03 Kunstverderber

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03 Kunstverderber

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Allgemeines.

(1821.)

Die Betrachter von Kunstwerken lassen sich nach drei Stufen der Ausbildung einteilen. Die ersten sehen bloß aufs Außen- und Machwerk; das sind die rohesten und gemeinsten, und die meisten. Die zweiten, die, obschon über die vorige Stufe hinaus, doch selbst nicht überflüssig Ideen haben und bei denen die wenigen vorhandenen als Embryonen unentwickelt daliegen, sehen auf Gehalt, Gefühl, Rührung, Begriff, moralischen Wert, weil sie sich durch diese Eigenschaften eines Kunstwerkes ihrer eigenen Empfindungen und unentwickelten Ansichten erst bewußt werden und zu einem wohlthätigen Gefühl ihres eigenen Selbst gelangen. Die dritten endlich, die selbst was zu machen im stande sind, oder die wenigstens wissen, worauf es dabei ankommt, sehen auf die Darstellung. Sie, denen hundertmal die herrlichsten Ideen durch den Kopf gehen, bis sie einmal zur künstlerischen Ausbildung einer einzigen gelangen können, wissen, daß Ideen wohlfeil sind und nur dann ein Verdienst begründen, wenn sie durch Verschmelzung mit der Natur zum äußern Leben gekommen, wenn das Begriffsskelett mit dem weichen Fleisch des Daseins bekleidet worden ist. Sämtliche Neu-Altdeutsche mit ihrer Bewunderung der Kunstwerke des Mittelalters sind auf der zweiten Kunststufe. Der Umstand, daß trotz alles Redens und Theoretisierens keiner von ihnen etwas Tüchtiges hervorbringt, könnte sie schon über ihre Impotenz belehrt haben und über ihr Verkennen dessen, worauf es ankommt. Ein Hund von dieser zweiten Art ist auch der Speth, der in seinem Buche: »Die Kunst in Italien« [Fußnote] albernes Gewäsch vorbringt und sich untersteht, den ehrwürdigen Goethe zu verunglimpfen.

(1821.)

Schlendrian und Pedantismus in der Kunst urteilen immer gern nach Gattungen, diese billigen, diese verwerfen sie: der offene Kunstsinn aber kennt keine Gattungen, sondern nur Individuen.

(1855.)

Darum ist in der Kunst das Bewußtlose das Höchste, weil auch in der Natur der bewußtlose Zweck das Herrschende ist. Zweckmäßigkeit ohne Zweck hat es Kant genannt.

Ich stelle mir die Sache so vor: Der Mittelpunkt des menschlichen Wesens, sinnlichen und geistigen, ist die Seele. In ihr liegt alles vereinigt und aufbewahrt: Erfahrenes, Erlebtes, Gedachtes, Gefühltes. Dieser Zuwachs ist, was man Bildung nennt. Er ändert in einem gewissen Grade selbst die Substanz der Seele, und durch ihn ist der Mensch im vierzigsten Jahre ein anderer, als im vierten. Den Gesamtausdruck der Seele, insofern ihr Streben nicht nach außen geht, nenne ich die Empfindung, Die Empfindung ist nicht ohne Unterscheidung, weil das Geistige eben auch in ihr liegt. Wird die Empfindung durch starke Eindrücke angeregt, so verliert sich diese Unterscheidung, und sie wird Gefühl, sowie andererseits durch gemäßigte Anlasse die Unterscheidung vom Geiste aus sich mehr und mehr Platz macht und das entsteht, was Kants Urteilskraft ist, ein anschauender Verstand, der die Regel aus dem Geiste und die Teile aus dem sich gliedernden, unermeßlichen Vorräte von aufbewahrten Eindrücken nimmt. Diese Urteilskraft liegt dem gesunden Menschenverstand zu Grunde. Im vollständigen Auseinandertreten verfallt die Empfindung einerseits dem sinnlichen Bedürfnis, andererseits verfeinert sie sich zum Verstande, oder Vernunft, oder Geiste, wie man es eben nennen will.

Der Sitz der Kunst ist in der Empfindung, die einerseits den Unterscheidungen der Urteilskraft nahe steht, andererseits aber durch ihr Hineinreichen in den ganzen Menschen eine ungeheure Verknüpfung – Ideenassociation – anregt, deren Vorstellungen ihrem Ursprung von außen nach sich zu Bildern verkörpern und als Phantasie die natürliche Auffassung des Menschen nachahmen, die sinnlichen Eindrücke mit Gedanken verbindet, nur daß hier die Bilder sich schon nach einem Gesichtspunkte einstellen, indes die äußern Eindrücke zufällig und unvermittelt überraschen.

Ich weiß wohl, daß das alles dummes Zeug ist, aber die Welt würde in diesem Augenblicke zusammenbrechen, wenn ihre Verbindungen solche wären, die wir einsehen könnten.

(1855.)

Daß sich über die Kunst und den Vernunftgebrauch von vornherein nichts ausmachen läßt, erhellt schon daraus, daß der Gegenstand der Kunst: das Schöne, durchaus ein Ergebnis der Erfahrung ist. Ob der Gedanke, in inniger Verbindung mit dem sinnlich wohlgefälligen Bilde, mehr Vergnügen über die Veredlung des sinnlichen Eindrucks, oder mehr Mißvergnügen über den unadäquaten Ausdruck des Gedankens hervorbringen wird, läßt sich vom Standpunkte des Geistes nicht voraus bestimmen. Ich sage: unadäquater Ausdruck, weil sich der Gedanke nur durch Gedanken völlig entsprechend ausdrücken läßt. Und wenn wir auch den Menschen als so vorherrschend sinnlich annähmen, daß ein Bild ihn mehr befriedigte, als eine Ausführung durch Gedanken, so wäre doch erst das Wohlgefallen an der Kunst vorausbestimmt, aber noch nicht die Begeisterung, das Entzücken, das Hinreißende der Kunst.

(1856.)

Das Urteil, das der vortreffliche Macaulay in seiner englischen Geschichte Kapitel XIV über die Predigten Tillotsons fällt: His reasoning was just sufficiently profound and sufficiently refined to be followed by a popular audience with that slight degree of intellectual exertion which is a pleasure, gilt noch viel mehr als von einer Predigt, von dem Anteil, den die Denkkraft an dem Genuß künstlerischer, eigentlich ästhetischer Gegenstände zu nehmen hat.

(1840.)

Die Wissenschaft überzeugt durch Gründe, die Kunst soll durch ihr Dasein überzeugen, wie die Wirklichkeit, wie die Natur.

(1839.)

Das Aesthetische ist vielleicht eins mit dem Eindrucke, den das Vollkommene in seiner Art auf uns macht. Eben weil letzteres im Individuum gewöhnlich nicht vorkommt, erweckt es den Begriff der Gattung, des Zusammenhanges der Wesen, des Ganzen, und erhebt den Menschen so über sich, ja die Welt.

(1839.)

Die Kunst verhält sich zur Natur, wie der Wein zur Traube.

Die Kunstverderber.

(1856.)

Wenn man vom Verderben eines Strebens, einer Richtung, einer Kunst spricht, so meint man wie natürlich nicht die mangelhaften Schritte, die vom Anfange aus bis zur Gewinnung eines, der Vollkommenheit sich nähernden Standpunktes gemacht werden. Sie sind förderlich, notwendig und in ihrer Unvollkommenheit verehrungswürdig, ob es gleich lächerlich ist, wenn eine übersättigte Zeit ihnen einen höhern Wert zuschreiben will, als den, den sie wirklich haben. Verderben heißt: eine schon vorgeschrittene Kunst durch falsche Bestrebungen wieder rückgängig machen. Da stößt man denn freilich bei den Verteidigern eines immerwährenden Fortschrittes gewaltig an. Aber wollte man diesen auch, gegen alle Erfahrung, im ganzen der Welt zugeben, so stößt man doch im einzelnen damit gewaltig an, besonders wenn es sich um Begabungen und Energien handelt, die nur bei einzelnen vorkommen, ja ihrer Natur nach eine Art Abgeschlossenheit, um nicht zu sagen: Einseitigkeit bedingen. Kenntnisse lassen sich mitteilen, Kräfte nicht. Die Bildung, die allerdings in den letzten drei Jahrhunderten in immerwährendem Fortschritt war, beruht auf einem Gleichgewicht aller menschlichen Fähigkeiten; Bestrebungen, die wesentlich ein Uebergewicht besonderer Eigenschaften voraussetzen, sind weit entfernt, durch solche Allgemeinheiten gefördert zu werden, Bildung haben und seine Bildung am gehörigen Orte vergessen zu können, sind für den neuern Dichter gleich wichtige Erfordernisse, ja letzteres beinahe wichtiger, wie es schwerer ist.

Man kann eine Kunst theoretisch oder praktisch verderben.

