Michelangelo - Briefe

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Michelangelo

Briefe

 

In Auswahl herausgegeben von R. A. Guardini

 

Vorbemerkungen

Pan-Verlag, Berlin 1907

[...]

Die Briefe sind chronologisch geordnet. Aus der großen Zahl mussten sehr wenige ausgewählt werden. Es sind besonders solche, in denen das eigenartige Verhältnis des Meisters zur Familie, sein stetes Sorgen und bereitwilliges Helfen, dann auch seine Stellung zu Freunden und Auftraggebern zum Ausdruck kommt.

Als Anhang sind die wenigen erhaltenen Briefe Vittorias an ihn beigefügt. [...] Die Briefe wurden vom Herausgeber sämtlich neu übersetzt. Der Auswahl gehen einige Kapitel aus Ascanio Condivis „Leben Michelangelos“ voraus, die etwa zehn Jahre vor seinem Tode unter seinen Augen entstand [...]. [...]

R. A. Guardini.

 

Ascanio Condivi, Leben Michelangelos, Kap. 62–68.

„Michelangelo beschränkte sich in seiner Jugend nicht auf Skulptur und Malerei, sondern er widmete sich auch allen verwandten und ähnlichen Künsten; und das tat er mit solchem Eifer, daß er sich für einige Zeit fast völlig der Gemeinschaft der Menschen entzog und nur mit ganz wenigen Umgang pflegte. Dies brachte ihn in den Ruf eines hochmütigen oder seltsamen und phantastischen Menschen, und doch waren beide Fehler ihm gleich fremd. Es war die Liebe zur Tüchtigkeit und die treue Hingabe an die edlen Künste, die ihn – wie es vielen ausgezeichneten Männern geschah – einsam machten und ihn nur in deren Dienste Genüge und Ergötzung finden ließen. Darum war ihm die Geselligkeit keine Freude, ja verhaßt, denn sie störte ihn in seiner Gedankenarbeit; war er doch, wie jener große Scipio zu sagen pflegte, nie weniger allein, als wenn er allein war.

Doch suchte er gerne die Freundschaft derer, die ihm in tüchtigen und weisen Gesprächen irgendwelche nützliche Frucht boten, oder in deren Seele ein Strahl des Außergewöhnlichen aufblitzte … Eine besondere und große Liebe verband ihn mit der Marchesana von Pescara, deren hoher Geist ihn gefangen hielt, und die ihm mit außerordentlicher Liebe vergalt. Von ihr bewahrt er noch viele Briefe, voll von reiner und süßer Liebe, wie sie aus so edlem Herzen kommen mußten, und er hat an sie viele gar kunstvolle Sonette gerichtet, in denen eine innige Sehnsucht lebt. Sie verließ oft Viterbo oder andere Orte, wohin sie sich zur geistigen Sammlung oder zum Sommeraufenthalt zurückgezogen hatte, und kam nach Rom, einzig um Michelangelo zu sehen; und er trug zu ihr solche Liebe, daß ich ihn einst sagen hörte, er habe nur den Schmerz, daß er sie nicht, als sie aus diesem Leben schied, auf die Stirn oder den Mund küßte, wie er ihre Hand geküßt hatte. Und der Gedanke an ihren Tod ließ ihn oft im Schmerz gleichsam erstarren.

Wie er die Gespräche mit gelehrten Menschen sehr liebte, so fand er auch Ergötzen am Lesen der Schriftsteller, ob sie nun in Prosa oder in Versen schrieben, und besonders trägt er Verehrung für Dante, dessen wunderbares Genie ihn anzieht, und dessen Werke er fast ganz in treuem Gedächtnis bewahrt. Den Petrarca schätzt er vielleicht fast eben so hoch. Doch begnügte er sich nicht damit, sie zu lesen, sondern fand auch seine Lust daran, selbst zu dichten, und manche seiner Sonette legen für die große Kraft seiner Erfindung und seinen reinen Geschmack gutes Zeugnis ab … Aber all dies trieb er nur zu seinem Ergötzen und maßte sich keinerlei Sachkenntnis darin an, setzte sich selbst vielmehr stets herab und betonte seine Unerfahrenheit in solcherlei Künsten.

