Bahr, Hermann

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Hermann Anastas Bahr (* 19. Juli 1863 in Linz; † 15. Januar 1934 in München) war ein österreichischer Schriftsteller, Dramatiker sowie Theater- und Literaturkritiker. Heute liegt seine Bedeutung in seiner Rolle als zentraler Vermittler der Wiener Moderne und anderer Kulturströmungen seiner Zeit.

Hermann Bahr war, insbesondere durch seine kritischen Schriften, ein bedeutender Literatur- und Kulturtheoretiker der Jahrhundertwende im deutschsprachigen Raum und wesentlich an der Definition neuer Stilrichtungen beteiligt. Er verfasste im Laufe seines Lebens über vierzig Theaterstücke, zirka zehn Romane, vierzig Bände kritische Schriften sowie eine Autobiographie.

Bahr war mit vielen bedeutenden Personen seiner Zeit in persönlichem Umgang: In Wien mit Schnitzler, Altenberg, Hofmannsthal, Mahler, Klimt, Otto Wagner, Max Burckhard, Bertha Zuckerkandl, Josef Kainz, Richard Strauss, Stefan Zweig, Egon Friedell, Koloman Moser, Theodor Herzl, Viktor Adler, Josef Redlich u.a. In Deutschland mit Arno Holz, Johannes Schlaf, Oscar A. H. Schmitz, Otto Julius Bierbaum, Frank Wedekind, Wolfgang Heine, Gerhart Hauptmann, Samuel Fischer, Max Reinhardt, Otto Brahm, Thomas Mann, Heinrich Mann. International unter anderem mit Ibsen, Émile Zola, Gabriele D'Annunzio, Eleonora Duse, George Bernard Shaw, Ethel Smyth...

Die rege Korrespondenz Bahrs ist vor allem aufgrund von (nunmehr obsoleten) Streitigkeiten im Nachlass nur teilweise veröffentlicht. Eine Liste der im Nachlass aufbewahrten Korrespondenz findet sich auf der Website des Theatermuseums, ein Verzeichnis der gedruckten Briefe auf der Website der Universität Wien.

Ein wichtiger Grund für die häufig in der Literatur anzutreffende (und nur teilweise zutreffende) negative Konnotation zu Bahr liegt in den Angriffen in der Zeitschrift Die Fackel von Karl Kraus, der von ihm abschätzig als dem Herrn aus Linz sprach. Oft wurde das Urteil Kraus' unhinterfragt übernommen, gerade weil Nachlassstreitigkeiten die Publikation Bahrs in den fünfzig Jahren nach seinem Tod fast zum erliegen brachten.

War Hermann Bahr zu Lebzeiten besonders als Bühnendichter und Feuilletonist bekannt, und hielt sich nach seinem Abbleben seine Bedeutung am Theater am längsten, so intensivierte sich zuletzt die Auseinandersetzung mit ihm in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts parallel zu den unter Moritz Csáky in fünf Bänden herausgegeben Tagebücher, Skizzenbücher, Notizhefte. Bahrs Rolle als Vermittler der Moderne und Vermittler zwischen den Kulturen rückte in den Vordergrund.

Seit 2009 und bis 2012 läuft an der Universität Wien unter der Leitung von Claus Pias ein vom FWF finanziertes Projekt, das die wichtigsten kritischen Schriften in Leseausgaben wieder auflegt und ein Verzeichnis der Texte Bahrs sowie der Erstdrucke erstellt.

Eines seiner bekanntesten Zitate aus dem zum Schlagwort gewordenen Text Die Überwindung des Naturalismus lautet: "Die Herrschaft des Naturalismus ist vorüber, seine Rolle ist ausgespielt, sein Zauber ist gebrochen." Aber auch die Texte Die Moderne, Der Symbolismus und Loris sind besonders für die Literaturtheorie des Symbolismus von maßgeblicher Bedeutung.

Bahr war stets an der Zukunft der Literatur interessiert. In seinem „Selbstbildnis“ schrieb er: „Ein [...] intellektueller Herr von Adabei“ bin ich gewesen: da liegen die Tugenden meines Geistes, da seine Laster. [...] Ich habe fast jede geistige Mode dieser Zeit mitgemacht, aber vorher, nämlich als sie noch nicht Mode war. Wenn sie dann Mode wurde, nicht mehr. [...] ich konnte mit Goethe sagen: Wenn die Leute glauben, ich wäre noch in Weimar, dann bin ich schon in Erfurt!“