Die falschen Theorien verderben eigentlich die Kunst nicht, sie kommen erst, wenn sie bereits verdorben ist. Die Produktion hat eine so überwältigende Macht, daß ästhetisches Gefasel dagegen unwirksam bleibt. Erst wenn die Ausübung ermattet oder sich selber untreu geworden ist, dann machen sich die falschen Grundsätze breit und erschweren, ja machen die Rückkehr für die Masse halb unmöglich. Erst ein neues schaffendes Talent bricht oft spät genug den Bann; denn die echten Grundsätze liegen im Talente selbst und, als erweckbarer Keim, auch in der Masse.

Also nur die Künstler verderben die Kunst. Das ist oft gesagt worden und daher nichts Neues. Meistens aber wurde der Satz so gebraucht, als ob es die eigentlich schlechten Künstler wären, die dieses Verderbnis herbeiführen. Das ist aber ganz unwahr. Die schlechten Dichter bleiben unbeachtet, und die mittelmäßigen unterhalten, oft ganz mit Recht, die Menge, die aber recht wohl zu unterscheiden weiß, daß, wenn sie Wallensteins Tod sieht, sie auf eigentlichem Kunstgebiete steht, indes sie sich gestern bei Kotzebue oder Iffland ganz einfach nur unterhalten hat.

Die ausgezeichneten Künstler sind es, die die Kunst verderben, wenn sie sich individuellen Richtungen mit zu großer Vorliebe hingeben. Der Tadel trifft aber dann eigentlich nicht sie. Jede Begabung hat das Recht, zu sein, was sie ist, und wenn die Kunst ein Allgemeines hat, das aus der Sache selbst fließt und in dem Zusammentreffen mit allen großen Künstlern desselben Faches sich kundgibt, so macht das Individuelle den eigentlichen Reiz aus, der unterscheidet und erfrischt. Wollte Gott, jeder Künstler wäre ein anderer. Wenn aber die Nachahmer, durch den Glanz des Namens und das Einschneidende der Besonderheit verführt, sich auf das Individuelle werfen, ohne die Individualität zu besitzen, die es naturgemäß erzeugt und ebenso rechtfertigt als entschuldigt, dann weicht die Kunst von ihrem Wege ab, und die Verwilderung tritt ein, entweder augenblicklich, wenn das Nachgeahmte leidenschaftlicher Natur war, oder später, als Nachwirkung gegen reflektive Kälte und launische Ablehnung.

Man muß daher unter den ausgezeichneten Künstlern einen großen Unterschied machen, zwischen den vortrefflichen als solchen und den mustergültigen (der eigentliche Begriff für das, was man klassisch nennt). Die ersteren gehen einen Pfad, der nur für sie gangbar ist, die zweiten den Weg, der für alle paßt. Der Ausdruck originell ist daher sehr zweideutiger Natur, und es gehört eine große Begabung dazu, um einen Künstler nicht schon durch diese Bezeichnung in die zweite Rangstufe zu setzen. Auf den eigentlich großen Künstler übt das von seinen Vorgängern Übernommene als Vorhandenes die Macht eines Natürlichen, und er macht es wie alle andern, nur unendlichemale besser.

So ist in der Musik Beethoven vielleicht ein so großes musikalisches Talent als Mozart oder Haydn, nur hat etwas Bizarres in seiner Naturanlage, verbunden mit dem Streben originell zu sein, und allbekannte traurige Lebensumstände ihn dahin geführt, daß, in weiterer Ausbildung durch talentlose Nachtreter, die Tonkunst zu einem Schlachtfelde geworden ist, wo der Ton mit der Kunst und die Kunst mit dem Ton blutige Bürgerkriege führen.

(1845.)

Das Unerwartete darf allerdings und soll in der Kunst vorkommen; aber wie es eintritt, muß es wirken wie ein Notwendiges und durch sich selbst Gerechtfertigtes.

Der Künstler, an dem man die Originalität als charakteristische Eigenschaft hervorhebt, gehört schon deshalb in den zweiten Rang; denn die Geister ersten Ranges charakterisiert der Sinn für das Natürliche. Sie machen es wie alle andern, nur unendlichemale besser.

(1820.)

Allerdings ist es falsch, daß die Form das Höchste in der Kunst sei, aber das Höchste ist in der Kunst nur insofern etwas, als es in der Form erscheint; d. h. insofern es der Künstler nicht bloß gedacht und empfunden, sondern das Vorgestellte auch adäquat dargestellt hat.

(1818.)

Jede Entfernung von der Natur in der Kunst ist entweder Stil oder Manier, Stil, wenn die Entfernung nach den Forderungen des Ideals geschieht! Manier, geschieht sie aus was immer für einem andern Gesichtspunkte.

(1829.)

Die sogenannte moralische Ansicht ist der größte Feind der wahren Kunst, da einer der Hauptvorzüge dieser letztern gerade darin besteht, daß man durch ihr Medium auch jene Seiten der menschlichen Natur genießen kann, welche das Moralgesetz mit Recht aus dem wirklichen Leben entfernt halt.

Ueber Dilettantismus.

Sie werden es sonderbar, vielleicht wohl gar ein wenig lächerlich finden, wenn ich mit meiner so entschieden und oft ausgesprochenen Abneigung gegen die in unsern Tagen überhandnehmende Kunstkritik, mir beigehen lasse, mit Aufsätzen ans Licht zu treten, die ein ähnliches kritisches Bestreben unverhohlen schon an der Stirne tragen. Sonderbar oder nicht, wenigstens schließt die Sache keinen Widerspruch ein. Niemand kann sich von der Richtung der Zeit frei halten, in der er lebt. Selbst den, der sie bestreitet, zwingt sie, wenn auch nicht mit ihren Waffen, doch immer auf ihrem Boden zu kämpfen, und wovon gar nicht die Rede sein sollte, davon muß er reden, wenn er überhaupt sprechen will. Ferner: mag man auch noch so sehr von der Unnotwendigkeit einer abgesondert auftretenden Kritik durchdrungen sein, so macht doch, wenn einmal die Schranke durchbrochen ist, das Dasein einer schlechten, die Gegenüberstellung einer guten wieder gewissermaßen notwendig, wie Fieberrinde an sich ein übles Ding ist, aber nach eingetretenem Fieber nur gar zu wünschenswert wird. Endlich möcht' ich nicht Werke kritisieren, sondern Kritiken, oder wenigstens nur solche Werke, die ihr Entstehen, statt einem unschuldigen Trieb, zu schaffen, einem Fleisch gewordenen kritischen Geiste verdanken.

Zur Sache! Das Grundübel unserer neuesten deutschen Litteratur und Kunst scheint mir in dem Vorherrschen eines gewissen Dilettantismus zu liegen.

Der Dilettant ist ein gesteigerter Liebhaber. So wie dieser, kann auch er viele, ja bedeutende Einsicht in das Wesen einer Kunst, ja selbst eigene Ideen von größerem oder geringerem poetischen Gehalte haben, nur fehlt ihm bei allem Streben doch das Vermögen einer genügenden Darstellung. Solche Leute kommen im Leben häufig vor. Sie sind, wenn ihre Auffassungsgabe mit Selbsterkenntnis und Bescheidenheit geplant ist, höchst liebenswürdig und interessant. Was sie hervorbringen, entzückt ihre Freunde, weil diese im stande und in der Stimmung sind, das Fehlende der Darstellung aus ihrer Kenntnis des Verfassers zu supplieren, und eine gewisse Unbeholfenheit in der Anwendung der Mittel wird nicht selten zu einem eigenen Reiz, wie das Lallen des Kindes der Mutter entzückender klingt, als aller Wohllaut der Dichtkunst im Munde der Musik.

Beim Dilettanten gilt immer der Willen fürs Werk, indes ein Künstler nur derjenige genannt werden kann, der auch ins Werk zu setzen vermag, was er will. Jede Kunst liegt in der vollkommenen Darstellung der mehr oder weniger vollkommenen Idee; und dies zwar so sehr, daß nur darin ihr charakteristischer Unterschied von der Wissenschaft zu suchen ist.

Wer das Schöne weder weiß noch fühlt, ist ein Tropf; wer es fühlt, ein Liebhaber; wer es weiß, ein Kunstphilosoph; wer, was er davon fühlt und weiß, auszuführen strebt, ein Dilettant; wer es ausführt, ein Künstler. Wer mit einem beschränkten Ideenkreis seinen kleinen Vorrat selbständig außer sich hinzustellen vermag, ist ein Künstler, indes der Ideenreichste, dem die Gabe, das Gedachte von seinem Innern abzulösen, mangelt, dieses Namens ewig wird entbehren müssen. Hölty in seiner Nußschale wird ein Dichter bleiben bis ans Ende der Welt, und die Schlegel werden es ewiglich nicht sein, waren sie auch tiefer als die Tiefe des Weltmeers. Die niederländischen Kuh- und Gemüse-Raphaels sind Maler, und der sinnige Schnorr wird es täglich weniger, je mehr er sinnt.

Es liegt aber diese Darstellung, die ich als das charakteristische Merkmal jedes Kunstwerkes betrachte, wie schon oben bemerkt wurde, in der vollkommenen Ablösung des Hervorgebrachten von dem hervorbringenden Gemüte. Erst wenn die Frucht von dem Mutterleibe getrennt und die letzte verbindende Schnur abgeschnitten ist, dann erst tritt ein neuer Mensch ins Dasein, der das Prinzip seines Daseins in sich selbst tragt und als Geschöpf wandelt nach eigener Richte.