Mit gleichem Eifer und gleicher Aufmerksamkeit las er die heiligen Schriften des Alten und Neuen Testaments und suchte mit stetem Bemühen in ihren Sinn einzudringen. Gleicherweise studierte er die Werke Savonarolas, zu dem er stets große Zuneigung hatte, und noch bewahrt er im Gedächtnis den lebendigen Klang seiner Stimme.

Auch liebt er die Schönheit des Körpers, ist er doch am tiefsten mit ihrem Wesen vertraut. Ja er liebt sie so sehr, daß sinnliche Menschen, die nur in unlauterer und unehrenhafter Weise die Schönheit zu lieben vermögen, Schlimmes von ihm dachten und sagten. Und doch wurde Alcibiades, der überaus schöne Jüngling, von Sokrates mit der keuschesten Liebe umfaßt und er pflegte zu sagen, so oft er an dessen Seite geruht habe, sei er nie anders als wie ein Sohn von der Seite des Vaters aufgestanden. Ich habe oft Michelangelo über die Liebe reden und sich unterhalten hören, habe aber stets, auch von den übrigen, die dabei waren, vernommen, daß er nicht anders über die Liebe spreche, als wie bei Plato geschrieben steht. Ich weiß ja nun nicht, was Plato über diesen Gegenstand sagt; das aber weiß ich gewiß, daß ich lange seinen vertrauten Umgang genoß und aus seinem Munde stets nur Worte von strengster Lauterkeit vernahm, die in jedem Jüngling alle ungeordneten und zügellosen Wünsche niedergezwungen und ausgerottet hätten. Und daß sein Geist häßliche Gedanken nicht duldete, kann

man auch daraus erkennen, daß er stets nicht nur die Menschenschönheit liebte, sondern alles Schöne, ein schönes Pferd und einen schönen Hund, die Schönheit einer Landschaft, eines Berges, eines Waldes, jede schöne Gegend und jegliches schöne und in seiner Art seltne Ding mit tiefer und wunderbarer Verehrung anschaute. So entnahm er überall der Natur das Schöne, wie die Bienen aus den Blüten den Honig sammeln, und legte es in seinen Werken nieder. Das haben aber alle die getan, die sich in der Kunst eines größeren Rufes erfreuten. Jener Meister des Altertums begnügte sich, um die Venus zu bilden, nicht damit, nur eine Jungfrau zu sehen, sondern er wollte viele anschauen. Und indem er so von jeder das Schönste und Vollendetste nahm, schuf er daraus die Göttin. Und so viel steht fest: wer sich einbildet, er werde auf anderem, als auf diesem Wege, der allein zur rechten Anschauung führt, Großes in der Kunst leisten, der täuscht sich in verhängnisvoller Weise.

In seinem ganzen Leben beobachtete Michelangelo eine große Mäßigkeit und bediente sich, zumal wenn er arbeitete, mehr aus Notdurft als zum Genuße der Speise. Meist begnügte er sich dann mit einem Stück Brot, das er aß, ohne die Arbeit zu unterbrechen … Oft hörte ich ihn sagen: „Ascanio, wenn ich auch noch so reich war, stets habe ich arm gelebt.“ Und wie er nie viel aß, so schlief er auch wenig; pflegte er doch selbst zu sagen, der Schlummer habe ihm nie gut getan, habe ihm vielmehr fast immer, wenn er länger geschlafen habe, Kopfschmerzen verursacht. Als er noch von kräftigerer Gesundheit war, schlief er öfter in Kleidern und Stiefeln – dieser bediente er sich, weil er stets am Krampf litt und noch aus anderen Gründen – und manchmal ließen sie sich so schwer ausziehen, daß mit den Stiefeln auch die Haut mitging, so wie es bei der Schlange geschieht, wenn sie sich häutet.

