17 Vergleiche und Wortspiele

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XVII. Von sinnreichen und witzigen Vergleichen, Wortspielen u. a. Fällen, welche den Charakter der Ergötzlichkeit, Lustigkeit, Lächerlichkeit tragen.

Meines Erachtens spielt in dem Felde, was wir hier vor Augen haben, das Prinzip der einheitlichen Verknüpfung des Mannigfaltigen die Hauptrolle, bedarf aber noch unterstützender Nebenbedingungen, um das Vergnügen, was die hierher gehörigen Fälle gewähren können, mit seinem eigentümlichen Charakter über die Schwelle zu treiben.

Wohl die augenfälligste Erläuterung hierzu gewähren sinnreiche und witzige Vergleiche und Wortspiele. Bei ersteren beruht das Vergnügen darauf, daß wir mit einem kurzen Blicke auf einmal einen einheitlichen begrifflichen Gesichtspunkt zwischen übrigens sehr Verschiedenem entdecken, indes bei den zweiten der einheitliche Gesichtspunkt durch die gleiche oder ähnliche Wortbezeichnung vermittelt wird; und zwar erwecken uns Vergleiche wie Wortspiele um so größeres Gefallen, und finden wir sie um so leichter lustig und selbst lächerlich, je treffender, leichter faßlich die einheitliche Verknüpfung einerseits, je größer die Verschiedenheit oder der anscheinende Widerspruch, der dadurch vermittelt wird, anderseits, je ungeläufiger, unerwarteter, überraschender, fernerliegend die Weise der Verknüpfung drittens ist, indes die ästhetische Wirkung geläufiger oder nahe liegender Verknüpfungsweisen überhaupt unter die Schwelle fällt.

In der Tat kommt bei der ästhetischen Wirkung dieser Spiele das Prinzip der Schwelle und das der Abstumpfung gegen gewohnte Reize wesentlich in Mitrücksicht. Nur sind diese Prinzipe eben bloß mitbestimmend, indes so zu sagen der Kern der Wirkung im obigen Prinzip liegt.

Abgesehen von diesen Mitbestimmungen aber kann die Wirkung des Prinzips noch von sachlicher Seite durch die, mehr nach der Lust- oder Unlustseite neigende, Beschaffenheit des Inhaltes, der in den Vergleich oder das Wortspiel eingeht, Hilfe oder Gegenwirkung erfahren. Am reinsten jedenfalls tritt die an sich rein formale Wirkung des Prinzips am gleichgültigsten Inhalt auf.

Unzählige Ähnlichkeiten begegnen uns täglich, berühren uns aber wegen ihrer Geläufigkeit nicht, fesseln unsere Aufmerksamkeit nicht. In der Poesie wird man es sich doch schon gern, fast lieber als den Gebrauch direkter Bezeichnungen, gefallen lassen, ein schönes Mädchen als blühende Rose, einen mutigen Mann als Löwen, einen grausamen als Tiger bezeichnet zu finden. Recht interessieren freilich wollen solche Vergleiche nicht mehr, man ist wegen ihrer häufigen Wiederkehr schon abgestumpft dagegen. Wenn aber Jean Paul den Mond einen Schwan des Himmels nennt, so erscheint uns dieser Vergleich zwar als noch ziemlich nahe liegend nicht lustig, doch interessiert uns mehr als die vorigen, da er deren Geläufigkeit nicht teilt. Auch wird das Gefallen daran dadurch verstärkt, daß uns die anmutige Vorstellung sachlich anspricht. Nennt dann aber anderwärts Jean Paul den Mond in der Phase des Ab- oder Zunehmens, zugleich mit Rücksicht auf seine Gestalt und daß der Mond am Himmel und Mohnsaft in einer gemeinsamen Beziehung zum Schlafe stehen, einen angebissenen Mohnölkuchen, so scheint uns dieser ganz fernliegende Vergleich zwischen so ganz heterogenen Gegenständen, wenn schon in gewisser Hinsicht weniger zutreffend, doch lustiger als alle vorigen Vergleiche, indes er, wenn er gar nicht träfe, auch gar nicht vergnügen könnte, denn das Fernliegen tut es eben nicht allein, es steigert nur die Empfänglichkeit; und wollte jemand z. B. sagen, der Mond ist ein Fuchs oder ein Stück Brot, so würde man das nicht lustig, sondern nur abgeschmackt finden, weil es hier ganz an einer vermittelnden Vorstellung fehlte.