Allgemeines.

(1822.)

Das Kunsturteil des Dilettanten und des Meisters unterscheiden sich darin, daß ersterer dabei das Kunstwerk mit sich in Übereinstimmung zu bringen sucht, letzterer sich mit dem Kunstwerke.

(1836.)

Die Kunst ist keine Frucht der Bildung, denn das Wesen der Bildung ist Vielseitigkeit, die Kunst aber beruht auf einer Einseitigkeit. Ihr muß nämlich ein Stoff und ein Gedanke im Augenblicke des Schaffens und des Genießens an die Stelle der ganzen übrigen Welt treten.

Es gibt, besonders in Deutschland, Kunstliebhaber und Dilettanten, die in einem fremden Werke nur das lieben, was sie von ihrem eigenen hineingetragen haben. Wie gewisse Insekten, die, da sie nicht Lebenswärme genug haben, ihre Jungen selbst auszubrüten, die Eier in fremde lebende Körper hineinlegen. So gefällt Tieck, der mit dem Erhabenen nur durch das Medium Shakespeares zusammenhängt, an dem großen Briten eigentlich nur das, was er in ihn hineindeutet und dichtet. Solche Leute, an sich ziemlich unschädlich, sind als Kritiker und Freunde besonders gefährlich für ausübende Künstler. Schober ist ein solcher Mensch.

(1819–1820.)

Ein gewisser Kunstsinn ist in Deutschland ziemlich verbreitet, der Künstlersinn aber ist fremd darin.

(1838.)

Was den Deutschen vor allem fehlt, ist der Kunstsinn. Dieser besteht darin, den Gedanken im Bilde zu genießen. Die Deutschen gehen aber auf den Gedanken los, ohne sich um das Bild viel zu bekümmern. Diese Geistesverfassung gehört der Wissenschaft an, zerstört aber die Kunst.

(1834.)

Wenn eine Zeit in der Kunst für das Hohe und Tiefe schwärmt, so ist der Geschmack verdorben; denn der wahre Sinn – um nicht zu sagen: das Verständnis – für das Tiefe und Hohe ist immer nur das Vorrecht einzelner Begabter, die andern beten nach.

(1834.)

Was dem empfindenden Menschen wahr ist, ist poetisch wahr, und was dem denkenden Menschen wahr ist, philosophisch wahr. Jeder, der eine wenn auch nur subjektiv wahre Beziehung der Dinge auf das Gemüt entdeckt und darzustellen weiß, ist ein Dichter. Byron so gut als Klopstock.

(1834.)

Philosophisch wahr ist, was sich erweisen läßt; poetisch wahr das, wovon man überzeugt ist, oder besser, was man als wahr fühlt, im Gegensatz von dem, was man als wahr weiß.

(1834.)

Die Welt mit den Gesetzen der Empfindung in Übereinstimmung zu bringen, das ist die Aufgabe der Poesie, oder vielmehr der Kunst im allgemeinen.

Des Menschen unabweisliches Streben ist, sich mit der Welt in Uebereinstimmung zu setzen. Wo das nun nicht gehen will, sucht die Philosophie am Menschen zu bessern, die Poesie kehrt es um, und ändert die Welt.

(1857?)

Der Kunst die Erkenntnis der Ideen zuzuschreiben, ist lächerlich, da der Ausdruck Idee doch immer eine objektive Gültigkeit beansprucht, wo es denn endlich auf die Urbilder der Dinge hinausgeht, deren Erkenntnis dem Menschen wohl nicht gegeben sein dürfte. Daß dem Künstler bei vollständiger Konzentration aller Kräfte (der Philosoph konzentriert nur die geistigen) das innere Wesen der Gegenstände deutlicher werde als den übrigen Erdensöhnen, ist allerdings anzunehmen, aber wie weit ist es da noch bis zu den Urbildern. In früherer Zeit hat man statt Ideen Ansichten gesagt, und da kann es denn allerdings höchst vernünftige und annähernd richtige geben.

(1830.)

Was ist komisch? Ist komisch und lächerlich das nämliche? Wenn lächerlich das ist, worüber man lacht, so ist auch der Witz lächerlich, ohne darum komisch zu sein. Der Witz ist korrosiv, das Komische ist expansiv. Witzige Menschen sind oft nicht gute Menschen, komische sind fast nie böse. Der Witz gehört dem Geiste an, die Komik jener gemischten Region, die man Gemüt nennen kann, wenn es einem beliebt, wo Empfindung und Gefühl, Fürwahrhalten (Glauben?) und Phantasie, Neigung und Wärme ihren Sitz haben. – In der Wirkung steht das Komische am nächsten dem Spaßhaften, obwohl die Hervorbringung des letztern etwas Bewußtes hat, das bei dem Komischen nicht notwendig ist. Man macht einen Spaß, und man ist komisch. – Hier wäre vielleicht einzubohren! – Wie, wenn das Komische das Objektiv-Lächerliche wäre, gegenüber dem Spaßhaften, dem Witzigen, dem Satirischen, das in der Wendung liegt und subjektiver Natur ist.

(1822.)

Man schreit jetzt in allen Künsten so sehr gegen die Regeln und daß das Genie sich durch sie nicht könne binden lassen. Das letztere ist wohl auch wahr. Aber durch gänzliches Aufheben der Regel auch jene Köpfe davon zu befreien, die keine Genies sind, muß doch notwendig zum Unsinn führen; und das thut es auch.

(1820.)

Der Hauptgrund der Verschiedenheit in den Kunsturteilen der Männer und denen der Frauen liegt darin, daß letztere in der Regel keiner Abstraktion fähig sind und nur das bewundern können, was sie zugleich auch vollkommen billigen.

(1822.)

Unser Entzücken über ein Kunstwerk ist offenbar aus diesen drei Empfindungen zusammengesetzt: das ist nicht bloß möglich; das ist! – So mein Innerstes ansprechend, so auf einen Punkt vereinigt, so eins mit meinem Wesen habe ich es selbst in der Natur nicht gesehen! – Und das hat ein Mensch gemacht! –

(1822.)

Ein Kunstwerk muß sein wie die Natur, deren verklärtes Abbild es ist: für den tiefsten Forscherblick noch nicht ganz erklärbar; und doch schon für das bloße Beschauen etwas, und zwar etwas Bedeutendes. Wer etwas schafft, das der gemeinmenschlichen Fassungskraft nichts ist und erst der tiefsinnigen Reflexion sich gestaltet, hat vielleicht ein philosophisches Problem glücklich in poetischer Einkleidung gelöst, aber er hat kein Kunstwerk gebildet.

(1836-1838.)

Was ist denn nun diese Begeisterung, die zum Schaffen in der Kunst als notwendig bezeichnet wird? Es ist nicht jene Steigerung der Gemüts- und Geisteskräfte, die, von ähnlichen physischen Zuständen begleitet und unterstützt, gewöhnlich mit einem solchen Namen bezeichnet wird. Diese Begeisterung ist bloß teils die äußere Erscheinung, teils die Folge einer vorausgegangenen anderen Ursache. Sonst würden ja Kunstwerke Ausgeburten eines kranken Zustandes, einer Art geistigkörperlichen Trunkenheit heißen müssen. Die eigentliche Begeisterung ist die Hinrichtung aller Kräfte und Fähigkeiten auf einen Punkt, der für diesen Augenblick die ganze übrige Welt nicht sowohl verschlingen, als repräsentieren muß. Die Steigerung des Seelenzustandes entsteht dadurch, daß die einzelnen Kräfte, aus ihrer Zerstreuung über die ganze Welt in die Enge des einzelnen Gegenstandes gebracht, sich berühren, wechselseitig unterstützen, heben, ergänzen. Durch diese Isolierung nun wird der Gegenstand gleichsam aus dem flachen Niveau seiner Umgebungen herausgehoben; statt nur an der Oberfläche, von allen Seiten umleuchtet, durchdrungen; er gewinnt Körper, bewegt sich, lebt. Dazu gehört aber die Konzentration aller Kräfte. Nur wenn das Kunstwerk für den Künstler eine Welt war, wird es auch eine Welt für den Beschauer. In neuerer Zeit aber breiten sich die Richtungen zu sehr aus. Der Raum des Kunstwerkes scheint dem Künstler zu eng, er will daneben und dazwischen noch dies und das, und wie ihm das Gefühl der Notwendigkeit des Geschaffenen fehlt, stellt es sich auch bei dem Beschauer nicht ein.

Die Begeisterung der augenblicklichen Leidenschaft, die Begeisterung der Narrheit und die Begeisterung des Skandals, die einzigen in der neuesten Poesie übrig gebliebenen Stellvertreter der poetischen Begeisterung.

(1821–1822?)

