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Pietro Perugino

Geboren um 1450 in Castel della Pieve gestorben 1523 in Castello di Fontignano bei Perugia

Daß es Menschen gibt, denen Armut Gewinn schafft und eine mächtige Triebfeder ist und sie vollkommen und hervorragend werden läßt, welchen Beruf sie auch ergreifen mögen, kann man deutlich genug an dem Schicksal des Pietro Perugino sehen. Er entfloh dem äußersten Elend, das ihn in Perugia umgab, und ging nach Florenz, voll Verlangen, durch Tüchtigkeit einen ehrenvollen Platz zu erreichen. Dort war er viele Monate, ohne nur ein Bett zu haben, schlief in einem Kasten, verwandelte die Nacht zum Tag und lebte unausgesetzt dem Studium seines Berufs. Dies wurde ihm zur Gewohnheit; er kannte kein anderes Vergnügen mehr, als sich immer in seiner Kunst zu mühen und stets zu malen. Weil ihm außerdem die Schrecknisse der Armut beständig vorschwebten, trug er kein Bedenken, sich um des Verdienstes willen Arbeiten zu unterziehen, die er sonst nicht beachtet haben würde, wenn er seinen Unterhalt gehabt hätte. Vielleicht würde der Reichtum ihm die Bahn zur Trefflichkeit in der Kunst ebensosehr verschlossen haben, wie die Armut sie ihm öffnete und die Not ihn trieb, da er wünschte, vom niederen und armseligen Stand wenn nicht zum höchsten, so wenigstens zu einem gemächlichen Auskommen zu gelangen. Er achtete nicht Kälte, Hunger, Beschwerden, Mühen und Unbequemlichkeiten, und wie er sich keiner Arbeit schämte, um eines Tages gemächlich und ruhig leben zu können, so pflegte er auch sprichwörtlich zu sagen: »Nach bösem Wetter muß gutes kommen, und wenn gutes Wetter ist, baut man Häuser, um, wenn es nötig ist, unter Dach zu kommen.«

Allgemeiner Ansicht nach wurde dem Christofano, einem sehr armen Mann aus Castello della Pieve, ein Sohn geboren, den er bei der Taufe Pietro nannte. [Fußnote] Der Knabe wuchs auf, umgeben von Not und Elend, und wurde von seinem Vater als Lehrling zu einem Maler nach Perugia gegeben, der in diesem Gewerbe nicht gerade hervorragend war, die Kunst aber und ihre trefflichen Meister hoch verehrte. Von ihm vernahm Pietro stets, wieviel Ehre und Gewinn die Malerei denen bringe, die sie wohl auszuüben verständen, und welche Belohnungen die alten und neuen Meister erhalten hätten. Dies stärkte in Pietro den Mut zur Malerei, und er begeisterte sich so sehr, daß er den übermütigen Gedanken faßte, er wolle, wenn das Glück ihm beistehe, dereinst ein solcher Meister werden. Oftmals fragte er deshalb Leute, von denen er wußte, daß sie die Welt gesehen hatten, und besonders seinen Lehrer, an welchem Ort die Männer seines Berufes gebildet würden, und erhielt immer dieselbe Antwort, nämlich, mehr als irgendwo sonst erlangten die Menschen in Florenz Vollkommenheit in allen Künsten, besonders in der Malerei. Denn in dieser Stadt werden sie von drei Dingen angespornt und getrieben: zuerst vom Tadel, der in vielfacher Weise von einer großen Zahl Menschen vorgebracht wird, weil die Luft hier freie Geister von Natur aus erzeugt, die sich im allgemeinen nicht mit mittelmäßigen Werken begnügen und sie mehr zu Ehren des Guten und Schönen als mit Rücksicht auf den betrachten, der sie schafft. Das zweite ist, daß man, um hier zu leben, fleißig sein muß, aber das heißt nichts anderes, als seinen Verstand und sein Urteil anzuwenden, in seinem Tun schlau und schnell zu sein und endlich zu wissen, wie man Geld gewinne. Denn diese Stadt hat kein weites und reiches Gebiet, daher kann sie denen, welche dort leben, nicht für geringen Preis ihren Unterhalt bieten, wie es überall der Fall ist, wo viel Reichtum sich vorfindet. Das dritte, was vielleicht nicht geringere Macht ausübt als die beiden anderen, ist die Begierde nach Ruhm und Ehre, die jene Luft in höchstem Maße bei allen Berufen erzeugt. Ja, oftmals pflegt dies ein solches Streben nach eigener Größe zu erwecken, daß, wer nicht von Natur gut und verständig ist, dadurch verleumderisch und undankbar wird und sich für empfangene Wohltaten nicht erkenntlich zeigt. Anderseits muß, wer in Florenz genügend gelernt hat und nicht Tag für Tag wie ein Tier leben will, sondern reich zu werden verlangt, von dort fortgehen und für die Güte seiner Werke und den Ruhm, den jene Stadt verleiht, an anderen Orten Käufer finden, wie es die Gelehrten mit ihrer Wissenschaft machen. Denn die Stadt Florenz handelt an ihren Künstlern wie die Zeit mit dem, was ihr angehört; was sie bildet, zerstört sie wieder oder verbraucht es allmählich.