Nehmen wir Wortspiele, so berührt es uns an sich nicht ästhetisch, daß ein Wort in verschiedenen Bedeutungen vorkommt und demgemäß im Lexikon mit solchen aufgeführt wird, indem wir wissen, daß es diese verschiedenen Bedeutungen nur für einen verschiedenen Zusammenhang geltend zu machen hat, und es unwillkürlich solchem einordnen. Hiergegen finden wir es ergötzlich, wenn der wirkliche Gebrauch desselben oder eines ähnlichen Wortes oder Satzes einen gemeinsamen Mittelbegriff für die verschiedenen Bedeutungen zum Vorschein bringt, wodurch sich die Gemeinsamkeit des Wortgebrauches in unerwarteter Weise rechtfertigt. Zum Beispiel:

Jemand sagte bezüglich einer Tänzerin, welche für einen Gehalt von 4000 Taler hauptsächlich Elfenrollen im Oberon und sonst tanzte: "2000 Taler für jedes Bein, das ist teures Elfenbein." — Saphir hatte von einem ihm bekannten Bankier 300 Gulden geliehen. Als er denselben nach einiger Zeit besuchte, sagte dieser: "ach, Sie kommen um die 300 Gulden." "Nein, erwiderte Saphir, Sie kommen um die 300 Gulden." — Bei einem größern Familienfeste, dem ich beiwohnte, ließ jemand, nachdem die Hauptpersonen des Festes schon hinreichend mit Toast’s bedacht waren, auch die in der Versammlung gegenwärtigen Onkels leben; alsbald erhob sich ein Engländer, der, obwohl seit Jahren in Deutschland heimisch, doch in der deutschen Sprache sich nur unbehilflich ausdrückte, dessen ungeachtet aber in deutschen Wortspielen exzellierte, mit dem tadelnden Gegentoaste, seinerseits lasse er die Onkels mit Nichten leben.

Im ersten Beispiel ist es der Begriff der Teuerung, im zweiten das Geschäft mit den 300 Gulden, im dritten der Toast auf Mitglieder der Gesellschaft, was die einheitliche Vermittelung zwischen den verschiedenen Bedeutungen begründet.

Es ist ein kurzes, so zu sagen schnell aufflackerndes und verflackerndes Vergnügen, was uns ein sinnreicher oder witziger Vergleich oder ein dergleichen Wortspiel gewährt, weil es ein kleiner Vorstellungskreis ist, in dem wir uns dabei bewegen, und dieselbe Bewegung öfter wiederholen zu wollen, alsbald die Unlust der Monotonie heraufbeschwören würde. Aber dieses kurze Vergnügen kann intensiver sein, als das längere und im Ganzen gehaltreichere, was wir aus einem Zusammenhange zu gewinnen vermögen, der uns eine einheitliche Beziehung durch eine größere Reihe verschiedenartiger Momente verfolgen läßt, ohne aber unsere Aufmerksamkeit dabei irgendwann so intensiv zu steigern und momentan so stark zu spannen, als es in Spielen jener Art durch die so unerwartet auftretende einheitliche Vermittelung zwischen zwei ganz heterogen scheinenden Vorstellungen oder Vorstellungskreisen geschieht.

Manche Vergleiche erwecken uns Gefallen, wir finden sie sinnreich, ohne sie doch lustig oder gar lächerlich zu finden, wie folgende von J. Paul: Große Schmerzen machen uns unempfindlich gegen kleine, wie der Wasserfall gegen den Regen deckt. — Das Glück des Lebens besteht wie der Tag nicht in einzelnen Blitzen, sondern in einer steten stillen Heiterkeit. — Leicht nun sagt man sich, daß der Lustigkeit dieser und ähnlicher Vergleiche von gewisser Seite durch den, zum Nachdenken auflodernden, Ernst ihres Inhaltes gewehrt wird; aber nicht minder hat daran Teil, daß das Gefallen hierbei vorwiegend vielmehr an dem Treffenden des Vergleiches, als an der Gegensätzlichkeit des Verglichenen hängt. Denn obwohl man Körperliches und Geistiges, was im Vorigen verglichen wird, sehr gegensätzlich finden kann, sind wir doch so gewohnt, das Körperliche als Symbol des Geistigen anzusehen und dies mit jenem zu vergleichen, daß uns als neu bei vorigen Vergleichen in der Tat vielmehr der Gesichtspunkt der Gleichheit als der Verschiedenheit entgegentritt. Es knüpft sich aber hieran die Frage: woran denn überhaupt der spezifische Charakter der Lustigkeit hängt.

