17 Verocchio

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Andrea del Verocchio

Geboren 1435 zu Florenz, gestorben 1488 zu Venedig

Holzschneider, Bildhauer, Goldarbeiter, Perspektivzeichner, Maler und Musiker in einer Person war der Florentiner Andrea del Verrocchio. [Fußnote] Er hatte jedoch in der Bildhauer- und Malkunst eine etwas harte und schroffe Methode, wie jemand, der sie mehr durch unendliches Studium erwirbt als von Natur aus besitzt. Hätte ihm von dieser Gabe nicht mehr gefehlt, als er durch außergewöhnlichen Fleiß und seltenes Studium ersetzte, würde er in diesen Künsten vortrefflich geworden sein. Zu größter Vollendung aber fordern sie Studium und Naturanlage vereint. Wo eins von beiden fehlt, wird selten ihr höchster Grad erreicht, wenn auch Studium und Fleiß zu höherer Stufe führen. Diese waren bei Andrea größer als bei irgendeinem anderen, und er wird deshalb unter die bedeutenden und ausgezeichneten Meister der Kunst gezählt. In seiner Jugend beschäftigte er sich mit den Wissenschaften, besonders mit Geometrie. Zur Zeit, als er die Goldschmiedekunst übte, verfertigte er außer vielen anderen Dingen einige Knöpfe zu Pluvialen, die sich in Santa Maria del Fiore befinden. An Grosseriearbeiten besitzen wir von ihm eine Schale, ringsum mit Laubwerk, Tieren und mancherlei Seltsamkeiten verziert, die so schön ist, daß alle Künstler sie kennen. Von demselben Meister ist ein anderes Becken, auf dem man einen sehr anmutigen Kindertanz sieht. Durch diese Dinge gab er einen Beweis seiner Geschicklichkeit, und die Zunft der Kaufleute übertrug ihm zwei Reliefkompositionen in Silber für die Ecken des Altars von San Giovanni, die ihm, als sie vollendet waren, großes Lob erwarben.

Zu jener Zeit fehlten in Rom einige der großen silbernen Apostel, die gewöhnlich in der Kapelle des Papstes auf dem Altar stehen, gleich anderem Silberzeug, das man eingeschmolzen hatte. Es wurde Andrea geholt und ihm vom Papst Sixtus IV. der Auftrag gegeben, alles dort Nötige anzufertigen, und er führte alles mit viel Einsicht und Fleiß zu Ende. Während seines Aufenthaltes in Rom erkannte Andrea, in wie hohem Wert die vielen Statuen und anderen Altertümer jener Stadt standen. Er sah, daß der Papst das Bronzepferd bei San Giovanni in Laterano aufstellen ließ, [Fußnote] und daß man nicht nur vollständige Werke, sondern auch Bruchstücke, wie sie jeden Tag gefunden wurden, in Ehren hielt. Deshalb beschloß er, sich der Bildhauerkunst zu widmen, gab die Goldschmiedekunst völlig auf und versuchte, einige kleine Figuren in Bronze zu gießen, die sehr gerühmt wurden. Nun wuchs ihm der Mut, und bald fing er an, auch in Marmor zu arbeiten. In jener Zeit war die Gattin des Francesco Tornabuoni im Wochenbett gestorben. Ihr Gemahl, der sie sehr geliebt hatte, wollte ihr im Tode jede mögliche Ehre erweisen und gab Andrea den Auftrag, ihr Grabmal zu verfertigen. Dieser stellte auf einer Platte über dem Marmorsarkophag die Verstorbene dar, ferner Geburt und Tod, daneben drei Gestalten, welche die drei Tugenden bezeichnen, und dieses Werk, als seine erste Marmorarbeit sehr gerühmt, wurde in der Minerva errichtet. [Fußnote]

Mit viel Geld und Ruhm und Ehren kehrte er nach Florenz zurück und erhielt dort den Auftrag, einen David in Bronze zu arbeiten, den man nach seiner Vollendung unter großem Lob des Meisters oben an der Treppe des Palastes aufstellte, wo sich die Kette befand. [Fußnote] Durch alle diese Arbeiten erlangte Andrea den Namen eines trefflichen Künstlers, besonders durch Ausführung von Metallwerken, an denen er viel Freude fand. Er schuf in San Lorenzo das Grabmal von Giovanni und Piero, Söhnen des Cosimo de' Medici, freistehend aus Erz. Der Porphyrsarg dieses Grabmals wird von vier bronzenen Eckverzierungen getragen, deren Laubwerk sehr schön und mit großer Sorgfalt gearbeitet ist. Andrea zeigte bei dieser Veranlassung sein Verständnis für die Baukunst, denn er stellte das Grabmal in die Öffnung eines Fensters auf ein Postament, das die Kapelle des Sakramentes von der alten Sakristei trennt. Zur Ausfüllung des Raumes über dem Sarkophag bis zur Fensterwölbung brachte er ein Mandorlengitter von Bronzestricken an, die ein sehr natürliches Aussehen haben und an einigen Stellen mit Gewinden und anderen schönen Phantasien geziert sind.

