Kiefer, Anselm - Zitate

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Anselm Kiefer

(1945)


Maler, Bildhauer (Deutschland)

 

 


"Die ganze Malerei, aber auch die Literatur und alles, was damit zusammenhängt, ist ja immer nur ein Herumgehen um etwas Unsagbares, um ein schwarzes Loch oder um einen Krater, dessen Zentrum man nicht betreten kann. Und was man an Themen aufgreift, das hat immer nur den Charakter von Steinchen am Fuß des Kraters - das sind Wegmarken in einem Kreis, der sich hoffentlich immer enger um das Zentrum schließt."

 


"Die Illusion von Grenzen macht uns erst lebensfähig."

 


"Die Kunst, die Mythologie ist eine andere Form der Erkenntnis."

 


"Das Haus neben uns wurde total zerbombt. Gerade diese Trümmer empfand ich nie als etwas Negatives. Das ist ein Zustand der Transition, des Umschwungs, der Veränderung. Mit den Steinen, die in den großen Städten von den so genannten Trümmerfrauen – heute fast schon ein mythologischer Begriff – gereinigt wurden, habe ich Häuser gebaut. Diese Trümmer waren immer der Ausgangspunkt einer Konstruktion von etwas Neuem." (Über seine kindlichen Erlebnisse des Krieges)

 


"Trümmer sind an sich Zukunft. Weil alles, was ist, vergeht. Es gibt dieses wunderbare Kapitel bei Jesaja, in dem es heißt: Über euren Städten wird Gras wachsen. Dieser Spruch hat mich immer fasziniert, schon als Kind. Diese Poesie, die Tatsache, dass man beides zugleich sieht. Jesaja sieht die Stadt und die anderen Schichten darüber, das Gras und wieder eine Stadt, das Gras und wieder eine Stadt."

 


"Ich habe gedacht, ich brauche die Kunstakademie nicht. Das war so eine Art Geniekomplex. Ich habe Jura studiert, weil mich die Sprache sehr interessiert hat und wegen der Erkenntnis, dass unser ganzes Zusammenleben auf juristischen Normen basiert, auf die Gleichheit vor dem Recht. Ich habe sehr viel die Staatsrechtler studiert, Hobbes, Montesquieu. Die Philosophie des Rechts hat mich sehr interessiert. Ich wollte aber nie Jurist werden. Ich habe die Scheine gemacht, ordentlich studiert, nicht nur reingehört."

 


"Aber Gott hat den Menschen geschaffen. Der Mensch ist ein Wesen, das abgrundtief böse ist, abgrundtief böse sein kann. Das erleben wir bis heute. Wir sind immer wieder entsetzt. Die Kultur kann weitergehen, die Zivilisation kann weitergehen, es bleibt der Abgrund der falschen Polung des Menschen."

 


"Die Asche ist ein wunderbares Medium, es ist das letzte Medium. Nach der Asche kommt zunächst einmal keine Verformung mehr."

 


"Ich habe viel über den leeren Raum geschrieben. Über den leeren Raum der Kindheit. Dabei meine ich nicht so sehr die Tatsache, dass es keine Zerstreuungen wie Radio oder Kino gab, sondern das begrifflose Sehen, die absichtlose Wahrnehmung. Man kann es analog zum Beginn der Welt sehen, wo alles Immaterielle noch Energie ist, die sich nicht manifestiert hat. Erst im Laufe der Entwicklung bilden sich Begriffe, Bilder, Kristallisationspunkte. Und diese bleiben immer in einem Bezug zum ersten leeren Raum, sodass Vergangenheit und Zukunft in einem vielfältigen Bezug stehen. Je weiter ich in die eine Richtung, in die Vergangenheit, schreite, desto mehr komme ich in der anderen, der Zukunft, vorwärts. Ein bis ins Unendliche sich weitender Spagat."

 


"Ich habe sehr viel von Beuys gelernt. Abgesehen von seiner politischen Theorie, die ich abstrus fand, hatte er einen unheimlichen Professionalismus, der mir geholfen hat, meinen Weg zu verkürzen."

 


"Malen, um zu erkennen, und erkennen, um zu malen. Bei jedem neuen Thema, das ich angehe, bei jedem Erlebnis, das ich verarbeite, gibt es zunächst keinen Diskurs. Die Erkenntnis stellt sich erst im Verlauf des »Malens« ein. Dann aber verändert der gewonnene Standpunkt wiederum das »Malen«. Diesen Vorgang, diesen Zirkelschluss kann man selbst auf die Produktion jedes einzelnen Bildes anwenden."

 


"Ich wollte meine künstlerische Praxis eine Zeit lang unterbrechen. Hier habe ich Substanz gefunden. Nostradamus ist in diese Gegend gekommen. Die Katharer hatten sich hier angesiedelt. Ich lebe also an einem Ort, wo sich einiges zugetragen hat, wo eine gewisse geschichtliche Dichte herrscht. Seitdem ich hier lebe, haben meine Werke eine viel stärkere spirituelle Dimension bekommen." (Kiefer erstand 1966 in Barjac in den Cevennen eine ehemalige Fabrik aus dem 19. Jahrhundert)

 


"Ich glaube nicht, dass mein Verhältnis zur deutschen Geschichte ein für allemal geklärt ist. Das ist unmöglich." (Nach seinem Umzug nach Frankreich, ca. 1992)

 


"Aber ohne Grenzen, ohne diese Illusion von Grenzen sind wir nicht lebensfähig, weder als einzelne, noch im Verhältnis zu den anderen."