23 Amazonenschlacht, Gastmahl

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Amazonenschlacht. Zweites Gastmahl

Dezember 1870

»Sei so gut, mir die Einnahme von Paris umgehend telegraphisch zu melden, damit ich der erste bin, der die Fahne heraussteckt.

Mir geht es ausgezeichnet. Eine Rose vor mir im Wasserglas – für anderthalb Franks im Monat täglich eine frische – sitze ich behaglich in meinen wohlbekannten Zimmern, die so angenehm zum Denken sind. Wir haben Wiener Bier, Zeitungen, Musik, anständige, ernste Menschen, Militärs und Zivilisten zur Gesellschaft; wenige Fremde. Die Luft ist rein, und es lebt sich angenehm. Was die Deutschen an mir gesündigt haben, soll man mir nicht ansehen.

Ich liebe mein Vaterland, obgleich ich ihm nichts zu danken habe, und ich hasse ehrlich und von Herzen alle diejenigen, welche mich, sei es in böser Absicht oder aus Unverstand, verhindern wollen, das mir von der Natur gesteckte Ziel zu erreichen. Wenn ich glaubte, mich nützlicher zu machen, indem ich meine Glieder den Kugeln der Franzosen preisgebe, so würde ich es sorglos und ohne Säumen tun. Es ist immer gut zu wissen, für was man stirbt, wenn man nicht weiß, für was man leben soll. Ich glaube aber, daß mir für die richtige Totschlägerwut einiges Talent abgeht, wahrscheinlich aus Respekt vor der Natur, da es mir sonst an Mut und Galle nicht gebricht.«

Abermals Dezember 1870

»Am ersten Januar beginne ich die Amazonenschlacht, nach deren Aufzeichnung zu gleicher Zeit das zweite Gastmahl, in welchem alle Sünden des ersteren zu Tugenden werden sollen. Erstere ebouchiere ich frei, vorerst ohne Natur; bei letzterem ist die Photographie ein herrliches Knochengerüst in mathematischer Richtigkeit, und ich kann im übrigen Geist und Phantasie frei walten lassen. So z. B. werde ich mit Hilfe des Vergolders den Rahmen selbst malen: Kinder, Blumen, Früchte, Tiere, Masken, grau in grau auf Goldgrund. Die Halle wird mit Blumen geschmückt, die Wände mit Gold, der Boden Mosaik.

»Ich tue was ich kann, erwarte wenig von der Welt – wie sollte ich anders? – und meine Gegner, noch mehr meine zweifelhaften Freunde, denn ich habe deren, leider, werden einen ernsten, stillen Mann an mir finden.«

Frühjahr 1871

»Vorgestern ist die Leinwand zum Symposion eingetroffen. Fünf Mappen Handzeichnungen enthalten über 200 Blätter. Allein 54 habe ich für die Amazonenschlacht gemacht, in zwei Monaten wird die obere Hälfte des Bildes fertig sein.

Du wirst inzwischen zwei größere und zwei kleinere Bilder erhalten, gerollt in einer Kiste. Empfange die zweite Iphigenie, die jetzt endlich kommt, mit Achtung; sie ist es wert. Auf dem Medeenstudienbild sieht man zwar die Kinder nicht, aber doch den Dolch zur Beruhigung des Publikums.«

Herbst 1871

»Fortan kann ich nur wenig schreiben, etwa drei Worte, die mein Wohlsein melden. Ich bin in einer Riesenarbeit begriffen, die alles andere ausschließt. Die Amazonenschlacht steht untermalt, und das zweite Symposion ist am Punkt – sans comparaison – gewappnet aus meinem Hirn zu springen. Ich brenne vor lichter Begeisterung!«

11. November 1872

»Vorigen Dienstag, den 19. November, habe ich den Namen unter die Schlacht geschrieben. Das Bild ist gemacht. Schluß dieses Monats und der ganze Dezember ist dem Symposion geweiht, welches auf gleiche Höhe gebracht werden soll. Die beiden Gemälde stehen einander gegenüber und repräsentieren einen Komplex von nahezu hundert Figuren. Es ist doch der Mühe wert, daß ich gelebt habe und lebe!

Januar und Februar wird ein Abschiedsspaziergang unternommen zur letzten Vollendung. Ich habe die Untermalung des Amazonenbildes in vierzig Tagen vollendet und bin so frisch wie am ersten Tage.

Abermals stehen einige Bilder zur Absendung bereit, doch kann ich mich nicht zur Verpackung entschließen. Eine schlafende Medea, hoffentlich die letzte, deren grausiger Traum sich auf der Urne spiegelt, und ein feines Modellbild »Am Strande«. Der Kopf der Medea scheint mir erschöpfend. Das zweite Bild könnte eine moderne Iphigenie sein. Man sagte mir, es fehlte der Strohhut; daran habe ich nicht gedacht. Auch die Schuhe waren nicht richtig!

Gleich nach Ostern werde ich eintreffen. Ich möchte diesmal längere Zeit in Baden-Baden ausruhen.

Liebe Mutter, denke an mich als an einen von Gott und allen Göttern Begnadigten!