Die neueste Zeit unterscheidet sich von ihren Vorgängerinnen auch darin, daß sie in allen Dingen einen ganz neuen Weg gefunden zu haben glaubt, obgleich diese Neuerungen, genau betrachtet, eben auch nur Nachahmungen oder Umkehrungen oder Verwechslungen längst dagewesener, allgemeiner oder besonderer Erscheinungen sind. – So ist die neueste Kriegskunst wahrscheinlich nur dadurch entstanden, daß die improvisierten Generale der französischen Revolution instinktmäßig die Kriegführung der wilden Horden nachahmten und dadurch ihre taktisch gebildeten, aber geistlosen Gegner in heillose Verwirrung setzten, bis endlich der letzte Vervollkommner der kannibalischen Methode in eigener Waghalsigkeit ein seiner glänzenden Laufbahn unwürdiges Ende fand. Und so wird das System in künftigen Hordenfeldzügen fortdauern, bis einmal ein Mann von Geist etwa die Grundsätze Friedrichs des Großen als eine neue Neuheit hervorsucht und die stumpfgewordene Genialität mit denselben Waffen besiegt, die es siegreich verspottete.

Was von den garstigen Künsten gilt, gilt auch von den schönen. Sie haben sich in neuester Zeit sämtlich erweitert, weil sie teils in ihre wechselseitigen Gebiete, teils in die Prosa hinübergriffen, und halten sich nun für reicher, weil sie mehr Geld in der Kassa haben, wenn auch geborgtes.

Ich will hier vorzugsweise von der Musik sprechen; einmal weil ich sie liebe und immer mit Eifer getrieben habe, dann weil es die einzige Kunst ist, in der wir Deutsche einen eigenen Weg gebrochen haben, indes wir in den übrigen viel zu spät gekommen sind, um auf etwas anderes, als auf den Ruhm mehr oder weniger glücklicher Nachahmer Anspruch machen zu können.

Meine Behauptung geht nun dahin: daß die Musik, abgesehen von dem Mangel an Talenten, in Deutschland auf dem Wege der Verschlechterung sei, weil sie sich aus ihrem eigenen Gebiete in das der Poesie hinüber begeben hat.

Hier ist nun vor allem nötig, daß wir die Gebiete der verschiedenen Künste zu bestimmen suchen.

Wie unähnlich sie jedoch im einzelnen sein mögen, so kommen sie doch in den Hauptbestimmungen, als einer und derselben Richtung des menschlichen Geistes, der Kunst angehörig, wie natürlich überein. Diese Grundbedingungen oder wesentlichen Bestandteile aller Kunst nun sind: der sinnliche Eindruck, die Empfindung, der Gedanke. Was einen dieser Faktoren entbehrt, gehört nicht mehr der Kunst an, verschieden aber ist das Maß des Anteils und die Stufenfolge, in der die verschiedenen Künste an denselben teilnehmen.

Die Malerei (Plastik mit einbegriffen) geht vom sinnlichen Eindruck aus, erweckt dadurch den Gedanken und durch diesen die Empfindung. Die Musik, gleichfalls vom Sinn empfangen, geht jedoch unmittelbar auf die Empfindung über, und der Gedanke, der kaum je zum völligen Bewußtsein gelangt, ist in seiner Unbestimmtheit der letzte, gleichgültigste Bestandteil des Wohlgefallens oder Mißfallens. Die Poesie endlich, die freilich auch sinnlich gehört oder gesehen werden muß, wo denn aus dem guten oder schlechten Fall der Verse allerdings ein Minimum von Lust oder Unlust entstehen mag, fängt doch eigentlich erst mit dem den Worten entsprechenden Gedanken an, erregt durch ihre Verknüpfung die Empfindung, und die nicht von außen hinein-, sondern von innen herausgehende Versinnlichung ist erst die letzte Stufe der Vollendung.

Diese Unterschiede, wie gleichgültig sie von vornherein scheinen mögen, bestimmen doch wirklich das Gebiet der Künste.

Von seinem Ursprunge kann sich nichts lossagen. Der sinnliche Eindruck, wo er den Anfang macht, ist so stark, daß die später folgende Billigung oder Mißbilligung des Verstandes die Wirkung nie mehr ausgleichen kann, die das Individuum durch seine natürlichste Wahrnehmungsquelle, den Sinn, empfangen hat; es könnte höchstens dadurch ein Umkehren, eine Art Neue entstehen, die aber immer einen zusammengesetzten Eindruck gäbe, nie einen einfachen ganzen, wie ihn die Kunst fordert.

(1836.)

Ihr Elenden, die ihr Geist habt, aber nur nicht, eure Werke damit zu begeistigen! Was kümmert mich der Mensch in euch! Das geht eure Angehörigen, eure Frauen und Kinder an. Im Künstler lebt nur das, was er zu verarbeiten, was er zum Zwecke der Kunst zu verwenden weiß. Eure Werke seid ihr. Wer hat nicht Geist? Der Philister hat ihn auch. Nicht die Hand gibt einen Wert, sondern was man mit der Hand macht.

Ueber Genialität.

(Um 1840?)

Nicht leicht wird ein Wort in neuester Zeit häufiger gebraucht als das Wort Genie und das ihm entsprechende Adjektiv genial. Die Bezeichnung als Talent ist dagegen so im Werte gesunken, daß man es, Menschen und Werken beigefügt, beinahe als eine Beleidigung betrachten kann und nicht viel mehr sagen will, als gemein, Mittelgut, unus ex multis.

Was wollen denn aber vor allem die beiden Ausdrücke sagen, und inwieweit ist daher ihr Gebrauch ein richtiger? Da nun in den höchsten geistigen Sphären die Grenzen oft ineinander laufen und es sich hier überdies vorläufig um eine Sprachbestimmung handelt, so wollen wir die Sprache selbst als Beispiel und Musterbild voranstellen.

Da nennen wir denn ein Sprach genie denjenigen, der die innigsten Beziehungen und Verwandtschaften vieler Sprachen erfaßt und durchschaut und so regelgebend auf seine und die Sprache im allgemeinen rückwirkt, gesetzt auch, daß er sich in keinem einzigen Idiom, seine Muttersprache ausgenommen, geläufig auszudrücken vermöchte. Ein Sprachtalent dagegen wird demjenigen zugeschrieben, der viele Sprachen mit Leichtigkeit erlernt hat und sich ihrer mit Geläufigkeit und Gewandtheit in vorkommenden Fällen, sprechend und schreibend, bedient. Jakob Grimm ist ein Sprachgenie, der Kardinal Mezzofanti ein Sprachtalent.

Wir mögen die beiden Ausdrücke durch alle Fächer und Bildungsformen verfolgen, immer wird sich zeigen, daß Genie sich auf die Tiefe und Eigentümlichkeit der Auffassung, Talent dagegen auf das Vermögen der Ausübung bezieht.

In den wissenschaftlichen Bestrebungen nun, wo der Gedanke die Hauptsache ausmacht und die Darstellung nur als Einkleidung, als Nebensache erscheint, mag allerdings Genialität für sich allein ausreichen, obgleich auch hier, wer einer entdeckten Wahrheit keine Ueberzeugung beizufügen weiß, in Gefahr steht, fruchtlos sich bestrebt zu haben...

2.

Man hört in neuerer Zeit nichts häufiger als den Ausdruck: genial. Da fragt sich nun zuerst, was das heißen soll? Will man damit von jemanden sagen, er sei ein Genie? oder nur, er sei etwas annähernd dem Genie Aehnliches? Im ersten Falle sollte man bedenken, daß das Genie, wie die Aloe, kaum alle hundert Jahre einmal blüht. Es hat ganze Zeiträume gegeben, die nicht ein einziges Exemplar dieser seltenen Pflanze aufzuweisen hatten, und sollte die neuere Zeit daran auf einmal so fruchtbar geworden sein? Wodurch und wie? da es sich hier um eine Naturgabe handelt und nicht um etwas Erworbenes, Ungebildetes, wie jedermann zugibt. Nimmt man aber genial nur für etwas dem Genie Aehnliches, so muß vor allem genauer bestimmt werden, was denn das Genie eigentlich sei, um es auch in seiner Aehnlichkeit wiederzuerkennen und von verwandten Gaben zu unterscheiden. Die nächst verwandte Gabe aber ist das Talent. Betrachtet man nun Talent und Genie als Stufenleiter eines und desselben Vermögens, nur dem Grade nach verschieden, so würden die Ausdrücke: ein großes, ein außerordentliches Talent, und: ein Genie, gleichbedeutend sein, was man wieder nicht zugibt. Schon die Ausdrucksweise des gewöhnlichen Lebens unterscheidet hier sehr genau. Wer viele Sprachen mit Leichtigkeit erlernt und mit Fertigkeit gebraucht, ist ein Sprachtalent; wer die Uebereinstimmung und die allgemeinen Bezüge derselben Sprachen oder vielmehr der Sprache überhaupt durchschaut, von den Zweigen zum Stamm, vom Stamm zur Wurzel verfolgt und nachweist, ist ein Sprachgenie, wenn er sich auch in keinem einzigen fremden Idiom mit Bequemlichkeit auszudrücken vermöchte. So nennen wir den Abbé Mezzofanti ein außerordentliches Sprachtalent, Jakob Grimm, wenn man will, ein Sprachgenie. Es bleibt also nichts übrig, als einen spezifischen Unterschied zuzugeben und das Genie in die Eigentümlichkeit der Auffassung und das Talent in die Geschicklichkeit der Ausübung zu setzen.