Nie geizte er nach Geld, noch strebte er danach, Reichtümer aufzuhäufen; vielmehr war er zufrieden, wenn er genug besaß, um ruhig leben zu können … Viele seiner Werke hat er verschenkt und hätte doch durch ihren Verkauf unermeßliche Summen lösen können … Er war aber nicht nur mit seinen Werken freigebig, sondern hat auch oft einem armen, doch tüchtigen jungen Menschen, der sich den Künsten oder der Wissenschaft widmete, mit seiner Börse geholfen; ich kann das bezeugen, denn mir selbst ist so von ihm geschehen. Nie war er neidisch auf die Erfolge anderer in seiner Kunst, und das mehr aus natürlicher Herzensgüte, als weil er von sich selbst eine hohe Meinung hätte. Er lobte das Gute in allen, selbst in Raffael von Urbino, mit dem er doch, wie ich oben schrieb, im Felde der Malerei manchen Kampf ausgefochten hat. Nur hörte ich ihn sagen, Raffael habe seine Kunst nicht von der Natur erhalten, sondern sie sich durch langes Studium erworben …

Er besitzt ein außerordentlich treues Gedächtnis, so daß er, der doch, wie man sehen kann, Tausende von Gestalten gemalt hat, nie auch nur zwei bildete, die sich ähnlich gesehen, oder die gleiche Haltung eingenommen hätten. Ich hörte ihn sagen, daß er keine Linie ziehe, ohne zu wissen, ob er sie bereits einmal gezogen habe; und wenn dies geschehen ist, läßt er sie nie stehen, falls das Werk für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Auch besitzt er eine ungeheure Kraft gestaltender Phantasie, und daher kommt es vor allem, daß er stets so unzufrieden mit seinen Werken ist, und sie stets herabsetzt, denn noch nie schien es ihm, als sei es seiner Hand gelungen, das Bild zu formen, wie es in seinem Innern aufstieg. Und aus den gleichen Gründen ist er schüchtern, wie es die sind, die sich in Muße einem beschauenden Leben hingeben. Nur wenn ihm oder anderen Unrecht zugefügt wird, oder man seine Rechte verletzt, flammt er in gerechtem Zorne auf. Dann aber ist die Wucht seiner Abwehr größer, als bei denen, die man für mutig hält …“

Ascanio Condivi, Leben Michelangelos, Kap. 62–68.

 

Briefe Michelangelos.

Übersetzt von R. A. Guardini.

1. An Meister Giuliano da Sangallo aus Florenz, Architekt des Papstes in Rom.

Florenz, den 2. Mai 1506.

Giuliano! Ich entnahm aus Eurem Briefe, der Papst habe mir meine Abreise übelgenommen, ferner, daß Seine Heiligkeit jetzt bereit sei, den Betrag zu erlegen und auch im übrigen alles unserer Abrede gemäß zu erfüllen und endlich, daß ich ohne Besorgnis zurückkehren solle.

Über meine Abreise folgendes: Am Samstag der Karwoche hörte ich – ich sage Euch die volle Wahrheit – den Papst im Gespräch mit einem Goldschmied und dem Zeremonienmeister bei Tisch sagen, er wolle weder für große noch für kleine Steine auch nur noch einen Heller hergeben. Darüber wunderte ich mich sehr; trotzdem bat ich ihn vor meiner Abreise um einen Teil des Geldes, das ich zur Weiterführung des Werkes brauchte. Seine Heiligkeit erwiderte mir, ich solle am Montag wiederkommen. Am Montag kam ich wieder und kam am Dienstag und am Mittwoch und am Donnerstag, wie sie selbst bestätigen kann. Endlich, am Freitag, wurde ich hinausgeschickt, nein, weggejagt. Der mich hinauswies, sagte, er kenne mich wohl, allein er habe nun einmal den Befehl. Als ich so die Bestätigung der Worte sah, die ich am Samstag gehört hatte, geriet ich in große Verzweiflung. Doch war das nicht der einzige Grund, weshalb ich Rom verließ. Es war da noch etwas, worüber ich schweigen will. Nur so viel will ich sagen, daß ich befürchten mußte, wenn ich noch in Rom bliebe, würde eher mein Grabmal, als das des Papstes aufgerichtet werden. Das war der Grund meiner plötzlichen Abreise.

