1602 Der Sonnenstaat

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Campanella, Tommaso

 

Der Sonnenstaat

 

La città del sole, 1602

(lat.: Civitas solis, 1623; dt.: Der Sonnenstaat 1789)

 

 

 

 


 

DER GROSSMEISTER. Mache mich, bitte, mit den

   öffentlichen Amtsthätigkeiten bekannt und verbrei-

   te dich näher über die Erziehung.

 

DER GENUESE. Häuser, Schlafräume, Betten und

   andere nothwendige Dinge sind Allen gemeinsam.

   Jedesmal nach sechs Monaten trifft die Obrigkeit

   eine Bestimmung, welche Personen hier, welche

   dort zu schlafen haben, was auf dem Querbalken

   über der Thür angeschrieben ist.

 

   Unterricht in allen mechanischen Künsten, sowie in

   den spekulativen Wissenschaften, wird Männern

   und Frauen gleichmäßig zu Theil, mit dem einzigen

   Unterschiede, daß diejenigen Arbeiten, die mehr

   Mühe und Kraft oder die Zurücklegung eines

   Weges erfordern, von den Männern ausgeübt wer-

   den, wie z.B. das Pflügen, Säen, Früchtelesen, das

   Dreschen, die Weinlese. Aber z.B. die Schafe zu

   melken und Käse zu bereiten ist Sache der Frauen.

   Auch haben diese die Gemüse- und Obstgärten in

   der Umgebung der Stadt zu pflegen, das Obst ab-

   zulesen und die Küchenkräuter einzusammeln.    

 

   Auch die Gewerbsthätigkeiten, die im Sitzen oder

   Stehen ausgeübt werden, gehören ebenfalls in den

   Bereich der Frauen, wie Weben, Spinnen, Nähen,

   Haar- und Bartschneiden, die Arzneibereitung und

   das Kleidermachen.

 

   Ausgeschlossen sind sie von der Tischlerei, der

   Schmiedekunst und der Waffenfabrikation. Wenn

   eine zur Malerei Talent verräth, wird sie nicht

   daran gehindert, es zu bethätigen.

 

   Die Musik ist allein die Domäne der Frauen und

   manchmal auch der Knaben, weil ihre Stimmen

   lieblicher klingen, doch ist es nicht Brauch, daß sie

   Trompete blasen und die Pauke schlagen. Auch be-

   reiten sie das Mahl und decken den Tisch, an wel-

   chem Knaben aufwarten und Mädchen, die noch

   nicht das zwanzigste Jahr erreicht haben.