Da leuchtet nun sogleich ein, daß in den geistigen Bestrebungen, die auf Erforschung der Wahrheit, auf Erweiterung unserer Kenntnisse gehen, das Genie und nur das Genie es ist, in dem alles Heil liegt. Wer eine neue Wahrheit gefunden hat, gesetzt, er drückte sich auch so unbeholfen aus, als Kant oder Hegel, ist ein Wohlthäter des Menschengeschlechtes.

Anders aber dürfte es in den Künsten sein. Wenn irgend ein Künstler, ein Dichter zum Beispiel, eine neue Idee, eine Wahrheit nämlich, gefunden hätte – obwohl mir im ganzen Bereich der Poesie kein Dichter bekannt ist, von dem man so etwas sagen könnte – so hätte er sich dadurch nur in die Reihe der Philosophen oder Naturkundigen gestellt, als Dichter aber noch gar nichts geleistet. Denn die Kunst besteht in der Lebendigmachung der Idee, in der Zurückführung des Gedankens auf die Wirklichkeit, in der Darstellung mit einem Worte. Wenn man sich hier durch eine Unterscheidung der philosophischen von der poetischen Idee helfen wollte, so wäre dabei wenig gewonnen, denn die poetische Idee ist schon eine Einkleidung, eine Versinnlichung, eine Verkörperung der philosophischen, und somit sie selbst schon eine Darstellung. Was bei den Philosophen gegenüber der Auffindung des Gedankens Nebensache ist: die Auffaßbarkeit von Seite des Zuhörers, ist bei dem Künstler die Hauptsache; die Kunst ist eben nichts, als der Komplex der Mittel, seine Gedanken lebendig auf den Zuhörer übergehen zu machen. Wer die höchsten Gedanken hat, aber sie nicht darzustellen vermag, kann ein außerordentlicher Mensch sein, ein Künstler aber ist er nicht.

Da man aber anderseits doch Gedanken haben muß, wenn man ihrer darstellen will, so ist allerdings Genie, verbunden mit dem Talente, Eigentümlichkeit der Auffassung, Hand in Hand mit der Gabe der Lebendigmachung, das Höchste, was die Kunstwelt aufzuweisen hat. Nur kommt das Ding, wie gesagt, oft in Jahrhunderten nicht einmal vor.

Das eigentliche Genie ausgeschlossen, kann daher die Bezeichnung genial nur auf einen Teil jenes weltbeglückenden Ganzen gerichtet sein, und da die als genial Bezeichneten den Beinamen: Talent mit Entschiedenheit, als eine Art Unglimpf, zurückweisen, so bleibt für sie vom Genie, mit Ausschluß der Darstellungsfähigkeit, nur das Eigentümliche der Auffassung, die Originalität des Gedankens übrig. Da kommt nun zu bemerken, daß in einer Zeit, wo die Ideen fixiert sind, die Eigentümlichkeit der Ansicht allerdings eine gewisse Stärke des Geistes voraussetzt. Sind die Ideen aber einmal im Fluß, hat sich die Zeit von Ehrfurcht und Ordnung emanzipiert, so ist nichts leichter, als aus dem wirbelnden Strudel ein paar Gedanken: qui heurlent de se trouver ensemble, herauszugreifen und gewaltthätig zu verbinden. Wenn man es nur mit der Richtigkeit nicht so genau nimmt, so hat dann die Eigentümlichkeit wenig Schwieriges. Jeder Gedanke, auf den Kopf gestellt, gibt einen neuen, und ein Narr im Narrenhause hat mehr originelle Einfälle, als alle Dichter seit Erschaffung der Welt zusammengenommen.

Aber auch die Originalität im besten Sinne zugegeben, so ist doch in der Kunstwelt derjenige, der eigentümliche Gedanken hat und sie nicht angemessen darzustellen vermag, das, was man im gewöhnlichen Leben einen Stümper nennt, d. h. ein solcher, der das nicht machen kann, was er machen möchte.

Ich bin hier bei dem Punkte angekommen, auf den ich von vornherein mein Augenmerk richtete. Genialität ohne Talent ist der Teufel der neueren Kunst, Wenn ich sage: ohne Talent, so meine ich nicht, als ob diese Gabe der neuern Zeit ganz fehlte. Aber je größer der Gedanke, um so schwieriger die Ausführung. Ein Talent, welches für einen mäßigen Stoff ausgereicht hätte, wird lächerlich, wenn es sich mit einem großen befaßt, und so haben wir denn lauter verunglückte Meisterwerke, statt genießbaren Kunstprodukten. Wenn hierin in Deutschland die bildende Kunst eine Ausnahme macht, so beruht dieses auf der einfachen Ursache, daß die Natur in ihrer unerforschten Machtvollkommenheit sich entschlossen hat, nach langer Sparsamkeit einige dem Genie nah kommende, wenn nicht gar es erreichende Talente hervorzubringen, die dann den andern die Richtung geben. Poesie und Musik aber sind gleichmäßig in jenem Grundübel befangen.

(1835)

Klassisch ist fehlerfrei.

Genialität ist Eigentümlichkeit der Auffassung; Talent Fähigkeit des Wiedergebens; Genialität ohne Talent gibt keinen andern Wert, als einen höchst persönlichen. Sie geht nur den Besitzer und seine nächste Umgebung an. Was nicht ausgeführt wird, ist leer; was nicht ausgeführt werden kann, ist verrückt. Das Talent gehört der Welt. Es ist das Vermögen, der Idee eine Ueberzeugung oder ein Gegenbild beizugesellen. Das heutige Deutschland ist die Heimat der Genialen und Talentlosen.

Man ist darum noch nicht eigentümlich, weil man die gang und gäbe Meinung auf den Kopf stellt.

In Deutschland pflegt man Genie und Talent als Stufengrade derselben Kraft, als quantitativ verschieden zu betrachten. Ihr Unterschied ist aber qualitativ, Genialität bezeichnet die Eigentümlichkeit der Auffassung, Talent die Fähigkeit des Wiedergebens und der Ausführung; das Genie faßt einen großen Gedanken, das Talent fügt ihm eine Ueberzeugung oder ein Gegenbild bei. Das neueste Deutschland ist vielleicht genial, aber gewiß talentlos.

Gott, gib uns für jedes Dutzend unserer Genies nur ein Talent, und wir sind geborgen.

(1839.)

Das Genie bezieht sich auf die Auffassung, das Talent auf die Ausführung, Talent ohne Genie behält immer seinen Wert, Genie ohne Talent ist ein Vorsatz ohne That, ein Wollen ohne Können, ein Satz ohne Ueberzeugung. Niemand spricht mehr von Genie als die Talentlosen.

(1838.)

Wenn ein Talent und ein Charakter zusammenkommen, so entsteht das Genie.

(1811.)

Leute von Talent, wie man gewisse Leute zu nennen pflegt, unterscheiden sich, außer manchen andern Fällen, noch darin von großen Köpfen, daß es ihnen sehr leicht wird, etwas Angewöhntes abzulegen; z. B. ein solcher Mensch wird, wenn er im Griechischen die Reuchlinische mit der Erasmischen Aussprache vertauschen soll, es leicht thun und in acht Tagen so lesen, als ob er nie anders gelesen hätte; ein wahrer Kopf, der einmal eine Sache seinem Geiste eingeprägt hat, nimmt sehr schwer etwas Widersprechendes auf, und wenn es ihm ja die Vernunft anrät, wird ihn das Alte noch oft genug in den Nacken schlagen.

(1812-1813.)

Das Genie unterscheidet sich von dem Talente weniger durch die Menge neuer Gedanken, als dadurch, daß es dieselben fruchtbringend macht, und sie immer auf der rechten Stelle hat; mit einem Wort, daß bei ihm alles zum Ganzen wird, indes das Talent lauter, wenn auch schöne, Teile hervorbringt.

Menschen von Talent sind weniger Musiker, als vielmehr musikalische Instrumente; ohne fremde Hilfe bringen sie keinen Ton hervor, aber bei fremder, auch der leisesten Berührung entwickelt sich aus ihnen herrliche Melodie.

(1836.)

Sich des Geistes der Zeit bemächtigen, ist die Sache des großen Talentes; sich vom Geiste der Zeit fortziehen lassen, bezeichnet das gewöhnliche. Beides unterscheidet sich wie Handeln und Leiden.

(1819.)

Ein Weiser mag und soll höher stehen, als seine Zeit; der Dichter als solcher nicht, aber ihr Gipfel soll er sein.

2.

Zur Poesie im allgemeinen.

(1821.)

Die Poesie ist wie der Lichtnebel im Schwert des Orions. Ein ungeheures Lichtmeer läßt dort den Mittelpunkt des Sonnensystems ahnen, aber beweisen kann man nichts.

(1821.)

Was die Lebendigkeit der Natur erreicht, und doch durch die begleitenden Ideen sich über die Natur hinaus erhebt, das und auch nur das ist Poesie.

(1836.)