Nun schreibt Ihr mir im Auftrag des Papstes; Ihr werdet ihm also diesen Brief vorlesen. Seine Heiligkeit soll wissen, daß ich mehr als je bereit bin, das Werk fortzuführen; und wenn sie das Grabmal durchaus haben will, so kann es ihr gleichgültig sein, wo ich daran arbeite, wenn es nur nach Ablauf von fünf Jahren, wie wir vereinbart haben, in Sankt Peter an der ihr genehmen Stelle aufgerichtet und ein schönes Werk ist, wie ich versprochen habe. Denn dessen bin ich gewiß, wenn es zustande kommt, wird die Welt nicht seinesgleichen besitzen.

Wenn also Seine Heiligkeit jetzt das Werk fortzuführen gedenkt, möge sie mir besagten Betrag hier in Florenz anweisen, an dem Orte, den ich ihr bezeichnen werde. In Carrara stehen mir viele Marmorblöcke zur Verfügung; die werde ich hierher schaffen lassen und ebenso die Stücke, die ich in Rom habe. Dadurch wurden mir zwar viele Kosten entstehen, allein das sollte mich nicht kümmern, wenn ich nur das Werk hier ausführen könnte. Dann würde ich die einzelnen Teile gleich nach ihrer Vollendung nach Rom schicken, und so gut gearbeitet, daß Seine Heiligkeit ebenso zufrieden sein sollte, als wenn ich in Rom wäre; ja noch zufriedener, weil sie dann ohne weitere Belästigung bloß die fertigen Werke sehen würde. Für die besagten Geldsummen und zur Durchführung besagten Werkes werde ich mich ganz so verpflichten, wie Seine Heiligkeit es wünscht und hier in Florenz jede geforderte Sicherheit geben. Es mag sein, was es will, ich werde jede Bürgschaft aufbringen: ganz Florenz wird doch genügen! Und dann noch dies: In Rom kann ich zu diesem Preise das Werk nicht vollenden; hier hingegen vermag ich es, weil ich mir vielerlei Erleichterungen verschaffen kann, die ich dort nicht finde. Ich werde auch besser und mit größerer Liebe arbeiten, weil ich dann nicht mehr an so viele Sachen zu denken brauche. Einstweilen bitte ich Euch, mein liebster Giuliano, Ihr wollet mir

Antwort geben und das bald. Das sei's.

Euer Michelangelo, Bildhauer.

 

2. An Giovanni Simone di Lodovico Buonarroti in Florenz.

Rom, [Juli 1508].

Giovan Simone! – Man sagt, daß durch Wohltaten der Gute gebessert, der Böse aber nur noch schlimmer gemacht wird. Ich habe schon seit Jahren versucht, Dich durch gutes Wort und gute Tat zu einem rechtschaffenen und friedlichen Zusammenleben mit Deinem Vater und uns zu bringen, doch Du wirst immer schlimmer. Ich sage nicht, daß Du schlecht seist; aber Du führst Dich in einer Weise auf, die weder mir noch den andern gefällt. Ich könnte Dir eine lange Rede über Dein Betragen halten, allein es würden nutzlose Worte bleiben, wie alles, was ich Dir bisher gesagt habe. Ich will Dir darum kurz erklären, daß Du nichts in der Welt Dein eigen nennst. Lebensunterhalt gebe ich Dir seit geraumer Zeit, und auch das Reisegeld hast Du von mir erhalten. Um Gottes willen und weil ich glaubte, Du seiest mein Bruder wie die andern, habe ich Dir all das geschenkt. Jetzt aber weiß ich, daß Du mein Bruder nicht bist, denn wärest Du es, so würdest Du meinem Vater nicht drohen. Du bist vielmehr ein Tier, und als Tier werde ich Dich auch behandeln! Das laß Dir gesagt sein: Wer sieht, wie sein Vater bedroht oder geschlagen wird, hat die Pflicht, sein Leben für ihn einzusetzen, und damit genug! Ich wiederhole Dir, daß Du nichts besitzest, was Dir gehörte, und daß ich bei der ersten schlimmen Nachricht über Dich auf dem schnellsten Wege nach Florenz komme. Dann will ich Dich über Deinen Irrtum aufklären und Dich lehren, Dein Gut zu vergeuden und die Häuser und Grundstücke, die Du nicht durch Arbeit erworben hast, zu Grund zu richten. Du bist nicht, wo Du zu sein glaubst! Wenn ich hinkomme, will ich Dir die Augen öffnen, daß Du heiße Tränen weinen und erkennen sollst, auf welchem Grund Dein Hochmut steht.