Unter Lustigkeit eines Subjekts versteht man im Allgemeinen einen Lustzustand, der einen leichten Wechsel von Vorstellungen mitführt und selbst mit auf solchem beruht, wonach objektiv lustig das ist, was einen solchen Lustzustand hervorruft oder begünstigt. Je stärker der Lustgrad und je stärker der Wechsel, worin er sich bewegt, so größer die Lustigkeit sei es bei Subjekt oder Objekt. Ein starker Grad der Lustigkeit wird zur Lächerlichkeit. Vergleiche und Wortspiele können nun dadurch lustig und selbst lächerlich werden, daß sie Veranlassung geben, einen, durch einheitliche Verknüpfung lustvollen starken Wechsel zwischen Vorstellungen zu vollziehen. Je heterogener oder gar widersprechender die Vorstellungen sind, so lustiger wird unter sonst gleichen Bedingungen die Verknüpfung sein, aber der Charakter des Inhaltes der verknüpften Vorstellungen eben so gut der formalerseits bedingten Lustigkeit entgegenwirken als sie steigern können. Wie nun Ersteres durch einen ernsten Charakter des Inhaltes geschehen kann, kann Letzteres durch scherzhafte Anspielung geschehen, insofern es den Menschen überhaupt Vergnügen macht, Anderen wie man sagt etwas am Zeuge zu flicken, ohne ihnen damit zu schaden; so, wenn Heine sagt: ein Mädchen ist Milch, eine junge Frau Butter und eine alte Frau Käse; oder Saphir: ein Baier ist ein Bierfass, wenn er aufsteht, ein Faß Bier, wenn er sich niederlegt.

Das Talent zu witzigen Vergleichen und zu Wortspielen deckt sich nicht. Jean Paul ist reich an ersteren aber nicht an letzteren, Saphir umgekehrt. Zu ersterem gehört, einen großen Reichtum von Dingen und sachlichen Beziehungen, zu letzterem, einen großen Reichtum von Worten mit anhängender Bedeutung auf einmal oder in schnellstem Durchlaufen sich vergegenwärtigen und der darin liegenden Gleichungspunkte gewahren zu können. Ersteres Vermögen ist unstreitig von größerer Bedeutung als letzteres, und kann mit großer geistiger Bedeutung überhaupt zusammenhängen; doch kann es auch dem Witzigen an Tiefe mangeln, was sich leicht begreift, da jeder Witz sich in einem kurzen Vorstellungskreise abschließt.

Daß wirklich die Lustigkeit der Vergleiche und Wortspiele, in so weit solche statt findet, auf den angegebenen Bedingungen beruht, bestätigt sich dadurch, daß sie mit einem ganz ähnlichen Charakter in Fällen auftritt, die für den ersten Anblick wenig oder nichts mit jenen Spielen und unter einander gemein haben, bei näherem Zusehen aber doch eben so die angegebene Hauptbedingung wie die Nebenbedingungen damit gemein haben. Dahin gehört die Lustigkeit oder selbst Lächerlichkeit so manchen Versehens, Versprechens, Verwechselns, alberner Antworten, Zerstreutheiten, getäuschter Erwartungen u. s. w.

Am nächsten noch reihen sich in dieser Hinsicht den Wortspielen die Druckfehler und das Versprechen (Verwechseln von Worten) an, mit dem immerhin nicht unerheblichen Unterschiede, daß hier das Wort selbst, ohne Zwischenwirkung eines Mittelbegriffes, den Umschlag in heterogene Bedeutungen vermittelt. Wird der Sinn nur unverständlich oder etwas verschroben durch den Druckfehler oder das Versprechen, so liegt noch nichts Lächerliches darin; es gehört in der Tat dazu, daß der eigentliche Sinn durch den Gebrauch des ähnlichen Wortes in einen mehr oder weniger widersprechenden oder doch ganz abseits liegenden umschlägt, wozu einige Beispiele in folgender Einschaltung.

