19 Filippino Lippi

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Filippino Lippi

Geboren 1457 in Prato, gestorben am 18. April 1504 in Florenz

 

 

In derselben Zeit lebte in Florenz ein Maler von seltenem Geist und einer außergewöhnlichen Phantasie: Filippo, der Sohn des Fra Filippo aus der Carmine. Er folgte in der Kunst den Spuren seines Vaters und wurde in seiner Jugend von Sandro Botticelli unterrichtet und erzogen, obwohl der Vater ihn auf seinem Sterbebette seinem Freunde, ja beinahe Bruder Fra Diamante empfohlen hatte. Filippo besaß so reiche Anlagen, eine so starke Erfindungsgabe und so viel Phantasie für Dekorationen, daß man ihn als den ersten bezeichnen kann, der den modernen Malern die neuartige Methode zeigte, den Kleidungen Mannigfaltigkeit zu geben und die Gestalten durch antik geschürzte Gewänder gefällig zu verschönen. Außerdem war er der erste, der die den antiken ähnlichen Grotesken aufbrachte und sie in Friesen, in Grundfarbe oder bunt, nach besserer Zeichnung und mit mehr Anmut als je vorher ausführte.

Dieser Künstler vollendete in frühester Jugend die Kapelle der Brancacci in der Kirche del Carmine zu Florenz, die vorher von Masolino angefangen und dann von Masaccio, der darüber starb, nicht ganz beendet worden war. Filippo legte nun die letzte Hand an ihre Vollendung und fertigte den Rest eines unvollständigen Bildes, auf dem die Heiligen Petrus und Paulus den Neffen des Kaisers vom Tod erwecken. In der Kapelle des Francesco del Pugliese in dem Kirchlein alle Campora, das außerhalb von Florenz den Mönchen der Badia gehört, malte Filippo auf eine Temperatafel einen heiligen Bernhard, dem, während er in einem Walde streift, die Madonna erscheint, umgeben von einigen Engeln. Dieses Bild galt in vieler Hinsicht als bewundernswert, namentlich im Gestein, Büchern, Kräutern und anderen Gegenständen, die er darin anbrachte. Auch ist der heilige Bernhard darin so gut nach dem Leben dargestellt, daß ihm nur die Sprache zu fehlen scheint. [Fußnote] In Prato im Audienzsaal der Prioren stellte er auf einer kleinen Tafel, die sehr gerühmt wird, die Madonna dar samt dem heiligen Stephanus und Johannes dem Täufer und malte in Fresko ein schönes Tabernakel an der Ecke am Marktplatz zu Prato. [Fußnote] Auf leuchtendem Grunde sieht man die Madonna von einem Seraphimchor umgeben, und Filippo zeigt hier unter anderem viel Kunst und Überlegung bei einem Drachen, der sich unter den Füßen der heiligen Margherita krümmt, so seltsam und schrecklich, daß man deutlich erkennt, wo sein Körper Gift, Feuer und Tod beherbergt.

Einige seiner Arbeiten schickte er nach Genua und malte für die Kirche San Domenico in Bologna eine Tafel mit dem heiligen Sebastian, die allen Lobes wert ist. Nach Vollendung dieses Werkes unternahm er auf Wunsch Lorenzos des Älteren de' Medici in Rom ein großes Werk für dessen vertrauten Freund Oliviero Caraffa, den Kardinal von Neapel. Auf dem Wege nach jener Stadt reiste er auf den Wunsch Lorenzos über Spoleto und traf Anordnungen auf Kosten seines Herrn, ein Marmorgrabmal für Fra Filippo, seinen Vater, zu errichten, dessen Leichnam Lorenzo von den Spoletinern nicht hatte erlangen können, um ihn nach Florenz bringen zu lassen. Filippo machte einen sehr hübschen Entwurf für dieses Grabmal, und Lorenzo ließ es nach dieser Zeichnung reich und prächtig ausführen.

