17 Herzogliches Museum zu Braunschweig

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Das Herzogliche Museum zu Braunschweig

 

 

Diese Galerie steht bei Künstlern und Kunsthistorikern in gutem Ruf. Wir Künstler haben vage Erinnerungen von einem Rembrandt, welcher dort aufbewahrt sein soll. Deuschland gerade besitzt in vielen Städten und Städtchen vor allen Ländern Europas eine überreiche Anzahl guter Kunstwerke.

 

So machte ich denn einen Aufenthalt in Braunschweig, der Stadt Heinrichs des Löwen, als mich der Weg daran vorbeiführte. Der berühmte romanische Löwe steht auf hohem Sockel als ein wunderbares seltenes Wahrzeichen dieser alten Hansastadt.

 

Rings um ihn sind auf einem kleinen Platze vereint und krönen ihn altertümliche Paläste und ein uralter Dom.

 

Nun aber heißt es den Weg zu dem alten Museum finden, denn die guten Einwohner scheinen wenig zu wissen, welche Schätze sie in den Mauern ihrer Stadt bergen. Der eine wies mich dahin, der andere dorthin, und so ging ich durch die Straßen, welche mit erkergeschmückten und reich mit Fachwerk ausgeführten altertümlichen Häusern geziert waren. Endlich konnte ich auf das Museum lossteuern. Das Museum, nicht viel anders als die übrigen in deutschen Landen – gekennzeichnet mit hoch aufgesetzten Oberlichtern –, empfängt den Besucher: hohe Treppen führen hinan und dann eine Anzahl geräumiger Säle mit Goldrahmen und Massen bemalter Leinwände. Zuerst fiel mir ein »Giorgione« auf, ein südländischer Mann im Harnisch. Jenes berühmte Bild im Louvre oder das des Palazzo Pitti mögen berühmter und interessanter sein. Aber kaum besser jenes Bildnis des Mannes in violettem Gewande aus dem Kaiser-Friedrich-Museum. Das Bild in Braunschweig stellt einen ritterlichen Jüngling dar, welches aller Wahrscheinlichkeit durch den auf den Beschauer scharf gerichteten Blick sich als Selbstporträt dokumentiert, jenes frühverstorbenen Genies, vor dem selbst der große Tizian bei seinen Lebzeiten die Segel streichen mußte.

 

Es war mir erfreulich, hier in den unbekannten Räumen Umschau zu halten, denn alles mutet einen fremd an. Raum sieht man hier die geläufigen und allbekannten Bilder, und man entdeckt dennoch Stücke, die durch ihre Trefflichkeit angenehm auf uns Künstler wirken. So bewunderte ich ein weibliches Bildnis von Pèsnes, dem talentvollen Maler Friedrichs des Großen und seines Vaters. Im darauffolgenden Saale war Rubens vertreten, ein Porträt eines spanischen Generals Spinola in glänzender Prunkrüstung, und ein zweites Bildnis, ein älterer Herr aus seiner engsten flämischen Landsmannschaft. Aber noch mehr zu bewundern ist die »Judith mit dem Haupte des Holofernes«. Es ist flüssigste, charakteristische Malerei in diesem lebensgroßen Bild. Die Fackelbeleuchtung, welche auf die Gesichter, hauptsächlich auf das der alten verrunzelten Magd, fällt, ist ganz des großen Künstlers würdig.

 

Neugierig schweifen aber bereits die Augen an den Wänden entlang, ob nicht nun endlich irdendwo der ersehnte Rembrandt zu erblicken wäre. Auch diese Sehnsucht wird gestillt. Erst im letzten Saale prangt das Bild, eine Arbeit aus seiner allerletzten Zeit. Es ist als Mittelpunkt dieses Raumes gedacht. Wenn die Dresdener Galerie sich ihrer »Sixtinischen Madonna« rühmt, so lobe ich mir doch über alle Maßen dieses Bild des großen Rembrandt. [78] Nur für dieses Werk lohnt sich allein ein Besuch Braunschweigs. Ein Rot hat hier der Maler angewendet und dadurch einen der artig prachtvollen Ausdruck in dieser Malerei geschaffen, wie es sich auch in seinen besten Gemälden nicht mehr wiederfindet.