Druckfehler.

In der Beschreibung eines Schulfestes: "Die Feier schloß mit der Absingung eines Choleraverses" (statt Choralverses).

Annonce : "Ein Gutsbesitzer beabsichtigt alle seine Güter zu versaufen" (verkaufen).

In einer Ausgabe von Göthe’s Gedichten statt: "Die Augen giengen ihm über, so oft er trank daraus" — "Die Augen gingen ihm über, so oft trank er daraus."

In dem Eingangsgedichte von Uhlands Liedern, 1. Ausg., statt: "Lieder sind wir, unser Vater schickt uns in die weite Welt" — "Leder sind wir" u. s. w.

Todesanzeige eines Virtuosen, der nach langem Leiden starb, statt: "Er duldete 3 Jahre" — "Er dudelte drei Jahre."

Öffentliche Danksagung an einen Arzt Seitens eines Gatten dafür, daß er die Krankheit seiner Frau einer glücklichen Beerdigung (Beendigung) zugeführt habe.

Versprechen.

Ein junger Mensch, den ich zum Vorlesen engagiert hatte, beging u. a. folgende Versehen beim Vorlesen: Schillers Statue auf dem Postamte (Postamente), — Ein englischer Bär (Pair) ist gewöhnlich ein Mann von großem Einfluß und Ansehen. — Der Mond kam am Horizonte in vollem Galopp (Glanze) herauf.

Bei Examinibus fallen unzählige falsche Antworten vor, und wenn die Examinatoren über jede lachen sollten, würden sie nicht aus dem Lachen herauskommen, statt daß sie oft nicht aus dem Ärger herauskommen; falsche Antworten aus Unwissenheit, schlechtem Gedächtnis sind zu gewöhnlich; jeder aber wird die Antworten in folgender Einschaltung lächerlich finden, weil die Vermittelung zwischen der gegebenen und der zu fordernden Antwort dabei eben so sichtbar als die Abweichung zwischen beiden unerwartet und nach ganz verschiedenen Richtungen auslaufend ist.

Bei einem Examen der Oxforder Studenten gab einer auf die Frage: warum zogen die Israeliten aus Ägypten? die Antwort: "Weil, weil, es wird wohl wegen der Geschichte mit Potiphars Weibe gewesen sein :«" ein Anderer auf die Frage: warum wurde Johannes der Täufer enthauptet? "Weil er mit der Tochter der Herodias tanzen wollte."

Auch Übertreibungen können dadurch lächerlich werden, daß die Vorstellung von dem richtigen Maße oder Grade eines und desselben Gegenstandes in die von einem ganz falschen Maße oder Grade umschlägt. Freilich wird Niemand über Redensarten wie: "es ist höllisch heißes Wetter", oder "ich sterbe vor Langeweile" lachen, obwohl es arge Übertreibungen sind; aber diese und ähnliche Übertreibungen sind im Redegebrauche des Lebens so gewöhnlich, daß solche überhaupt in absonderlicher Weise geschehen müssen, um noch Wirkung zu äußern.

Bei lächerlichen Zerstreutheiten sieht man gemeinhin, daß ein Zweck auf eine Weise zu erreichen gesucht wird, die der Weise, wie er zu erreichen wäre, ganz widerspricht. Das Bindeglied dieses Widerspruchs ist die gemeinsame Zweckvorstellung, in welcher die widersprechenden Vorstellungen zusammenlaufen. So sah ich selbst eine Frau durch alle Stuben laufen, um ihr Kind zu suchen, das sie auf den Armen hielt; weshalb sie natürlich ausgelacht wurde. Hätte man gesehen, daß sie das Kind in einer Stube suchte, indes man wußte, daß es in einer andern sei, so wäre es nicht lächerlich erschienen; weil darin nichts Absonderliches zu finden, daß jemand etwas an einer falschen Stelle sucht, wohin sein Blick noch nicht gedrungen ist, wohl aber, wenn er es da nicht findet, wo Blick und Gefühl ihn dasselbe unmittelbar finden lassen sollten.