So kam Pietro mit dem Vorsatz nach Florenz, berühmt zu werden. Dies gelang ihm wohl, da die Werke seines Stils zu jener Zeit in außerordentlich hohem Wert standen. Er lernte unter der Zucht des Andrea Verrochio und malte seine ersten Figuren für die Nonnen von San Martino vor der Porta al Prato. Nach wenigen Jahren gelangte Pietro zu solchem Ruhm, daß seine Werke sich nicht nur in Florenz und Italien verbreiteten, sondern auch nach Spanien, Frankreich und vielen anderen Ländern gesandt wurden. Sie standen in sehr hohem Wert und Preis, deshalb suchten die Kaufleute sie aufzukaufen und schickten sie mit großem Gewinn und Vorteil nach den verschiedensten Gegenden. Für die Nonnen von Santa Chiara malte Pietro auf einer Tafel den toten Christus mit einer so schönen und neuartigen Farbgebung, daß er in den Künstlern den Glauben erweckte, er werde eine ausgezeichnete und wunderbare Art entwickeln. [Fußnote] Durch diese und andere Arbeiten gelangte Pietro zu großem Ruhm, daß er sich fast gezwungen sah, nach Siena zu gehen. Dort malte er in San Francesco eine sehr große, als sehr schön beurteilte Tafel und machte in Sant' Agostino eine andere, einen Kruzifixus mit einigen Heiligen. [Fußnote] Bald darauf verfertigte er zu Florenz in der Kirche San Gallo ein Bild des heiligen Hieronymus, der Buße tut. In Santa Croce malte er eine trauernde Maria mit dem toten Christus im Schoß und zwei Figuren, die man mit Bewunderung betrachtet, nicht nur um ihrer Vorzüglichkeit willen, sondern wegen der Frische und Lebendigkeit, in der die Freskofarben sich erhalten haben. Bernardino de' Rossi, ein Florentiner Bürger, beauftragte ihn, einen heiligen Sebastian zu malen, den er nach Frankreich schicken wollte. [Fußnote] Sie kamen überein, daß Pietro als Preis hundert Goldgulden erhalten sollte. Von dem König von Frankreich dagegen ließ Rossi sich vierhundert Dukaten dafür zahlen. – In Vallombrosa malte er eine Tafel für den Hauptaltar, [Fußnote] eine andere in der Certosa von Pavia für dieselben Mönche. Der Kardinal Caraffa von Neapel ließ ihn für den Hauptaltar der bischöflichen Kirche daselbst eine Himmelfahrt der Madonna malen mit Aposteln, betend an ihrem Grabe. [Fußnote]