Ich wiederhole Dir: Wenn Du ein rechtschaffenes Leben führen und Deinen Vater achten und ehren willst, so werde ich Dir wie den anderen helfen und Euch bald eine schöne Werkstatt bauen lassen. Tust Du das aber nicht, dann werde ich kommen und die Sache in einer Weise ordnen, daß Du ganz klar einsehen sollst, was Du bist und was Du hast und es nie mehr vergessen sollst. Das sei's. Wo es an Worten fehlt, werde ich mit Taten sprechen.

Michelangelo.

Ich kann es nicht über mich bringen; ich muß Dir noch einige Zeilen schreiben. Seit zwölf Jahren gehe ich bettelnd durch ganz Italien, dulde jede Schmach, ertrage jede Entbehrung, reibe meinen Körper auf in jederlei Anstrengung, setze mein Leben jeder Gefahr aus, nur um meiner Familie zu helfen; und daß nun, da ich sie ein wenig in die Höhe gebracht habe, Du es sein sollst, der in einer Stunde all das zerstört und vernichtet, was ich in so vielen Jahren harter Arbeit gebaut habe, beim Leib des Heilandes, das will ich nicht erleben! Mit zehntausend Deinesgleichen will ich fertig werden, wenn es sein muß! Und nun sei gut, und bring' nicht einen Menschen auf, der wirklich andere Sorgen im Kopf hat.

 

3. An Lodovico di Buonarrota Simoni in Florenz.

Rom, den 20. Januar 1509.

Liebster Vater! – Ich habe heute einen Brief von Euch erhalten. Was ich daraus erfuhr, hat mich sehr geschmerzt. Ich fürchte, Ihr macht Euch mehr Sorge, als nötig ist. Wie hoch würde sich wohl der Schaden belaufen, den sie Euch im schlimmsten Falle zufügen könnte? Es wäre mir lieb, wenn Ihr mir das mitteilen wolltet. Sonst habe ich nichts zu sagen. Es bekümmert mich, daß Ihr Euch so ängstigt; darum rafft Euch auf und bereitet Euch gut auf ihre Angriffe vor; beratet Euch, dann aber denkt nicht länger daran. Denn wenn sie Euch auch alles nähme, was Ihr hier auf Erden besitzet, so wird es Euch doch nicht an Mitteln zu einem bequemen Leben fehlen, wenn auch niemand als ich da wäre, für Euch zu sorgen. Deshalb bleibt guten Mutes! Ich bin noch in großen Nöten, denn ich habe seit nun schon einem Jahr keinen Heller mehr vom Papst bekommen; ich bitte ihn auch um nichts, denn meine Arbeit geht nicht so voran, daß ich etwas beanspruchen dürfte. Die Arbeit ist eben schwierig und schlägt

dazu nicht in mein Fach. So verliere ich meine Zeit und erreiche nichts. – –

Euer Michelangelo.

 

4. An Buonarroto di Lodovico di Buonarrota Simoni in Florenz.

Rom, [den 17. Oktober 1509].