Als ich in Ilmenau eine Wasserkur brauchte, sagte man einem ängstlichen Badegaste daselbst nach, er habe in der Besorgnis, das Wasser, in das er steigen sollte, möchte zu kalt für ihn sein, dasselbe erst durch Hineinhalten seines Stockes geprüft.

Wenn Jemand ein Versehen, oder die Handlung eines Zerstreuten erkünstelt, und man die Absicht hiervon erkennt, fällt der Charakter der Lächerlichkeit weg, weil hierbei der Widerspruch zwischen der auf den Zweck zu richtenden und wirklich darauf gerichteten Handlungsweise für die Vorstellung wegfällt, da man ja als Zweck des Handelnden eben nur die Täuschung und die einfache Richtung der Handlung hierauf vor Augen hat.

Bei getäuschten Erwartungen, die den Charakter der Lächerlichkeit tragen, ist es statt einer gemeinsamen Zweckvorstellung, in welche die widersprechenden Vorstellungen zusammenlaufen, vielmehr die gemeinsame Ausgangsvorstellung einer Art von Geschehen, die in widersprechende Modifikationen ausläuft; worin das Bindeglied zu finden.

Nichts ist lächerlicher als die Sprünge junger Katzen. Warum? Wir sind gewohnt, von jeder Bewegung, die wir vorgenommen sehen, die folgende in einer gewissen Konsequenz derselben zu erwarten. Aber die Sprünge junger Katzen widersprechen fast in jedem Momente dieser natürlichen Erwartung.

Läuft ein Kind seiner vom Winde weggewehten Mütze nach, so finden wir das nicht lächerlich, ein Kind sehen wir überhaupt mehr laufen als gehen; läuft aber ein ernsthafter Mann seinem Hute nach, so erscheint es uns aus demselben Grunde als der Sprung einer jungen Katze lächerlich; und vielleicht wird man diesen Vergleich selbst lächerlich finden, weil man es nicht gewohnt ist, einen ernsthaften Mann mit einer jungen Katze verglichen zu sehen.

Wenn ein Ziegel vom Dache fällt, woran man nicht gedacht, so besteht kein Grund der Lächerlichkeit; wenn aber jemandem etwa ein Ziegelstein vor die Füße fällt, während er den Fall einer Rose aus schöner Hand erwartete, so wird er das selbst lächerlich finden, falls ihn der Fehlschlag der Erwartung nicht sachlich zu sehr verdrießt, und wir werden es jedenfalls lächerlich finden, die seinen Verdruß nicht teilen, um so mehr, wenn wir ihm denselben gönnen. Auch für uns aber würde der Fall aufhören lächerlich zu sein, wenn der Ziegelstein den Mann tot schlüge oder schwer verletzte, weil die sachliche Unlust an dem Unglück die formale Lust der Lächerlichkeit nicht zur Geltung kommen ließe; und dies Beispiel kann für viele andere gelten, wo die Lächerlichkeit wegen sachlicher Gegenwirkungen nicht zu Stande kommt.