Der Bildhauer Donatello hatte für den Magistrat der Sechs von der Kaufmannschaft das Marmortabernakel gearbeitet, das am Oratorium von Or San Michele dem heiligen Michael gegenüber aufgestellt ist. Dabei sollte ein heiliger Thomas von Bronze angebracht werden, der die Hand in Jesu Wunde legt. Diese Figuren wurden jedoch damals nicht ausgeführt, weil die Auftraggeber sich nicht einigen konnten. Die einen waren der Meinung, die Ausführung sollte dem Donatello übertragen werden, die anderen, dem Lorenzo Ghiberti. Solange diese beiden lebten, war die Sache auf demselben Punkt geblieben. Nun endlich wurde dem Andrea die Ausführung jener beiden Statuen übertragen. Er arbeitete Modelle und Formen, nahm den Guß vor, und sie kamen so wohlbehalten, vollständig und schön zum Vorschein, daß er sehr zu rühmen ist.

Der Ruf Andreas konnte nunmehr in dieser Kunst nicht weiter steigen, und da er zu den Menschen gehörte, denen es nicht genügt, in einer Sache vollkommen zu sein, beschloß er, sich dem Studium der Malerei zuzuwenden. Er zeichnete den Karton zu einer Schlacht von lauter nackten Gestalten sehr gut mit der Feder, um ihn in Farben auf der Mauer auszuführen, und entwarf noch einige andere Kartons zu historischen Bildern, die er zu malen anfing, dann aber aus irgendeinem Grunde liegen ließ.

Im Auftrage Lorenzos de' Medici arbeitete er für den Brunnen der Villa Careggi ein Kind in Bronze, das einen Fisch würgt. Dieses wahrhaft bewundernswerte Werk hat Herzog Cosimo auf den Brunnen im Hof seines Palastes setzen lassen. [Fußnote] Zur Zeit des Andrea wurde endlich die Kuppel von Santa Maria del Fiore fertig gemauert, und man beschloß nach langer Beratung, es solle die kupferne Kugel verfertigt werden, die gemäß der Bestimmung Brunelleschis auf die oberste Höhe des Gebäudes kommen mußte. Die Sorge dafür wurde dem Andrea übertragen. Er arbeitete sie vier Ellen hoch und befestigte sie sodann auf einem Knopf mit einer Kette in solcher Weise, daß das Kreuz darauf sicher gesetzt werden konnte. Als das Werk vollendet war, wurde es zu großem Vergnügen und Ergötzen der Menge an seinen Platz gebracht, und gewiß tat es not, bei der Ausführung viel Fleiß und Verstand aufzubieten, damit man, wie es auch der Fall ist, von unten hineinkommen kann und die Kugel mit dem Kreuz so wohl befestigt ist, daß weder Sturm noch Winde ihnen Schaden bringen können.