 

Unwillkürlich hält man eine Revue ab über seine – in ähnlichem Sinne gemalten Werke und vergleicht sie. Ich stehe nicht an, dieses braunschweigische Juwel für das Hervorragendste zu halten, was Menschenhände geschaffen haben. Der von »Potiphars Weib verklagte Joseph« aus Berlin, die »Staalmeester« in Amsterdam, der geschlachtete Stier des Louvre – ich ziehe allen diesen im Kunstprinzip ähnlichen Bildern dieses Familienbildnis vor. Ja, ich möchte Rembrandt mit einem großen Zeitgenossen vergleichen, welcher auch ein ähnliches rot in rot gemaltes Wunderwerk geschaffen hat, nämlich den »Papst« aus der Galerie »David« aus Rom, gemalt von Velasquez.

 

Im Vergleich beider scheint mir das des Spaniers das akademischere gegen das des Holländers zu sein.

 

Eine wahrhaft königliche Schöpfung, bewundernswürdig für jeden Maler, ist dieses einzige Werk.

 

Mit Mühe reiße ich mich von der faszinierenden Farbenwirkung los und möchte auch die andern Werke aus diesem Raume genießen. Aber alles ist matt dagegen und verblaßt an diesem Feuer. Ein Bild »Der Ehekontrakt«, dem Jan Steen zugeschrieben, fiel mir noch an der entgegengesetzten Wand auf. Ich bin aber nicht bewandert genug, die Echtheit dieses an Hogarthsche Art erinnernden Bildes zu vertreten oder zu bezweifeln.

 

Eine Winterlandschaft, wo der Schnee leise auf die Erde fällt, von Türmen und Mauern und Soldatenzügen, fiel mir noch als gutes Kunstwerk auf. Holländischer Abstammung, vielleicht etwas an den Bauernbreughel erinnernd, aber mit einem merkwürdigen modernen Einschlag, möge das Bild noch erwähnt sein.

 

Immer kehrte aber die Seele zu jenem größten aller Maler zurück. Ich dachte daran, wie das Werk hier nach dieser Stadt versprengt sein möge. Entstanden im spätesten Alter, in tiefster Not und bitterster Armut. Welchen Mut hatte der Konterfeite, sich und die Seinigen von dem boykottierten, geächteten Maler abmalen zu lassen.

 

Ob eine gewisse Verbindung mit dem nahen Rassel und seinen Rembrandts bestehen mag! Vielleicht sollte dieses Bild als Raub mit den übrigen nach der Eremitage nach Petersburg transportiert werden und blieb dann hier zufällig liegen. Wer weiß, wozu das Schicksal noch dieses Bild aufbewahrt hat. Dann verließ ich den Rembrandt-Saal, in dem ich um eine Tür nach links bog. Ich fand hier einen langen Gang in ähnlicher Anordnung wie die alte Pinakothek in München. Zur Linken die Fenster und ihnen gegenüber kleine Räume abgeschlagen und die Wände mit holländischen Kleinmeistern behängt. Aber plötzlich stutzte ich, als ich in einem Verschlag noch einige Rembrandts entdeckte. Ob sie wohl unechte sein mochten? Aber nein! Der »auferstandene Christus«, vor der Magdalena zurücktretend war allgemein bekannt als Motiv: »Noli me tangere«, und darüber war ein Gelehrter unter Büchern in seiner Studierstube mit der allbekannten Beleuchtung gegen das Licht. Diese beiden wenigstens schienen mir schöne und echte Rembrandts zu sein. Ferner waren noch zwei Pendantporträts, Mann und Frau, aus seiner ersten Zeit, also zu jener Zeit, als er beliebter Publikumsmaler war. Fast bedauerte ich nun, daß ich diese Arbeiten nicht vor dem großen und schönsten Bilde betrachtet hatte, denn ohne Frage wäre ich ihnen anfangs mit weit größerem Interesse entgegengekommen [79] als jetzt, wo ich ermüdet nicht mehr die Aufmerksamkeit diesen Arbeiten widmen konnte, welche sie wohl beanspruchen durften. So pilgerte ich denn weiter an den Wänden entlang, und im letzten Raum durfte ich noch ganz unbekannte Bilder des Deutschen Lucas Cranach bewundern, wobei mir namentlich in einer Predigt von »Johannes dem Täufer« die naiven deutschen Ritter und Bürger mit ihren zu jener Zeit modernen viereckigen Barttrachten auffielen. So wurde ich denn in einer deutschen Stadt an die deutschesten Männer erinnert: an die Reformation und an Martin Luther.