Weil sich der Ruf Pietros in Italien wie in anderen Ländern verbreitete, berief Papst Sixtus IV. ihn ehrenvoll nach Rom, damit er in Gesellschaft anderer trefflicher Künstler die Kapelle ausschmücke. Dort malte er mit Bartolommeo della Gatta, dem Abt von San Clemente aus Arezzo, das Bild, auf dem Christus dem Petrus die Schlüssel übergibt, weiterhin die Geburt und die Taufe Jesu, dann die Geburt des Moses und seine Auffindung durch die Tochter des Pharao. Auf derselben Wand, wo der Altar ist, malte er das Altarbild auf die Mauer: die Himmelfahrt der Madonna und unten Papst Sixtus in kniender Stellung. Dieses Gemälde aber wurde zur Zeit Pauls III. abgekratzt, damit dort der göttliche Michelangelo das Weltgericht malen könne. In der Torre Borgia im Palast des Papstes arbeitete er an einem Gewölbe mehrere Geschichten von Christus, mit Laubwerk umgeben, die zu jener Zeit als vortrefflich anerkannt und berühmt waren. [Fußnote] Im Palast von Santi Apostoli verzierte er für Sciarra Colonna einen Bogengang nebst anderen Zimmern. Alle diese Arbeiten brachten ihm eine große Menge Geld ein.

Dann beschloß er, nicht länger in Rom zu bleiben, schied von dort unter Gunstbezeigungen des ganzen Hofes und kehrte nach Perugia, seiner Vaterstadt, zurück. Dort schuf er an vielen Stellen Bilder und Freskomalereien, besonders in der Kapelle des Palastes der Signoren eine Tafel in Öl, worauf er die Mutter Gottes und andere Heilige darstellte. [Fußnote] In San Francesco del Monte schmückte er zwei Kapellen in Fresko aus. In San Lorenzo, dem Dom jener Stadt, sieht man von Pietro ein Gemälde, das die Madonna, Johannes, die anderen Marien, Laurentius und Jakobus mit noch einigen anderen Heiligen enthält. [Fußnote] An dem Altar des Sakramentes, wo der Ehering der Madonna aufbewahrt wurde, stammt ein Bild mit der Vermählung der Madonna von ihm. [Fußnote] Hierauf malte er den ganzen Versammlungssaal des Hauses der Wechsler in Fresko aus. Hier stellte er in den Feldern der Wölbung die sieben Planeten dar, von verschiedenen Tieren auf Wagen gezogen, wie man sie in alter Zeit abzubilden pflegte; auf der Wand, der Tür gegenüber, die Geburt und die Auferstehung Christi und auf einer Tafel Johannes den Täufer zwischen mehreren Heiligen. Auf den Seitenwänden sind einzelne Figuren in seinem gewöhnlichen Stil ausgeführt. Unter jeder dieser Gestalten liest man als Motto einige Worte aus ihren Schriften oder Reden, für den Ort passend, an dem sie dargestellt sind. Außerdem brachte er dort in einem Ornament sein eigenes Bildnis an, das sehr lebendig erscheint. Dies, Werk, schöner und berühmter als irgend sonst eine der Arbeiten Pietros in Perugia, wird heutigen Tages von den Bewohnern jener Stadt als Andenken eines so anerkannten Künstlers sehr wert gehalten. [Fußnote]