Buonarroto! – – – In Deinem letzten Brief sagst Du, Lorenzo werde hier durchreisen, und ich solle ihn gut aufnehmen. Mir scheint, Du weißt nicht, wie ich hier lebe. Doch für diesmal will ich Dir verzeihen und werde tun, was ich kann. Ich höre, Gismondo will hierher kommen, um seine Angelegenheit zu ordnen. Sag ihm in meinem Namen, er dürfe nicht auf mich zählen; wohl ist er mir als Bruder lieb, aber ich kann ihm in keiner Weise helfen. Ich sollte auf mich mehr Rücksicht nehmen als auf die andern und kann nicht einmal mir das Nötige beschaffen. Ich bin hier sehr geplagt und lebe unter großen körperlichen Entbehrungen, habe keinen Freund und will auch keinen. Ich habe nicht so viel Zeit, um das Nötigste zu essen, und will darum von keinerlei Belästigung mehr wissen, könnte auch keine Unze mehr davon ertragen.

Seid eifrig in Euerem Gewerbe. Es freut mich, daß Giovansimone sich gebessert hat. Seht zu, daß Ihr Euren Besitz in gerechter Weise vermehrt oder erhaltet, damit Ihr später Größeres unternehmen könnt, denn ich hoffe, Ihr könnt Euch einst selbständig machen, wenn ich heimkehre, und Ihr tüchtige Leute seid. Sag Lodovico, daß ich ihm nicht antwortete, weil ich keine Zeit hatte, und wundert Euch nicht, wenn ich nicht schreibe. Michelangelo, Bildhauer.

 

 

5. An Lodovico …

Rom, den 15. September [1510].

Liebster Vater! – Ich habe hier bei Giovanni Balducci dreihundertfünfzig doppelte Golddukaten eingezahlt, die er Euch in Florenz zustellen soll. Sobald Ihr daher diesen Brief empfangen habt, geht zu Bonifazio Fazi, und er wird sie Euch auszahlen. (Dreihundertundfünfzig doppelte Golddukaten.) Wenn Ihr sie erhalten habt, bringt sie zum Spitalverwalter und sagt ihm, er solle sie so anlegen, wie er es mit dem früheren Geld getan hat. Es bleiben dann noch einige Dukaten, von denen ich schrieb, Ihr solltet sie behalten. Wenn Ihr es noch nicht getan habt, so tut es jetzt; braucht Ihr mehr, so nehmt, soviel Euch gut dünkt. Ich schenke Euch, was Ihr braucht, und wenn Ihr die ganze Summe ausgeben wolltet. Wenn es einer Weisung an den Spitalmeister bedarf, so laßt es mich wissen.

Durch Euren letzten Brief erfuhr ich, wie Eure Sache steht. Es bekümmert mich sehr, aber ich kann nichts machen. Doch sollt Ihr Euch nicht entmutigen lassen und Euch auch kein bißchen grämen, denn wenn das Gut verloren geht, ist darum doch nicht das Leben verloren, und ich werde so viel verdienen, daß der Verlust reichlich gutgemacht wird. Doch bedenkt wohl, Ihr dürft nicht darauf zählen, denn die Erfüllung solcher Versprechungen ist doch unsicher. Tut gewissenhaft das Eure und danket Gott, daß diese Prüfung, wenn sie schon kommen soll, doch zu einer Zeit kommt, da Ihr Euch besser behelfen könnt, als es früher hätte geschehen können. Gehabt Euch wohl und laßt lieber das Geld fahren, als daß Ihr Euch Kummer macht. Ich will Euch am Leben haben, und wäre es auch in Armut; denn mit Eurem Tod möchte ich nicht alles Gold der Welt erkaufen. Und wenn die Schwätzer dort oder sonst jemand Euch tadeln, so laßt sie reden; es sind Menschen ohne Gewissen und ohne Liebe.

Euer Michelangelo, Bildhauer.

