02 Piero di Cosimo

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2. Piero di Cosimo

Für Piero di Cosimo wurde Savonarola der böse Dämon. Denn er zerstörte ihm seine Märchenwelt, vertrieb ihn aus dem Zauberreich, das er in strahlender Herrlichkeit sich aufgebaut: wo Fabelwesen durch den Aether kreisen, schöne Ritter und gefangene Prinzessinnen, dreiköpfige Riesen und verzauberte Heidengötter sich erschrecken und lieben, sich befehden und necken. Wenn irgend einer ist Piero di Cosimo das echte Kind des Zeitalters des Magnifico, der Geistesverwandte jener Bukoliker, die so graziös, so schalkhaft anmutig ihr Spiel mit der alten Sagenwelt trieben.

Als Schüler des plump geistlosen Cosimo Roselli wird er verzeichnet, doch in Wahrheit war Hugo van der Goes sein Lehrer. Er gab ihm den Sinn für Rusticität und für schöne leuchtende Farben, den Geschmack an der intimen Beobachtung der Tier- und Pflanzenwelt, die Freude an Sonnenstrahlen, die auf Menschengesichtern, auf Blumen und Kleidern spielen. Namentlich das Berliner Bild mit der Anbetung der Hirten ist für den nordisch-niederländischen Geist seiner Kunst bezeichnend. Kein Festgepränge, etwas Ländliches geht durch die Darstellung. Maria faltet innig die Hände. Ein grobkörniger Hirt, ein Böcklein unterm Arm, lüftet seinen großen graugelben Strohhut. Ein Sonnenstrahl streift sein wettergebräuntes Gesicht, den hellbraunen Rock und die blaugrauen Strümpfe. Einfach und schlicht, von gleichmäßigem Licht übergossen, baut die Landschaft sich auf. Fein setzt das lichtgrüne oder zartgelbe Laubwerk der hochstämmigen Bäume von dem blauen Firmament sich ab. Ein Getreideschober und das Strohdach der Hütte, auch die wuchtigen Tiere steigern noch den bäurischen Charakter des Bildes.

Dieser erdenschwere, still trauliche Zug, der nichts mit der leichten Eleganz der Italiener gemein hat, geht auch durch seine anderen Werke. Ein Madonnenbild des Louvre mutet eher wie eine holländische Hökerin denn als italienische Maria an. Denn die Jungfrau, eine einfache Bäuerin in schlichter Haustracht, hat ein gestreiftes hellblaues Kopftuch unter dem Kinn zusammengesteckt und an den Enden geknotet – ein rührend ländliches Motiv, das niemals in italienischen Bildern vorkommt. Davor hat er eine weiße Taube und ein roteingebundenes Buch zu einem ganz niederländischen Stillleben geordnet. In anderen Bildern beschäftigt ihn die Analyse des Lichtes. Ganz im Sinne Ghirlandajos hat er in seiner Magdalena das Porträt einer reichgekleideten jungen Dame gegeben. Aber diese Dame steht am Fenster, und durch dieses Fenster flutet das Sonnenlicht, überströmt mit hellem Glanz die Figur, strahlt über ihre Wangen, hüpft über das Haar, glitzert auf den Perlen und Rubinen, schillert in tausend Farben auf dem dunkelgrünen Gewand. Niederländisch ist, daß er statt der italienischen Profilansicht die Dreiviertelansicht wählt; niederländisch ist das Stillleben – die Salbbüchse, der Zettel, das Buch – das er auf dem Fenstergesims aufbaut. Und dieses Fenstergesims ist sehr geschickt verwendet, das Dreidimensionale, den räumlich plastischen Eindruck zu heben. Wieder in anderen Bildern entzückt er durch die feine Beobachtung, die er dem Tier- und Pflanzenleben entgegenbringt. Auf einer Anbetung des Kindes, die er für Lorenzo Medici malte, rieselt ein Bächlein über Kieselsteine dahin. Ein Stieglitz sitzt neben einem Baumstamm. Duftig leuchten die Blumen aus dem Grün der Wiese heraus. Fast kein Bild giebt es, auf dem nicht Tiere vorkommen. Bald sind es Schweine, bald Kaninchen oder Tauben, Hunde, Kraniche oder Schwäne. Ueberall erkennt man ihn an der botanischen Treue, mit der er Palmen und Oliven, Myrtengestrüpp, Aehren und Nelken, Primeln und Gänseblümchen malt. Und bei allem Detailreichtum imponieren seine Landschaften durch ihre weiten Fernblicke, durch ihre großen einfachen Linien. Man fühlt, daß er die Natur nicht aufputzte, wie es die Früheren thaten, sondern gleich Goes ihr als schlichter Analytiker nahte.