Pietro hatte so viel gearbeitet und erhielt so zahlreiche Aufträge, daß er ein und dieselben Dinge zu wiederholten Malen in seinen Werken anbrachte. Dadurch sank die Art seiner Kunst so zur Manier herab, daß alle seine Gestalten dieselben Züge erhielten. Als daher Michelangelo Buonarroti mit seinen Werken hervortrat, wünschte Pietro sehr, seine Leistungen zu sehen, die von den Künstlern außerordentlich gerühmt wurden. Da er durch sie die Würde seines Namens verdunkelt sah, den er sich in jeder Beziehung durch seine Leistungen erworben hatte, suchte er durch beißende Reden die Werke derer, die nun arbeiteten, herunterzusetzen. So verdiente er es, daß ihm einige Grobheiten von Künstlern widerfuhren und Michelangelo ihm öffentlich sagte, er sei ein Kunsttölpel. Pietro konnte einen so großen Schimpf nicht ertragen, und beide standen vor dem Magistrat der Acht. Doch kam Pietro mit wenig Ehren davon. Unterdes trugen die Servitenmönche zu Florenz Verlangen, das Bild für ihren Hauptaltar von einem berühmten Meister malen zu lassen. Und da Leonardo da Vinci nach Frankreich gegangen war, hatten sie dem Filippino den Auftrag dazu gegeben. Dieser aber hatte nur die Hälfte von dem einen der beiden Bilder, die dazu gehörten, vollendet, als er in ein anderes Leben überging, und die Mönche, die zu Pietro viel Zutrauen hatten, trugen nun diesem das ganze Werk auf. Filippino hatte die ganze Kreuzabnahme angefangen und den oberen Teil vollendet, wo Nikodemus den Heiland herunternehmen soll. Pietro malte unten die Madonna, die ohnmächtig niedersinkt, und dabei einige andere Gestalten. Dies Werk bestand aus zwei Bildern: das eine gegen den Chor der Mönche, das andere gegen das Schiff der Kirche zu. Nach dem Chor sollte die Kreuzabnahme kommen, nach vorn eine Himmelfahrt der Madonna. Pietro aber malte diese so gewöhnlich, daß man die Kreuzabnahme nach vorn und die Himmelfahrt gegen den Chor setzte. [Fußnote]. Man erzählt, daß diese Arbeit, als sie aufgedeckt wurde, von allen neuen Künstlern Tadel genug erfuhr, besonders weil Pietro darin Figuren angebracht hatte, die man schon aus seinen früheren Werken kannte. Seine Freunde suchten ihn auf und sagten, er habe sich nicht sehr angestrengt und sei, entweder aus Gewinnsucht oder um schnell zu arbeiten, von der guten Art seiner früheren Arbeiten abgewichen. »Ich habe dieselben Figuren dargestellt«, entgegnete Pietro, »die sonst Lob und großes Gefallen bei Euch erweckten. Was kann ich dafür, wenn Ihr sie jetzt nicht mögt.« Dies hinderte nicht, daß jene ihn mit beißenden Sonetten und öffentlichen Schmähungen verfolgten. Pietro, der schon alt war, schied deshalb von Florenz und ging nach Perugia zurück.

Dort fertigte er einige Freskoarbeiten in der Kirche San Severo an. In der Kirche von San Piero, der Abtei der Schwarzen Brüder in Perugia, malte er auf einer großen Tafel für den Hauptaltar die Himmelfahrt Christi und die Apostel, die nach oben schauen. Auf der Staffel des Bildes sind drei Begebenheiten in kleinen Figuren mit großer Sorgfalt ausgeführt: die Anbetung der Könige, die Taufe und die Auferstehung Christi. Dies ganze Werk, von Pietro mit großer und lobenswerter Sorgfalt gearbeitet, ist seine beste Ölmalerei in der Stadt Perugia. [Fußnote] Außerdem fing er zu Castello della Pieve ein nicht unbedeutendes Freskogemälde an, beendete es jedoch nicht. [Fußnote]

Pietro gehörte zu den Menschen, die anderen nicht trauen, und wenn er von Perugia nach Castello ging, pflegte er alles Geld, das er besaß, mitzunehmen. Dies war die Ursache, daß er einmal von einigen Leuten an einem Übergang angefallen wurde. Er bat sehr um Schonung, und sie ließen ihm das Leben. Durch Vermittlung von Freunden, deren er trotz alledem viele hatte, erhielt er einen großen Teil des entwendeten Geldes zurück, wäre jedoch aus Kummer über dieses Mißgeschick fast gestorben.

Pietro besaß wenig Religion und konnte nie zu dem Glauben an die Unsterblichkeit der Seele gebracht werden. Ja, er wies mit Worten so hart, wie seine felsige Stirn selbst war, jede gute Belehrung aufs hartnäckigste zurück. Er setzte alle seine Hoffnung auf die Güter des Glücks und würde um Geld jeden schlimmen Vertrag geschlossen haben. Er gewann große Reichtümer, baute und kaufte in Florenz Häuser und erwarb sich zu Perugia und Castello della Pieve viele Liegenschaften. Er nahm sich ein sehr schönes Mädchen zur Frau, von der er Kinder hatte, und es machte ihm ein solches Vergnügen, wenn sie in und außer dem Hause zierlichen Kopfputz trug, daß man sagt, er habe sie bisweilen selbst geschmückt. Endlich, als er das Alter von dreiundsiebzig Jahren erreicht hatte, starb er zu Castello di Fontignano und wurde im Jahre 1523 in seiner Vaterstadt ehrenvoll begraben.