 

6. An Lodovico …

Rom, [Oktober 1512.]

Liebster Vater! – Ihr warnt mich in Eurem letzten Brief davor, Geld im Haus zu halten oder bei mir zu tragen; dann sagt Ihr mir, man erzähle sich bei Euch, ich habe Böses gegen die Medici gesagt.

Nun, das Geld, das ich besitze, habe ich bei Balduccio auf der Bank liegen und behalte nur das im Haus oder in der Tasche, was ich für den Tag brauche. Was die Medici angeht, so habe ich nicht anders über sie gesprochen, als es allgemein und von jedermann geschieht, wie jüngst über das Geschick von Prato. Und da hätten die Steine geredet, wenn sie sprechen könnten. Auch sonst wurde hier vielerlei gesagt; wenn ich es hörte, erwiderte ich stets: Wenn sie wirklich so handeln, tun sie unrecht. Nicht als ob ich es geglaubt hätte; wolle Gott, daß es nicht so sei! Noch vor einem Monat haben einige, die mir Freundschaft bezeigen, sehr schlecht von den Taten der Medici gesprochen. Ich tadelte sie und sagte, sie täten unrecht, so zu reden, und sie sollten nichts mehr dergleichen in meiner Gegenwart äußern. Ich wünschte aber, daß Buonarroto vorsichtig in Erfahrung zu bringen suchte, woher der Betreffende gehört hat, ich rede gegen die Medici. Vielleicht kann ich dann ermitteln, von wem diese Gerüchte stammen, und mich in acht nehmen, wenn es vielleicht einer von denen ist, die sich meine Freunde nennen. Sonst habe ich nichts zu sagen. Ich bin noch untätig und warte, daß der Papst mir einen Auftrag gibt.

Euer Michelangelo, Bildhauer.

 

7. An Buonarroto … in Florenz.

Rom, den 30. Juli [1513].

Buonarroto! – – – Michele erzählte mir, Du habest ihm vorgerechnet, daß Du in Settignano für uns ungefähr sechzig Dukaten von Deinem Gelde ausgegeben habest. Ich erinnere mich, daß Du auch hier bei Tisch zu mir sagtest, Du habest eine große Summe aufgewandt. Doch ich stellte mich, als verstünde ich nicht, wunderte mich aber nicht, denn ich kenne Dich. Ich denke, Du wirst Dir den Betrag aufgeschrieben haben, um ihn eines Tages von uns zurückfordern zu können. Ich möchte aber von Dir undankbarem Menschen wissen, mit welchem Geld Du ihn erworben hast; und ebenso möchte ich wissen, ob Ihr nicht mehr an jene zweihundertundachtundzwanzig Dukaten denkt, die Ihr mir von meinem Guthaben in Santa Maria Nuova genommen habt, an die vielen Hunderte, die ich für Euer Haus und die Familie ausgegeben habe, und an die Drangsale und Entbehrungen, die ich ertrug, um Euch zu helfen. Ich möchte wissen, ob Du daran denkst! Wenn Du nur soviel Verstand hättest, um die Wahrheit erkennen zu können, würdest Du nicht sagen: ‚ich habe mein Geld ausgegeben‘, wärest auch nicht gekommen, um mich an Eure Forderungen zu mahnen; Du hättest vielmehr daran gedacht, wie ich mich Euch gegenüber in der vergangenen Zeit betragen habe. Du hättest Dir gesagt:

‚Michelangelo weiß, was er uns zugesichert hat, und wenn er es jetzt nicht erfüllt, so muß ihn irgend etwas, was wir nicht wissen, gehindert haben‘, und Ihr würdet Euch gedulden. Denn es tut nicht gut, dem Pferd noch die Sporen zu geben, das schon so schnell läuft, als es vermag. Aber Ihr habt mich nie gekannt und kennt mich auch jetzt nicht. Gott verzeihe es Euch! Er hat mir die Kraft gegeben, auszuharren unter der Last, die ich trage, damit Euch geholfen werde. Ihr werdet all dies schon einsehen, wenn Ihr mich nicht mehr habt.