Poesie ist die Verkörperung des Geistes, die Vergeistigung des Körpers, die Empfindung des Verstandes und das Denken des Gefühls.

(1836.)

Nichts ist abgeschmackter, als von schönen Wissenschaften zu sprechen. Die Poesie ist eine bildende Kunst, wie die Malerei.

(1853.)

Die Wissenschaft und Kunst (Poesie) unterscheiden sich darin, daß die Wissenschaft die Erscheinungen auf das Wesen oder den Grund zurückführt und dadurch die Erscheinung als solche aufhebt, die Poesie dagegen läßt die Erscheinung als solche bestehen und rechtfertigt sie nur dadurch, daß sie sie auf eine tiefer liegende Grunderscheinung bezieht, die, ohne weitere Beglaubigung, durch ihr Vorkommen in allen Menschen sich als eine der Grundlagen der menschlichen Natur im allgemeinen ausweist. Omni autem in re consensio omnium gentium lex naturae putanda est. (Cicero Tuscul. I. 13.)

(1833.)

Die Enunziationen und Eindrücke des Lebens in ihrer Fülle sind der Gegenstand der Poesie. Alles, was den Menschen im Gefühl einer Realität über sich selbst, d. h. über seinen gewöhnlichen Zustand erhebt, hat ihn begeistert, und diese Begeisterung ist die Poesie. Jede Realität nimmt hieran teil. Die Vorstellung oder Darstellung einer Idee erweckt das Gefühl des Aehnlichen im Menschen, bringt ihn für länger oder kürzer seinem Ursprunge, dem Urbilde der Menschheit naher, macht ihn sich wesenhaft fühlen, und der Genuß dieser Wesenhaftigkeit ist die Poesie. Die moralische Kraft gehört auch in den Kreis der Poesie, aber nicht mehr, als jede andere Kraft, und nur insofern sie Kraft, Realität ist; als Negation, als Schranke liegt sie außer der Poesie: und gerade um die Lebensgeister von den ewigen Nergeleien dieser lästigen Hofmeisterin etwas zu erfrischen, dem inneren Menschen neue Spannkraft zu geben, flüchtet man von Zeit zu Zeit aus der Werkstube des Geistes in seinen Blumengarten.

Die Poesie ist die Aufhebung der Beschränkungen des Lebens.

Die Poesie stellt die Naturverhältnisse wieder her, welche die konventionellen Verhältnisse gestört, und sie ist daher notwendig um so unmoralischer, je verwickelter diese Verhältnisse im Gange der Civilisation werden. Das Verhältnis Achills zur Briseis, das unschuldigste zur Zeit Homers, würde revoltant im Munde eines neuern Dichters sein, eben weil die neue Civilisation das Verhältnis zwischen Mann und Weib ...

(1819.)

Religiöse Entzückungen unterscheiden sich dadurch von poetischen, daß erstere nur einer innern Wahrheit bedürfen (gleichviel, sei sie nun objektiv oder subjektiv), letztere aber nebst der formalen innern noch auch eine äußere Wahrheit brauchen, d. h. daß sie sich auf das allgemeine Menschengefühl stützen, mit dem wirklichen oder möglich geglaubten Gang der Natur zusammentreffen müssen. Worauf die Vernunft in stetigem Fortschreiten nach Prinzipien folgerecht kommt, das ist wahr, gleichviel, ob sie dafür ein entsprechendes Bild nachweisen kann oder nicht, sie ist ihre eigne Gesetzgeberin, und in der Uebereinstimmung mit sich selbst liegt der Rechtstitel und der Erweis ihrer Ansprüche. Die Phantasie als Schöpferin der Kunst hat aber keine eigene Gesetzgebung aus sich selbst; je weiter sie fortbildet, je mehr ist sie in Gefahr, sich zu verirren, und der Dichter wäre ein Wahnsinniger, wenn er sich ihr allein überließe. Der Verstand muß die Wirksamkeit der Phantasie zwar allerdings formell leiten, wie er denn der formale Leiter aller unserer inneren Vermögen ist; hinsichtlich des eigentlichen Zweckes der Kunst aber kann er uns nicht helfen, da sie nicht auf formale Möglichkeit, sondern auf ideale Wirklichkeit ausgeht und als höchstes Prinzip ihrer Entscheidungen ein dunkles Gefühl des Schönen anzunehmen genötigt ist, das, indes es manches anerkannt Wahre als Nicht-Schön vorbeiläßt, seinen ganzen Beifall oft dem rein Erdichteten zuwendet, insofern es mit jenem dunklen Ideale zusammenstimmt.

(1836.)

Jedes Streben ist prosaisch, das einer Realität nachgeht. Kants Definition wird ewig wahr bleiben: Schön ist dasjenige, was ohne Interesse gefällt. Aller Poesie liegt die Idee einer höhern Weltordnung zum Grunde, die sich aber vom Verstande nie im ganzen auffassen, daher nie realisieren läßt, und von welcher nur dem Gefühl vergönnt ist, dem Gleichverborgenen in der Menschenbrust, je und dann einen Teil ahnend zu erfassen. Zweckmäßigkeit ohne Zweck hat es Kant ausgedrückt, tiefer schauend, als vor ihm und nach ihm irgend ein Philosoph.

Die Prosa der neueren Zeit besteht besonders darin, daß sie das Symbolische der poetischen Wahrheit nicht anerkennen wollen und nichts zulassen, was nicht eine Realität ist.

Das Symbolische der Poesie besteht darin, daß sie nicht die Wahrheit an die Spitze ihres Beginnens stellt, sondern, bildlich in allem, ein Bild der Wahrheit, eine Inkarnation derselben, die Art und Weise, wie sich das Licht des Geistes in dem halbdunkeln Medium des Gemütes färbt und bricht.

(1836-1338.)

Wissenschaft und Kunst oder, wenn man will: Poesie und Prosa, unterscheiden sich voneinander, wie eine Reise und eine Spazierfahrt. Der Zweck der Reise liegt im Ziel, der Zweck der Spazierfahrt im Weg.

Die prosaische Wahrheit ist die Wahrheit des Verstandes, des Denkens. Die poetische ist dieselbe Wahrheit, aber in dem Kleide, der Form, der Gestalt, die sie im Gemüte annimmt. Man hat die poetische Wahrheit auch die subjektive genannt. Unrichtig! denn die Grundlage ist ebenso objektiv, als die andere, denn alle Wahrheit ist objektiv. Aber die Gestalt, das Bild, die Erscheinung ist aus dem Subjekt genommen. Man würde sie am besten die symbolische Wahrheit nennen. Warum nimmt denn aber die Wahrheit Gestalt? Weil alle Kunst auf Gestaltung, Formgebung, Bildung beruht und die nackte Wahrheit ihr Reich ohnehin in der – Prosa hat.

(1849.)

Die Gewalt des bildlichen, also uneigentlichen Ausdrucks in der Poesie kommt daher, daß wir bei dem eigentlichen Ausdruck schon längst gewohnt sind, nichts mehr zu denken oder vorzustellen. Das Bild und, weiter fortgesetzt, das Gleichnis nötigt uns aber aus dieser stumpfen Gewohnheit heraus, und die unentsprechende Bezeichnung wirkt stärker als die völlig gemäße.

(1835.)

Dieses matte Schaukeln zwischen Himmel und Erde, Prosa und Poesie, das die neuere Lyrik charakterisiert, macht mir Uebelkeit; will ich einmal den Boden verlassen, so gescheh' es im Luftball steilrecht in die Wolken hinauf.

Vortreffliche Bausteine, diese Legion wahrgefühlter deutscher Gedichte, aber ich sehe kein Gebäude.

Andere Nationen suchen in der Kunst Befriedigung, die Deutschen Anregung, Aufregung vielmehr, ein unbestimmtes, endloses Vibrieren gehört unter ihre Genüsse.

(1835.)

Männer suchen in der Kunst Befriedigung, Knaben Anregung. Die Deutschen gehören in die letztere Klasse.

(1837.)

Es handelt sich nicht darum, was die Poesie in ihren ersten Anfängen war: gegenwärtig ist sie da, um in erhabener Einseitigkeit jene Eigenschaften herauszuheben und lebendig zu erhalten, die das menschliche Beisammenleben, die Unterordnung des einzelnen unter eine Gesamtheit, notwendig und nützlich beschränkt und zurückdrängt; die aber eben darum – köstliche Besitztümer der menschlichen Natur und Erhaltungsmittel jeder Energie – ganz verlöschen würden, wenn ihnen nicht von Zeit zu Zeit ein, wenn auch nur imaginärer Spielraum gegeben würde.

(1847.)

Es geht der Poesie gerade so, oder vielmehr umgekehrt, wie der Philosophie. Letztere ist bei ihrem Entstehen mit der Religion vereinigt und umfaßt das gesamte Schauen, Ahnen und Denken des Volkes, bis sie sich endlich von ihr scheidet und sich auf das durch den Verstand Erweisbare beschränkt. Ebenso ist die Poesie anfangs das Organ für den Gesamtinhalt des menschlichen Geistes. Später, nach Erfindung der Prosa, überläßt sie dieser das Lehrhafte und behält für sich die Darstellung, die Empfindung, statt der Einsicht die Aussicht.