Man kann bemerken, daß bei zweckwidrigen Handlungen, getäuschten Erwartungen und in anderen Fällen, wo der Vorstellung durch die Tatsache widersprochen wird, das Prinzip der Vorstellungseinstimmigkeit in Konflikt mit dem Prinzip der einheitlichen Verknüpfung des Mannigfaltigen tritt, welchem diese Fälle hier untergeordnet sind. Während sich nämlich das Gefallen an solchen Fällen auf die Befriedigung des letzteren Prinzips schreiben läßt, könnte von der Verletzung des ersten vielmehr Mißfallen erwartet werden. Es ist aber schon früher (Abschn. VII) im Allgemeinen bemerkt, daß die Unlust, die aus Verletzung dieses Prinzips entsteht, leicht unter der Schwelle bleibt, wenn der Widerspruch nicht tief in unser theoretisches und praktisches Interesse eingreift, und um so weniger wird sie zur Geltung kommen können, wenn sie von der starken gegenteiligen Wirkung eines anderen Prinzips überboten wird. Auch kompensiert sie sich in jenen Fällen so zu sagen von selbst. Was kommt uns z. B. darauf an, wenn eine Katze einen anderen Sprung macht, als wir erwarten konnten; wir finden freilich dadurch unsrer Vorstellung widersprochen, aber auch dieselbe unmittelbar widerlegt, berichtigt, den Widerspruch im selben Momente gehoben, so wie er entsteht, die neue Vorstellung tritt einfach an die Stelle der alten; und die Hebung eines Widerspruches ist eben so im Sinne der Lust, als der Widerspruch im Sinne der Unlust; also bleibt dem Prinzip der einheitlichen Verknüpfung des Mannigfaltigen hier so zu sagen freier Raum, seine Wirkung zu äußern. Anders, wenn uns etwas wider den gewohnten Gang der Natur zu laufen, den Gesetzen derselben und hiermit den von uns festzuhaltenden, Voraussetzungen zu widersprechen scheint; das erscheint uns selbst dann nicht lächerlich, wenn es sonst alle Bedingungen davon zu vereinigen scheint. An die Stelle der Lächerlichkeit tritt hier das Gefühl der Unheimlichkeit. Setzen wir z. B. einmal, der Regen finge, nachdem wir ihn, so oft es bisher regnete, abwärts strömen sahen, nach dem Herabfallen plötzlich wieder aufwärts zu strömen und die Sprünge junger Katzen nach allen Richtungen nachzuahmen an, so würde uns das doch nicht eben so lächerlich erscheinen, weil unsere Voraussetzungen vom Erfolge nicht durch den widersprechenden Erfolg entwurzelt werden könnten, der Widerspruch also dauernd bestehen bliebe und uns in unseren Naturansichten irrte.

Also würde es untriftig und geradezu verkehrt sein, die Lächerlichkeit in den angeführten Fällen auf das Dasein des Widerspruchs an sich selbst zu schreiben; verrät ja doch ein Vorstellungswiderspruch seine unlustgebende Eigenschaft sonst hinreichend. Nur in sofern kann ein stärkerer Widerspruch die Lustigkeit steigern, als die Verschiedenheit, welche die Mannigfaltigkeit begründet, nicht größer werden kann, als wenn sie bis zum Widerspruch gedeiht; je größer aber die Mannigfaltigkeit, desto lustgebender ist die einheitliche Verknüpfung derselben.

Alles Bisherige betraf nur Beispiele aus den redenden Künsten und dem wirklichen Leben; aber den bildenden Künsten sind Fälle, die sich entsprechenden Gesichtspunkten unterordnen lassen, nicht fremd.

Wenn ein Tintenwischer als kleines Püppchen, oder als Pantoffel, oder als Staubwedel, oder als Buch u. s. w. dargestellt wird, so haben wir bei jeder solchen Travestierung, wie bei einem Vergleiche oder Wortspiele, die Verknüpfung zweier sehr heterogenen Vorstellungen durch eine vermittelnde; indem die Auslegung einer und derselben Form zwei ganz verschiedenen Bedeutungen Raum gibt. Feuerzeuge, Zahnstocherbehälter, Handleuchterchen und andre Gegenstände zu kleinen Zwecken sieht man oft eben so travestiert, und kann ein Vergnügen daran aus ähnlichem Gesichtspunkte als an obigen sprachlichen Spielen finden, wofern sich nur ein Konflikt nicht zu sehr geltend macht, der doch jene Spiele von gewisser Seite in Nachteil gegen diese setzt. Die Zweckbedeutung, die bei zweckmäßigen Gegenständen möglichst zur Erscheinung zu bringen, nach den Erörterungen des 15. Abschnittes im ästhetischen Interesse liegt, versteckt sich nicht nur mehr oder weniger durch die Travestierung, sondern äquilibriert sich so zu sagen damit, kann jedenfalls sich nicht mehr mit ihrem vollen Werte anschaulich geltend machen. Wo nun der Zweck ein so unbedeutender ist, daß wir dem ästhetischen Anspruch auf seine reine Geltendmachung in der Erscheinung nicht viel Gewicht beilegen, kann der Reiz der Travestierung in Verbindung namentlich mit einem Interesse oder Reize der Form selbst, welche der Gegenstand dadurch empfängt, leicht jenen Nachteil überwiegen, und wird man solche Spielerei gestatten können. Wogegen es ganz geschmacklos sein würde, Gegenstände von wichtigerer Zweckbedeutung in ähnlicher Weise zu travestieren. Jemand hat z. B. den Vorschlag gemacht, die Lokomotiven, die freilich nicht den wohlgefälligen Eindruck eines auf dem Wasser sich bewegenden Schwans machen, ästhetisch dadurch zu heben, daß man sie mit einem Mantel in Gestalt eines Schwans umgibt. Aber nicht nur, daß man dadurch das Spiel derselben, was uns in seiner Weise mindestens eben so interessiert als das Schwimmen des Schwans, versteckt, widerspricht es auch unsrer Vorstellung, daß ein Schwan auf dem Lande fortrutscht, oder daß eine Lokomotive wie ein Schwan schwimmt, und diese Widersprüche sind zu ernsthaft, als daß sie durch den Reiz der Travestierung samt dem Reize, den die Gestalt des Schwans an sich vor der Lokomotive, voraus haben mag, gut gemacht werden könnten.