Was wir aus seinem Leben wissen, bestätigt den Eindruck der Bilder. Vasari erzählt von ihm, er habe immer in seinem Atelier sich eingeschlossen und nicht zugegeben, daß andere ihm beim Malen zusahen. Das zeigt, wie sehr er selbst sich als technischer Experimentator fühlte, sich bewußt war, an der Hand von Goes koloristische Geheimnisse entdeckt zu haben, die er als sein Eigentum bewahren wollte – ganz ebenso wie Leonardo sich der Spiegelschrift bediente, um seine Manuskripte vor unberufenen Augen zu hüten. Vasari erzählt ferner, Piero habe nicht geduldet, daß in seinem Garten Früchte abgeschnitten wurden, habe den Wein wild wachsen lassen und behauptet, daß man die Natur sich selbst machen lassen müsse, statt etwas anderes aus ihr zu machen. Das gemahnt an die Worte Rousseaus, daß alles gut sei, so wie es aus dem Schoße der Allmutter Natur hervorgegangen, und beleuchtet zugleich den landschaftlichen Realismus seiner Bilder, die ebenfalls die Natur geben, wie sie ist, ohne sie durch »Verschönerung zu schänden«. Weiter wird erzählt, Piero habe ausschließlich von gekochten Eiern gelebt. Selbst dieses Abstinenzlertum, scheinbar die Caprice eines Sonderlings, steht in Zusammenhang mit den pantheistischen Anschauungen des Meisters, der den Tieren ein so freundlicher Beobachter war und nächst Goes die ersten großen Tierstücke der modernen Kunst schuf.

Doch dieser intime beobachtende Zug ist nur die eine Seite in Pieros Natur. Hand in Hand damit geht ein Zug zum Märchenhaften und Phantastischen. Derselbe Mann, der mit so hellem, nordisch scharfem Auge die Natur betrachtet, horcht auch auf verklingende Weisen, die nur ganz leise noch ertönen. Sonderbare Wesen treten vor ihn hin, phantastisch, doch ernsthaft. Auf seltsamen Tieren schweben Märchengestalten durch den Raum. Ein fabelhafter Hippogryph trägt ihn in versunkene Schönheitswelten, nach Griechenland, in den Orient, nach Utopien. »Dieser Jüngling,« heißt es bei Vasari, »hatte von Natur sehr viel Geist und war in seinen seltsamen Einfällen sehr verschieden von den anderen jungen Leuten, die mit ihm zusammen bei Cosimo Roselli arbeiteten. Oft, wenn er etwas erzählen wollte, kam es vor, daß er plötzlich nicht mehr wußte, wovon er sprach und von vorn anfangen mußte, weil sein Hirn sich unterdessen mit ganz anderen Dingen beschäftigt hatte. Zugleich liebte er derart die Einsamkeit, daß er sich nur wohl fühlte, wenn er allein umhergehen konnte, seinen phantastischen Gedanken hingegeben und Luftschlösser bauend. Oft sah man ihn stehen und eine Mauer anblicken, auf die kranke Personen gespuckt hatten. In diesem Sputum behauptete er Reiterschlachten, phantastische Städte und die schönsten Landschaften, die man sich vorstellen könne, zu sehen. Ebenso machte er es mit den Wolken.« Das heißt: Schon lange vor Leonardo befolgte er den Rat, den dieser in seinem Malerbuch den jungen Künstlern giebt: »Hast du irgend eine Situation zu erfinden, so kannst du in Wolken und verwittertem Mauerwerk gar merkwürdige Dinge erblicken: schöne Landschaften, geschmückt mit Gebirgen, Flüssen, Felsen, Bäumen, großen Ebenen, Thal und Hügeln. Auch allerlei Schlachten kannst du da sehen, lebhafte Stellungen sonderbar fremdartiger Figuren, Gesichtsmienen, Trachten. Es tritt bei derlei Mauern und Gemisch das Aehnliche ein wie beim Klang der Glocken. Da wirst du in den Schlägen jeden Namen und jedes Wort wieder finden können, die du dir einbildest.«