(1841.)

Die Gegenwart ist nie poetisch, weil sie dem Bedürfnis dient: das Bedürfnis aber ist die Prosa.

(1841.)

Es ließe sich sehr gut durchführen, daß der Poesie die natürliche Ansicht der Dinge zu Grund liege, der Prosa aber die gesellschaftliche. Die Poesie würdigt Personen und Zustände nach ihrer Uebereinstimmung mit sich selbst, oder der ihnen zu Grunde liegenden Idee; die Prosa nach ihrem Zusammenhang mit dem Ganzen. Sie sind daher wesentlich voneinander getrennt, zwei abgesonderte Welten; und wer poetische Ideen in die wirkliche Welt einführt, steht in Gefahr, mit prosaischen die Poesie zu verfälschen.

(1836.)

Die Prosa der neueren Zeit besteht besonders darin, daß sie das Symbolische der poetischen Wahrheit nicht anerkennen wollen und nichts zulassen, was nicht eine Realität ist.

(1857-1858.)

Wenn man von einem goldenen Zeitalter der Litteratur spricht, so meint man gewöhnlich den Gipfelpunkt, den die Redekünste, namentlich die Poesie eines Landes erreicht haben. Und mit Recht. Einesteils ist die Poesie der Ausdruck und die Zusammenfassung der litterarischen und menschlichen Bildung einer Nation; ihr Einfluß ist der durchgreifendste und weitgreifendste, und solange es keine Wissenschaften im strengsten Verstande gibt, wird die Poesie immer an der Spitze der geistigen Bestrebungen stehen, da sie das ist oder wenigstens sein kann, was sie sein soll, ein Ziel, das den Wissenschaften entweder für immer, oder doch für jetzt streng versagt ist. Wenn die letzteren einmal demonstrativ werden sollten, wenn sie je die erstletzten Gründe ihrer Folgerungen angeben könnten, würde die Poesie zu einem angenehmen Spielzeug herabsinken, für jetzt aber hat sie den Vorzug, wie die Natur sagen zu können: Das ist, und wenn das Gemüt die Wahrheit empfunden hat, ist von einem Erweis oder Zweifel weiter nicht die Rede.

Man hat lange darüber gestritten, ob die Nachahmung der Natur der Zweck der Kunst überhaupt sei, und die Vernünftigen sind darüber einig, daß diese Naturnachahmung, wenn auch nicht der Zweck, doch gewiß das Mittel der Kunstdarstellung sei. Ja, man könnte sogar sagen, ohne darum ein Anhänger der prosaischen Kunstschule zu sein, daß der Künstler, der sich darauf beschränkt, die Natur vortrefflich nachzuahmen, dabei alle Empfindungen und Gedanken mit in den Kauf bekomme, die dem Beschauer bei der Betrachtung des Originals der Nachahmung in der Wirklichkeit unmittelbar in der Seele entstehen, indes der Künstler, der von Ideen und Empfindungen ausgeht, nichts weniger als sicher ist, jene Gestaltung zu finden, die seine Intentionen aus dem Reich der Möglichkeit zur Anschauung und Wirklichkeit bringt. Die eigentliche Naturnachahmung aber, und die mit dem Abklatschen des Wirklichen nichts zu thun hat, besteht darin, daß den Beschauer des Kunstwerkes, das sich möglicherweise weit von dem gewöhnlich Vorkommenden entfernt, dasselbe Gefühl des Bestehens anwandelt, wie bei Betrachtung der Natur. Das oben erwähnte: Es ist, hat das echte Kunstwerk mit der Natur gemein. Es schließt ab, weil die Gestalt in ihren Grenzen bestimmt ist, und es befriedigt, weil der ewig bewegte Gedanke froh ist, endlich auch einmal zur Ruhe zu kommen.

(1838.)

Das, was aller Poesie zu Grunde liegt, womit sie anfängt, ist etwas, was dem geistigen Wissen gar nicht zur Ehre gereicht. Sie fängt nämlich an mit dem Bilde, dem Gleichnis. Worin liegt es denn nun, daß das poetische Bild, der Tropus, das Gleichnis, einen Eindruck macht, den die zu Grunde liegende Wahrheit ewig nimmer machen würde? – Darin – worüber sich eben die Metaphysik die Haare ausraufen sollte – daß ein wirklich existierendes Staubkörnchen mehr Ueberzeugung mit sich führt, als all die erhabenen Ideen, die unserer geistigen Bildung zu Grunde liegen sollen, oder wirklich liegen.

Die ganze Poesie ist nur ein Gleichnis, eine Figur, ein Tropus des Unendlichen.

Der Geist der Poesie ist zusammengesetzt aus dem Tiefsinn des Philosophen und der Freude des Kindes an bunten Bildern.

(1822.)

Poesie und Prosa sind voneinander unterschieden wie Essen und Trinken. Man muß vom Wein nicht fordern, daß er auch den Hunger stillen soll, und wer, um das zu erreichen, ekelhaft Brot in seinen Wein brockt, mag das Schweinefutter selbst ausfressen.

(1830.)

Was der Mensch forscht und weiß, ist die Wissenschaft; was der Mensch fühlt und wünscht, ist die Poesie.

(1839)

Ihr habt die Poesie zu etwas Menschlichem gemacht, sie ist aber ein Göttliches: sie ist nicht die Prosa mit einer Steigerung, sondern das Gegenteil der Prosa.

Die Prosa ist des Menschen Speise, die Poesie sein Trank, der nicht nährt, sondern erquickt. Man kann aber auch, wie die neuesten Deutschen, Bier trinken, in dem Nahrungsstoffe zur Gärung gebracht sind, wovon man fett wird und noch dazu einen schweren Dusel in den Kopf bekommt.

(1834)

Es besteht nämlich die Poesie aus zwei Teilen: Poesie der Auffassung und Poesie der Darstellung; der Roman ist deshalb auch nur höchstens halbe Poesie.

(1836)

Das ist das prosaische Element der neuesten deutschen Poesie: sie bespricht die Gegenstände, statt sie darzustellen.

(1841)

Was die Poesie ausmacht, ist denn doch die Lebendigkeit der Darstellung, der Schwung der Gedanken und der Rhythmus der Sprache.

(1858)

Was Schiller die naive und sentimentale, Schlegel die antike und romantische Poesie genannt hat, wo aber allen diesen Bezeichnungen teils falsche, teils unbestimmte Nebenbestimmungen anhängen, möchte ich die Anschauungs- und Empfindungspoesie nennen.

(1822)

Nicht die Ideen machen den eigentlichen Reiz der Poesie aus; der Philosoph hat deren vielleicht höhere: aber daß die kalte Denkbarkeit dieser Ideen in der Poesie eine Wirklichkeit erhält, das setzt uns ins Entzücken, Die Körperlichkeit der Poesie macht sie zu dem, was sie ist, und wer sie, wie die Neuern, zu sehr vergeistigt, hebt sie auf. – Hierher gehört der Reiz des Bildes, der Metapher, der Vergleichung, und warum z, B. eine Fabel mehr überzeugt, als der ihr zu Grunde liegende moralische Satz.

(1843)

Jede poetische Figur enthält eine contradictio in adjecto zum deutlichen Beweis, daß die Logik nicht die Richterin der Kunst ist.

(1819)

Als allernotwendigstes Streben hat mir immer geschienen, so wie bei dem gewöhnlichen Menschen Erweiterung, so bei dem ungewöhnlichen Begrenzung; nur so kann in des letztern Wirksamkeit Gestalt kommen und vermieden werden jenes so häufig vorkommende und so zerstörende Verstäuben ins Unermeßliche. Was ich erreichen möchte, wäre: Reines Auffassen in der Idee aller menschlichen und natürlichen Zustände, mit besonnener Resignation über das Weitere, das nur, mit Freiheit aufgefaßt, verschönernd in das erstere hereinstrahlen dürfte.

Die unharmonischen Accorde der Poesie, aus denen man in die entferntesten Leidenschaften ausweichen kann, im Gegensatz der charakteristischen, die nur in die Tonart führen, zu der sie gehören.

(1836)

Que les collections d'idées, aux-quelles nous donnons le nom de sentiment. Balzac, le livre mystique T. I, p. 178. Dabei hat der Hanswurst doch etwas gedacht und vielleicht etwas sehr Richtiges.

Denn die vollendete Form ist es, wodurch die Poesie ins Leben tritt, ins äußere Leben. Die Wahrheit der Empfindung gibt nur das innere; es ist aber Aufgabe aller Kunst, ein Inneres durch ein Aeußeres darzustellen.

(1837.)

Den Gedanken festzuhalten auch in einem größern poetischen Werke, ist nicht schwer, wenn man die Teile über der Idee des Ganzen vernachlässigen will. Aber mannigfaltig und lebendig bis ins kleinste sein, und dabei doch nie den Grundgedanken aus den Augen zu verlieren, das ist die Schwierigkeit.

(1837.)