Der Umstand, daß bei der Spielerei mit Travestierung kleiner Zweckeinrichtungen das Gefallen mindestens eben so sehr durch die zierliche oder sonst interessierende Gestaltung, welche der Einrichtung dadurch aufgedrückt wird, als den Reiz der Travestierung bestimmt zu werden pflegt, in Verbindung mit dem angegebenen Konflikte mag Ursache sein, daß doch nicht leicht der Eindruck der Lächerlichkeit dadurch entsteht, selbst wenn die Travestierung einen dem Zweck sehr fremdartigen Charakter hat. Das Lächerliche kann aber dadurch in die bildende Kunst eintreten, daß lächerliche Verhältnisse oder Begegnisse des Lebens oder starke Übertreibungen (in Karikaturen) durch sie darstellbar sind.

So stellt z. B. ein Bildchen von Biard [Fußnote] in lächerlicher Weise den Empfang dar, der einen Reisenden beim Aussteigen aus einem Rheindampfschiffe erwartet, wie wenigstens 10 bis 12 Pack- und Sackträger sich in die Reise-Effekten teilen und ihn mit seiner Begleiterin nach dem Hotel führen. Zwei baumstarke Kerle tragen einen leichten Nachtsack an einer schweren Stange über den Schultern, ein anderer fährt ein Etui und einen Sonnenschirm auf einem Schubkarren, an welchem ein oder zwei Gehilfen sich angespannt haben.

Voll von lächerlichen Darstellungen sind u. a. die "Fliegenden Blätter", wozu freilich die erläuternden Unterschriften wesentlich gehören.

Selbst der Musik geht die Fähigkeit, Lachen zu erzeugen nicht ganz ab. Mindestens erinnere ich mich, daß der Violinvirtuose Wasiliewski in einem Bekanntenkreise einmal ein Stück vortrug, wobei man nicht aus dem Lachen herauskam, indem dasselbe so zu sagen nach dem Prinzip der Sprünge junger Katzen verfaßt war.

Beiläufig folgende Bemerkung über die Weise, wie der Körper auf den Eindruck des Lächerlichen gegenüber Eindrücken von entgegengesetzter Art reagiert. Das Lachen besteht in einem ruck- oder stoßweisen Ausatmen, das Schluchzen in einem entsprechend ruckweisen Einatmen. Eine plötzliche Freude aber, die uns mit dem Eindrucke, daß ihre Ursache eine nachhaltige sei, begegnet, veranlaßt uns nicht sowohl zum Lachen, als zu einem Verharren im stockenden Zustande der Ausatmung, wie ich finde, indem ich mir so eben vorstelle, daß ich das große Los gewonnen, wogegen man bei einem plötzlichen Schrecken die Ursache des Schreckens mit stockendem Einatmen anstarrt. Gewahrt man dann plötzlich, daß man umsonst erschrocken ist, so löst sich der Schreck in Lachen auf, und springt hiermit der Zustand des Einatmens in einen Ruck des Ausatmens über.