Am frühesten äußerte sich Pieros Zug zum Phantastischen in den Maskenzügen, die er zur Karnevalszeit den vornehmen jungen Herren von Florenz anordnete. »Er veranstaltete ganze Triumphzüge mit Musik und Dichtungen, die für diesen Zweck gemacht waren. Da gab es Menschen zu Pferd und zu Fuß, alles von unglaublichem Pomp, die Kleider streng zu dem dargestellten Bilde passend. Und es war schön, nachts etwa dreißig Pferde zu sehen, darauf die Ritter mit ihrem prunkvollen, für den Aufzug entworfenen Kostüm, bei jedem sechs oder acht Knappen, die Lanze in der Hand, dann den Triumphwagen, geschmückt mit Trophäen und phantastischen Ornamenten.« In einer Zeit, als die Malerei noch wesentlich auf den überkommenen religiösen Stoffkreis angewiesen war, konnte sich die Phantastik nur in solchen ephemeren Dingen Luft machen. Durch die Reise nach Rom, die er 1482 in Begleitung seines Lehrers Roselli machte, wurde dann dieser Zug zum Phantastischen in ein festes Bett geleitet. Die strahlende Wunderwelt der Antike erschließt sich ihm, der Zauber der blütenumwobenen alten Legenden geht ihm auf. Seine Phantasie, die bisher nicht wußte, wie sie sich bethätigen, welches Strombett sie höhlen sollte, findet ein festes Ziel. Die Antike ist für ihn ein versunkenes Zauberreich, wo Hexerei und Liebe, Abenteuer und Rittertum herrschen. In dichte Wälder wird man gefühlt, wo Satyrn und Nymphen hausen; an Meeresgestade, wo mutige Ritter gegen Drachen kämpfen, um gefangene Prinzessinnen zu befreien. Bald geht durch die Bilder der neckisch schäkernde Ton, der aus Boccaccios Göttergeschichten lacht; bald jene romantische Sehnsucht, die aus den Dichtungen des Magnifico tönt. Bald liegt eine ganz moderne Lohengrin- oder Nickelmannstimmung darüber.