Eigentlich absurde, aber durch ihr immerwährendes Vorkommen als in der innersten Natur des Menschen begründet anzusehende Vorstellungen, daher für die Philosophie verwerflich, für die Poesie aber von hohem Werte: Strafe der Unthat bis ins späteste Geschlecht. Wirkung von Elternfluch und Segen. Vorbedeutende Träume. Das Schicksal, mit Vorauswissen und Vorausbestimmen gedacht. Die Gottheit leidenschaftlich. Eine von den natürlichen Folgen der That verschiedene Nemesis. Wahrsagung. Gespensterglauben. Spezielle Erhörung des Gebetes. Glück und Unglück, objektiv gedacht.

(1834.)

Wenn man von der neuen Zeit und der Notwendigkeit einer neuen Richtung der Poesie spricht, so fallen mir die Griechen ein, die in der Zeit ihrer wütendsten Demagogie noch immer in ihrem monarchischen Homer das höchste Ideal der Poesie verehrten und sich poetisch von ihm ganz befriedigt fanden. Ja, als alle Dynastengeschlechter gestürzt waren und sie die Freiheit bei Salamis und Marathon mit ihrem Blute erkauft, wußte sich die neu entstandene dramatische Poesie keinen gemäßeren Gegenstand, als die Schicksale und Großthaten jener Könige und Machthaber. Den Bedürfnissen der Gegenwart klebt immer etwas Prosaisches an, nur die Erinnerung ist poetisch.

(1840)

Die komische Poesie strebt dem Ideal ebenso nach, wie die ernsthafte. Nur spricht letztere das Ideal aus, indes erstere dasjenige angreift und verspottet, was dem Ideal entgegensteht.

(1838)

Die Poesie der Deutschen hat alle die Fehler, die daraus hervorgehen, daß sie gegen den natürlichen Entwicklungsgang erst nach der Wissenschaft entstanden ist. Lauter Sinn, lauter Sinn! indes die Poesie der Prosa gegenüber doch eine Art Unsinn sein sollte.

(1836)

Warum die Alten besser sind und, bei gleichen Gaben, besser sein müssen, als die Neueren? Weil ihnen das große Feld des Einfachen und Natürlichen auszubeuten frei stand und sie, um neu zu sein (was jeder Schriftsteller will), nicht gekünstelt zu sein brauchten.

(1838)

Man konnte die klassische und romantische Poesie auch als die männliche und weibliche (weibische?) bezeichnen.

(1838)

Die Streitfrage über den Vorzug des Klassischen und Romantischen kommt mir vor, wie wenn ein Hauswirt an der Mittagstafel seine Gäste fragte: ob sie lieber essen oder trinken wollten? Ein Vernünftiger wird antworten: Beides.

(1833)

Das Unterscheidende des Romantischen gegenüber dem Klassischen ist, daß ersteres bloß die Gemütswirkung bezweckt, gleichviel, auf welche Art sie bewirkt wird; das Interessante, das Geistreiche, das Bedeutende, ja das Häßliche, alles ist ihr willkommen, wenn nur die beabsichtigte Aufregung dadurch hervorgebracht wird. Die alte Kunst aber ging bloß auf das Schöne, d.h. auf jene Gemütserhebung, die einzig und allein aus dem sinnlich vollkommenen Eindruck entspringt.

(1835)

Es ist das Grundübel der Poesie (der lyrischen besonders) aller neueren (neuesten) Nationen, daß sie sich zur Prosa hinneigt. Nicht dadurch, daß sie trivial wird (das geschah eher in früheren Zeiten), sondern gerade, wenn sie sich erhebt. Ihre höchste Erhebung ist nämlich bis zum Gedanken, indes nichts poetisch ist als die Empfindung.

(1835)

Diese neuere Lyrik ist kein Fluß, in dem man schwimmen kann; sie ist ein Weiher, in dem sich zwar auch Sonne und Sterne spiegeln, der aber durchrankt von Wasserpflanzen ist, gestockt von Gedankenstämmen, besandet mit Niederschlag aller Art, so daß es ohne Waten nicht abgeht. Man kann darin allerdings noch baden, aber schwimmen nicht. Und es schwimmt sich so erquicklich in Gottes freier Luft ohne Arg und besonders Nachdenken!

(1836)

Die älteren lyrischen Dichter der Deutschen unterscheiden sich von den neueren besonders darin: jenen war das lyrische Ganze das Höchste, Um die Kontinuität des schwellenden Zuges nicht zu unterbrechen, nahmen sie es mitunter mit dem Gedankenreichtum nicht zu genau. Der Gedanke mußte sich dem Ausdruck fügen. Die Neuern setzen sich den Gedanken vor und suchen dann die Einkleidung. Ausdruck und Gedanken sollen aber zugleich geboren werden; wenigstens darf keines vorherrschen.

(1839)

Unterschied von Roman und Novelle: Die Novelle ist das erste Herabneigen der Poesie zur Prosa; der Roman das Hinaufsteigen der Prosa zur Poesie. Jede gute Novelle kann man in Verse bringen, sie ist eigentlich ein unausgeführtes poetisches Sujet; ein versifizierter Roman wäre ein Unding. Daher im Roman die Begebenheiten vielfach vermittelt, in der Novelle positiv auftretend, so daß in ersterm die Ursachen vorherrschen, in zweiter die Wirkungen. Der Roman psychologisch, die Novelle psychopathisch; der Roman, wie schon Goethe bemerkt hat, retardierend, die Novelle fortschreitend.

(1836)

Warum man in der Poesie die Gattungen nicht mischen soll? Weil jede ihren eigenen Standpunkt der Anschauung, einen anderen Grad der Verkörperung mit sich führt und erfordert, welche, gemischt, sich stören und aufheben: Lyrik, Epos, Drama, Aussicht, Umsicht, Ansicht.

(1835-1836)

Das Heer der deutschen Poesie hat schwere und leichte Reiterei, wie jede Kriegsmacht. Die schwere ist Mann und Roß dichtgepanzert, unangreifbar und undurchdringlich. Das Rüstzeug besteht zwar nur aus vielfältig verdoppeltem Papier und Pappdeckel; aber man weiß, daß ein Buch, Druckpapier oder Makulatur, selbst einer Flintenkugel widersteht. Leider hindert sie das Gewicht des Apparats, weiter zu kommen. Selbst unangreifbar, sind sie auch nicht im stande, zu ergreifen, zu bewegen, zu erobern, zu gewinnen. Unbeweglich stehen sie und schwingen den Flamberg ins Blaue. Was freiwillig in ihre Nähe kommt, wird ihre sichere Beute.

Die leichte Reiterei ist ebenso leicht, als die andere schwer ist. Ihre Armatur klafft von allen Seiten. Unfähig, den Wind zu durchschneiden, werden sie vielmehr vom Windzuge vor sich hergetrieben. Sie besiegen alles, was im jeweiligen Strich der Windrose von ihnen überritten wird.

Der größte Teil der Dichter aber gehört zum Fußvolk. Sie sind zwar wie die Reiter und noch dazu meistens schwer gerüstet, haben aber keine Pferde. Sie begnügen sich daher, mit den Füßen zu treppeln, und dazu in die hohle Faust Schnetterdeng, Schnetterdeng zu blasen. Die gefeiertsten Dichternamen der neuern Zeit gehören zu dieser Abteilung. In ihrer Fahne führen sie eine Rose mit einem ganz kleinen p davor.

(Um 1836.)

Weh dem Dichter, der sich seinen Stoff und die Behandlung desselben vom Publikum diktieren läßt. Aber weh auch dem, der vergißt, daß seine Aufgabe ist, sein Werk der allgemeinen Menschennatur verständlich und empfindbar zu machen. Von dieser allgemeinen Menschennatur kennen wir aber keinen unzweideutigeren Ausdruck, als die Stimme der allgemeinen Menschheit.

(1819.)

Wenn man in den Fall käme, einem recht prosaischen Menschen, besonders einem Monarchen vom gewöhnlichen Schlag, die Nutzbarkeit der Poesie beweisen zu sollen, so wüßte ich es von keiner Seite besser zu thun, als von der, daß sie Bewahrerin des Reiches der Idee ist. Daß aber Ideen von Vaterlandsliebe, Selbstaufopferung u. s. w. in besonderen Lagen des Staates von einigem Nutzen seien, ließe sich wohl noch darthun, selbst dem trockensten begreiflich darthun. Wollte aber der Mann dann nur jene Poesie gelten lassen, die sich mit der Aufregung solcher nützlicher Ideen beschäftigt, so müßte man ihm vorstellen, daß das Vermögen, sich auf die Höhe der Idee zu setzen, geübt und in allen Dingen zur Fertigkeit gebracht werden müsse, wenn man im Notfalle hervorrufen wolle, was man eben braucht. Da konnte nun der Calderonische Satz los esfuerços humanos Ilamando uno, vienen todos ausgeführt werden.

(1822)

Mit der Poesie ist es wie mit den Religionen. Wenn beide einmal ihre Aechtheit durch Wunder bewährt haben, muß man über die einzelnen Satze keine Beweise mehr fordern, sondern an sie glauben.

(1841)

Was nützt der Glaube ohne Werke. Im Kunstsinn genommen.