Andrea hatte niemals Ruhe. Er führte immer Maler- und Bildhauerwerke aus, bisweilen zweierlei Werke auf einmal. Er glaubte dadurch zu verhindern, daß ihm eine einzelne Sache zum Überdruß wurde, wie dieses vielen geschieht. Und obschon er die obengenannten Kartons nicht zur Ausführung brachte, übernahm er doch einige andere Malereien, darunter eine Tafel für die Nonnen von San Domenico zu Florenz, wobei er glaubte, ziemlich Gutes geleistet zu haben. Dies war die Ursache, daß er bald nachher in San Salvi für die Mönche von Vallombrosa eine andere malte, die Taufe Christi durch Johannes. Hierbei half ihm Leonardo da Vinci, der damals noch sehr jung und sein Schüler war. Von ihm ist in jenem Gemälde ein Engel, der besser gelang als alles übrige. Deshalb beschloß Andrea, der dies erkannte, keinen Pinsel mehr anzurühren, da der noch so junge Leonardo in dieser Kunst Größeres geleistet hatte. [Fußnote] Unterdessen wollten die Venezianer die großen Verdienste des Bartolommeo aus Bergamo, der ihnen viele Siege errungen hatte, durch ein Denkmal ehren. Sie glaubten, dadurch den Mut vieler anderer zu stärken, und da der Ruf des Andrea zu ihnen gedrungen war, beriefen sie ihn und beauftragten ihn, die Reiterstatue jenes Feldhauptmanns in Bronze zu verfertigen, die auf dem Platz San Giovanni e Paolo errichtet werden sollte. Schon hatte Andrea das Modell zum Pferd vollendet und angefangen, es mit Rüstzeug zu versehen, um es in Bronze zu gießen, als unter Begünstigung einiger Edelleute der Beschluß gefaßt wurde, Vellano aus Padua solle die Figur, Andrea nur das Pferd arbeiten. Kaum war dieser hiervon unterrichtet, so zerbrach er Kopf und Beine seines Modells und kehrte ganz erbittert und ohne ein Wort zu sagen nach Florenz zurück. Hierauf teilte ihm die Signoria von Venedig mit, er solle nie mehr wagen, in ihre Stadt zu kommen, wenn er nicht seinen Kopf verlieren wolle. Auf diese Drohung entgegnete Andrea in einem Brief, er werde sich wohl davor hüten, denn es stehe nicht in ihrer Macht, den Menschen für abgeschnittene Köpfe neue aufzusetzen. Nicht einmal seinem Pferd, dem er einen schöneren statt des zerbrochenen wiedergeben könne. – Diese Antwort kränkte die Herren nicht; vielmehr riefen sie Andrea mit doppeltem Gehalt nach Venedig zurück. Er kam, stellte sein Modell wieder her und goß es in Bronze, konnte es jedoch nicht ganz zu Ende bringen, denn er erkältete sich bei der Arbeit des Gießens sehr heftig und starb nach wenigen Tagen in jener Stadt. Bei diesem Werk war nur noch wenig auszuputzen, und es kam an seinen bezeichneten Platz. [Fußnote] Außerdem blieb durch den Tod Andreas auch zu Pistoia eine seiner Arbeiten unvollendet: das Grabmal des Kardinals Forteguerra mit den drei theologischen Tugenden und einem Gottvater darüber, das der Florentiner Bildhauer Lorenzetto vollendete.

Andrea war, als er starb, dreiundfünfzig Jahre alt, und sein Tod tat seinen Freunden und Schülern, deren er viele besaß, sehr leid. Der Künstler fand viel Vergnügen daran, in Gips zu formen und Abgüsse zu machen. Man pflegte diesen Gips aus einem sehr weichen Stein zu bereiten, den man in Volterra, Siena und vielen anderen Gegenden Italiens gräbt. Am Feuer gebrannt, fein gestoßen und mit lauem Wasser geknetet wird er so weich, daß man damit abformen kann, was man will, verhärtet und verdichtet sich dann aber so, daß man ganze Figuren darin ausgießen kann. Mit solchen Formen pflegte Andrea natürliche Gegenstände abzuformen, um sie mit größerer Bequemlichkeit vor Augen zu haben und nachzuahmen: Hände, Füße, Knie, Beine, Arme und Rümpfe. Nachher fing man zu seiner Zeit auch an, mit wenig Kostenaufwand in dieser Art die Gesichter von Verstorbenen abzunehmen, und es sind deshalb in allen Häusern von Florenz über Kaminen, Türen, Fenstergesimsen und anderen Vorsprüngen eine unendliche Menge solcher Bildnisse zu sehen, so gut ausgeführt, daß sie der Natur gleich erscheinen. Sicherlich müssen wir der Kunst Andreas großen Dank zollen, der dieses Verfahren zuerst in Anwendung brachte. Von da an wurden besser gearbeitete Bilder nicht nur in Florenz, sondern an allen Andachts- und Pilgerorten verfertigt, zu denen die Menschen strömen, um für irgendeine empfangene Gnade Votivbilder oder, wie man sagt: Wunderbilder zu spenden. Früher hatte man dazu kleine Silberfiguren oder bloße Schildereien oder auch sehr ungeschickt gearbeitete Wachsbildchen gebraucht. Nun aber fing man an, sie nach besserer Methode anzufertigen, und da Andrea mit dem Wachsarbeiter Orsino gut befreundet war, der auch in seiner Kunst ein geschickter Meister war, unterrichtete er ihn, wie er darin vollkommen werden könne. Diese Kunst hat sich bis auf unsere Tage erhalten, ist jedoch eher im Abnehmen als im Zunehmen, entweder weil weniger Frömmigkeit herrscht oder aus einem sonstigen Grund.