Wie eine ins Offenbachsche übersetzte Antike wirkt das Bild, das im Anschluß an die »Silvae« Polizians die Auffindung des Hylas schildert. Eine Nymphe hat den hübschen Jungen, den Liebling des Herakles, auf blumiger Wiese gefunden. Und wie die Hunde, wenn sie das Wild wittern, zusammenströmen, so eilen die Mädchen herbei, den nackten Knaben zu bewundern. Jede will ihn für sich. Die bringt ihm Blumen, die Früchte, die ein Hündchen. Eine ist so gebannt durch den Anblick, daß sie mit gespreizten Beinen, die Hand auf den Schenkel gestemmt, wie blödsinnig auf den Buben starrt und in ihrer Aufregung alle Blumen verliert. Böcklins dickwanstige Tritonen, die im »Spiel der Wellen« die badende Najade erblicken, schauen nicht erstaunter als Pieros Nymphen. – »Venus und Mars« in Berlin ist eine Schäferidylle von neckischem Zauber. Eroten spielen mit der Rüstung des Mars. Tauben schnäbeln sich, auf dem Knie der Venus hat sich ein roter Schmetterling niedergelassen. Das Kaninchen, das sich an sie schmiegt, spitzt so verständnisvoll die Ohren, als ob es schnüffelnd den Duft des Frauenkörpers wittere. – Auf dem Bild der Befreiung der Andromeda fliegt der Held in gelbem Metallpanzer, blauem Waffenrock, flatternder Schärpe und roten Tricots wie ein burlesker Lohengrin durch die Luft, und das Ungetüm windet sich schwerfällig wie ein urweltlicher Fafner. Piero hat nach Vasari lange ausschließlich auf diesem Gebiet gearbeitet. Er hatte gefunden, wohin seine Begabung drängte, war unerschöpflich in der Erfindung von fabelhaften Ungetümen und lustigem Märchenspuk. Kentauren und Satyrn stürmen daher, Lapithen kämpfen, Prometheus holt das Feuer vom Himmel. Der ganze Raum der Erde belebt sich in seiner Phantasie mit Geistern. Legionen seltsamer Wesen bevölkern die Luft. Es war, als sei der alte Pan nach tausendjährigem Schlummer erwacht. Das Bild der toten Prokris in London ist wohl das schönste der Gruppe, ein liebliches Idyll von ganz Boecklinschem Reiz. Auf duftiger blütenreicher Wiese liegt der zarte Körper. Ein Faun kniet neben ihr, kann noch nicht glauben, daß sie tot ist, Prokris, die Tochter des Erechtheus. Leise beugt er sich nieder, sucht ihren Kopf aufzurichten, blickt ihr ins Auge. Ein romantisches Griechentum, eine tiefe Melancholie geht durch das Bild. Nicht der Hund nur, der als treuer Wächter dabei sitzt, auch die Landschaft trauert. Wie die Zweige von Trauerweiden beugt das Gebüsch sich herab. Piero, der Schelm, ist ernst und sinnend geworden. Man meint, er habe in dem trauernden Faun sich selbst, in der toten Prokris seine Kunst gemalt.

Denn als die finsteren Bußpredigten Savonarolas ertönten, war es mit dem heiteren Märchenspiel vorbei. Der bunten Antike trat wieder das schwarze Mittelalter, der schäkernden Sinnenfreudigkeit blutige Askese entgegen. Piero, der Heide, konnte der Wandlung nicht folgen. Eine Zeit lang versuchte er es. Die heilige Familie in Dresden ist wohl das erste Zugeständnis, das er dem Dominikaner machte. Die Landschaft, früher im Blumenschmuck prangend, ist felsig und öd. Kahle Bäume recken ihre Zweige gen Himmel. Johannes, früher der Spielgefährte des Christkindes, naht ihm scheu mit dem Kreuz. Mächtige Engel sind wolkenfarbig über die Landschaft gebreitet. In der Florentiner »Conception der Maria« erhebt er sich sogar zu einer großen Leistung im Sinne des neuen Spiritualismus. Schon das Thema zeigt, wie hier der Geist der Gegenreformation seinen Schatten vorauswirft. Zum erstenmal ist der Moment dargestellt, dessen Verherrlichung Murillo später sein Leben weihte: wie der Heilige Geist die Jungfrau beschattet. Selbst die Köpfe sind von schwärmerisch hingebender Erregtheit. Es ist ihm gelungen, sich hinaufzuschrauben in die religiöse Verzückung, die das Zeitalter durchbebte. Aber lange hielt diese Begeisterung nicht vor. So viele religiöse Bilder er noch malte – er hat seine Persönlichkeit verloren. Bald ist es Signorelli, bald Leonardo oder Fra Bartolommeo, dem er nachahmend folgt. Und Piero fühlt das Erzwungene dieses Schaffens. Wie er sich selbst nicht mehr ausspricht, kommt er den anderen nicht gleich. Mißmutig nimmt er seine Tafeln in Angriff, um sie gezwungen oder gar nicht zu beenden. Unter dem Deckmantel der Porträtmalerei wagt er noch einmal einen schüchternen Ausflug in sein altes Reich. Es entsteht die unheimliche Cleopatra, jenes nackte Weib mit dem orientalischen Shawl, um deren Halskette eine grüngelbe Schlange sich windet. Aber man fühlt, daß ein Mann, in dessen Innern eine Saite zerrissen war, das Bild malte. So schrill ist die Dissonanz zwischen dem tropisch üppigen, sinnlichen Charakter Cleopatras und der trostlos hungrigen Landschaft mit dem verdorrten Baum, die Piero ihr als Hintergrund giebt; so teuflisch der Gegensatz zwischen diesem bleichen Profil und den schwarzen Wolkenmassen, die sich dahinter zusammenballen. Auch die Haager Porträts des Musikers Francesco Giamberti und des Architekten Giuliano da Sangallo fallen in diese Zeit. Gewiß keine Aufträge, sondern die Bildnisse von Freunden, verbitterten Menschen, mit denen er wie Gottfried Keller abends beim Fiasco zusammensaß und auf den Wechsel der Zeiten schimpfte: Giuliano aus trübem Auge halb verblödet dreinblickend, der andere ein zahnloser alter Idealist, der sich seine große Mütze wütend über das Ohr gestülpt; die Landschaft so wenig passend zu dem allegorischen Beiwerk, daß man meint, er habe die Köpfe nachträglich auf alte Landschaftsstudien gemalt.