In Rom verzierte Filippo für den genannten Kardinal Caraffa eine Kapelle in der Kirche der Minerva. Er stellte darin Begebenheiten aus dem Leben des heiligen Thomas von Aquino dar und einige sehr schöne poetische Gegenstände, sinnreich von ihm erfunden, denn hierfür hatte er immer ein glückliches Talent. Man sieht, wie der Glaube den Unglauben und alle Ketzer und Ungläubigen gefangennimmt, wie die Verzweiflung von der Hoffnung besiegt wird und wie viele andere Tugenden das Laster unterjochen, das ihnen entgegensteht. Das ganze Werk galt damals und gilt noch heute für eine vollkommene Freskoarbeit. [Fußnote] Filippo brachte darin das Bild des Kardinals Caraffa, Bischofs von Ostia, an, den man 1551 in jener Kapelle beisetzte, später aber in den bischöflichen Palast zu Neapel überführte.

Nach seiner Rückkehr nach Florenz übernahm und begann Filippo mit Gemächlichkeit die Kapelle des alten Filippo Strozzi in Santa Maria Novella. Kaum jedoch hatte er das Gewölbe beendet, mußte er abermals nach Rom gehen, um wieder in der Kirche der Minerva in einer Kapelle neben der vorigen ein Grabmal aus Stuck und noch drei andere Figuren aus Gips für den genannten Kardinal zu arbeiten, von denen sein Schüler Raffaelino del Garbo einige verfertigte. Diese Kapelle wurde von zwei der besten damaligen Meister in Rom, von Lanzilago aus Padua und Antonio, den man Antoniazzo Romano nannte, auf zweitausend Dukaten geschätzt, ungerechnet die Kosten für Ultramarin und die Hilfe seiner Malerjungen. Filippo nahm diese Summe in Empfang, kehrte damit nach Florenz zurück und vollendete die Kapelle der Strozzi mit so viel Kunst und nach so guter Zeichnung, daß, wer sie sah, in Staunen geriet über die Neuheit und Mannigfaltigkeit der hier dargestellten Dinge. Es ist ganz unmöglich, weder in Erfindung noch in Zeichnung, noch irgend durch Fleiß oder Kunstfertigkeit Besseres in dieser Art zu leisten. Außerdem sind in dem ganzen Werke viel Grotesken und andere ähnliche Dinge, in Hell und Dunkel dem Marmor ähnlich und eigentümlich gearbeitet, in schönster Erfindung und vortrefflicher Zeichnung ausgeführt. In San Donato, außerhalb von Florenz, »Scopeto« genannt, jetzt aber zusammengestürzt, malte Filippo für die Frati Scopetini mit vielem Fleiß auf eine Tafel die Könige, die kommen, um den Heiland anzubeten. [Fußnote] Man sieht darin einen Astrologen mit dem Quadranten in den Händen, ein Porträt des alten Pier Francesco de' Medici, des Sohnes des Lorenzo di Bicci. In demselben Bilde hat Filippo den Giovanni, Vater des Herrn Giovanni de' Medici, und Pier Francesco, den Bruder des Herrn Giovanni, und sonst noch einige berühmte Personen abgebildet. Auch brachte er darin Mohren an, Inder, seltsam geschmückte Kleider und eine ganz merkwürdige Hütte. In Poggio a Caiano begann er für Lorenzo de' Medici in einer Loggia ein Opfer als Fresko zu malen, das aber unvollendet blieb.

Für die Kirche der Badia von Florenz, malte er einen schönen heiligen Hieronymus [Fußnote] und für den Hauptaltar bei den Mönchen der Nunziata eine Kreuzabnahme. [Fußnote] Er vollendete bei diesem letzteren Bild jedoch nur die Figuren von der Mitte an aufwärts, denn von einem heftigen Fieber ergriffen und von dem Halsübel befallen, das man Bräune nennt, starb er nach wenigen Tagen im siebenundvierzigsten Jahr seines Lebens. Er wurde von seinen Söhnen in San Michele Bisdomini begraben, und während man ihn zur Gruft trug, waren alle Werkstätten und Läden in der Via de' Servi geschlossen, was nur bei Leichenbegängnissen von hervorragenden Männern manchmal zu geschehen pflegt.