als musterhaft zeigt. Weil aber das Genie ein Günstling der Natur ist, dergleichen man nur als seltene Erscheinung anzusehen hat: so bringt sein Beispiel für andere gute Köpfe eine Schule hervor, d.i. eine methodische Unterweisung nach Regeln, soweit man sie aus jenen Geistesprodukten und ihrer Eigentümlichkeit hat ziehen können: und für diese ist die schöne Kunst sofern Nachahmung, der die Natur durch ein Genie die Regel gab."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft
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"Das Manierieren ist eine andere Art von Nachäffung, nämlich der bloßen Eigentümlichkeit (Originalität) überhaupt, um sich ja von Nachahmern so weit als möglich zu entfernen, ohne doch das Talent zu besitzen, dabei zugleich musterhaft zu sein. - Zwar gibt es zweierlei Art (modus) überhaupt der Zusammenstellung seiner Gedanken des Vertrages, deren die eine Manier (modus aestheticus), die andere Methode (modus logicus) heißt, die sich darin von einander unterscheiden: daß die erstere kein anderes Richtmaß hat, als das Gefühl der Einheit in der Darstellung, die andere aber hierin bestimmte Prinzipien befolgt; für die schöne Kunst gilt also nur die erstere. Allein manieriert heißt ein Kunstprodukt nur alsdann, wenn der Vortrag seiner Idee in demselben auf die Sonderbarkeit angelegt und nicht der Idee angemessen gemacht wird. Das Prangende (Preziöse), das Geschrobene und Affektierte, um sich nur vom Gemeinen (aber ohne Geist) zu unterscheiden, sind dem Benehmen desjenigen ähnlich, von dem man sagt, daß er sich sprechen höre, oder welcher steht und geht, als ob er auf einer Bühne wäre, um angegafft zu werden, welches jederzeit einen Stümper verrät."
Immanuel Kant (1724-1804) : Kritik der Urteilskraft