Der Lebensnerv seiner Kunst war durch Savonarola unterbunden. Der christliche Ideenkreis, der wieder der alleinherrschende geworden, bot für Phantastik keinen Raum. Nach strengen Vorschriften waren die nämlichen seit Jahrhunderten geheiligten Gestalten darzustellen. So lebt noch einmal die alte Lust an Maskenzügen in ihm auf. Im Mummenschanz will er sich austoben. Der Karnevalzug, den er 1511 anordnete, brachte zum letztenmal seinen Namen in aller Mund! Aber was hatte Savonarola aus dem lustigen Piero gemacht, Der Zug zeigte, wie Vasari erzählt, »den Triumphwagen des Todes, von Büffeln gezogen, ganz schwarz und mit Totengebeinen und weißen Kreuzen bemalt. Darauf die Figur des Todes mit der Sense in der Hand. Dann folgten Särge. Wenn der Zug Halt machte und sang, öffneten sich die Deckel, man sah Totenskelette, in schwarze Leichentücher gehüllt, worauf die Knochen und Rippen so natürlich gemalt waren, daß man nur mit Grauen es betrachten konnte. Dann erschollen schrille Posaunenklänge, bei deren Schall sich die Toten halb aus ihrem Sarg erhoben, sich daraufsetzten und mit jammernder Stimme sangen: Dolor, pianto e penitenzia. Hinter dem Wagen ritten Tote auf Pferden, die er sorgsam unter den magersten Schindmähren der Stadt ausgewählt hatte. Auf die schwarzen Decken waren weiße Kreuze gemalt. Und jeder Tote hatte vier Knappen, die ebenfalls als Tote verkleidet waren, in der Hand schwarze Lanzen und große schwarze Standarten mit Kreuzen und Totenköpfen. Andere Tote mit schwarzen Tüchern gingen neben dem Wagen einher und sangen mit jammernder Stimme: Miserere mei deus.«

Seitdem hörte von Piero, obwohl er noch zehn Jahre lebte, niemand mehr sprechen. Selbst die Schüler, die er gehabt hatte, entfernte er. Manche Bildchen, wie die Darstellungen mit der Andromedasage in den Uffizien entstanden noch. Aber es sind Arbeiten, die er nur malte, um die Zeit totzuschlagen, freudlose, mit zitternder Hand hingeschriebene Wiederholungen dessen, was er so schelmisch geistvoll in seiner Jugend gesagt. Wenn es regnet, läuft er auf die Straße hinaus, um zu beobachten, wie die Tropfen auf der Erde zerspritzen. So sei, meinte er, das menschliche Schicksal. Wenn ein Gewitter kommt, sitzt er, in den Mantel gehüllt, zitternd, als sei er von Geistern verfolgt, in der Ecke des Zimmers. Menschenscheu, ohne Freunde, verwahrlost, ein brotlos gewordener Phantast lebt er dahin und erwartet den Tod. Nur wenn er Kirchenglocken und Priestergesänge hört, wird er aufgeschreckt in seiner Apathie und ballt zornig die Fäuste. Denn die Kirchenglocken und die Priestergesänge hatten seine Kunst getötet. Eines Morgens findet man ihn tot an der Treppe.