Ich glaube in diesem Sommer nicht nach Florenz kommen zu können, denn ich bin in einer Weise in Anspruch genommen, daß ich nicht einmal zum Essen Zeit habe. Gebe Gott, daß ich nicht erliege! Doch will ich – und kann es auch – Lodovico die Anweisung ausstellen, wie ich versprach, denn ich habe es nicht vergessen. Ich will Euch tausend doppelte Golddukaten geben, damit Ihr Euch mit diesem Geld und dem, was Ihr schon habt, selbst forthelfen könnt. Von Eurem Verdienst beanspruche ich nichts. Nur will ich die Sicherheit haben, daß Ihr mir nach Ablauf von zehn Jahren, wenn anders ich noch lebe, diese tausend Dukaten in Geld oder anderem Gut zurückgebt, sobald ich sie fordere. Ich glaube nicht, daß dieser Fall eintritt, aber wenn ich sie brauche, muß ich sie, wie gesagt, wiederbekommen. Das wird auch ein Zügel für Euch sein, damit Ihr sie nicht verschleudert. Überlegt Euch deshalb die Sache, beratet Euch und schreibt mir, was Ihr zu tun gedenkt. Die vierhundert

Dukaten, die Ihr noch von mir habt, schenke ich Euch; sie sollen in vier Teile geteilt werden, so daß jeder von Euch hundert erhält. Hundert für Lodovico, hundert für Dich, hundert für Giovansimone und hundert für Gismondo, mit der Bedingung, daß Ihr das Geld zusammen in Euer Gewerbe steckt. Das sei's. Zeig' den Brief Lodovico; entschließt Euch und gebt mir die Sicherheit, von der ich sprach. Am dreißigsten Juli. Vergiß nicht, das Geld, das ich Dir für Michele mitschicke, auch abzugeben.

Michelangelo, Bildhauer.

 

8. An Lodovico … in Settignano.

Florenz [1516].

Liebster Vater! – Ich war sehr erstaunt über Euer Tun, als ich Euch neulich nicht zu Hause fand. Nun höre ich, daß Ihr Euch über mich beklagt, daß Ihr erzählt, ich habe Euch vertrieben, und wundere mich immer mehr. Bin ich doch sicher, daß ich vom Tage meiner Geburt bis heute nie die Absicht hatte, Euch in irgend etwas, in Großem oder Kleinem zu nahe zu treten, daß ich vielmehr alle Mühen meines Lebens Euch zu Liebe getragen habe. Und Ihr wißt, daß ich es seit meiner Rückkehr aus Rom nach Florenz stets mit Euch gehalten und jederzeit mein Eigentum zu Eurer Verfügung gestellt habe. Erst vor wenigen Tagen noch, als Ihr unwohl waret, versicherte und versprach ich Euch, mit all meinen Kräften und mein Leben lang Euch zu Diensten zu sein und bestätige es auch jetzt noch. Darum wundere ich mich heute, daß Ihr alles das so bald vergessen habt. Ihr samt Euren Kindern habt doch schon dreißig Jahre lang meine Treue erprobt und wißt, daß ich Euch immer wohl gesinnt war und Euch Gutes tat, so viel ich konnte. Wie könnt Ihr da sagen, ich habe Euch weggejagt? Seht Ihr denn nicht, in welch' schlechten Ruf Ihr mich gebracht habt, wenn man sich erzählt, ich habe Euch vertrieben? Nur dies Schlimmste fehlte mir noch in all meinen Mühseligkeiten, die ich Euch zu Liebe ertragen habe! Ihr vergeltet sie mir gut! Doch mag die Sache sein, wie sie wolle, ich will glauben, ich habe Euch stets Schande und Schaden gebracht, und bitte Euch so inständig um Vergebung, als ob ich es wirklich getan hätte. Denkt, Ihr habet einem Sohn zu verzeihen, der stets ein schlimmes Leben geführt und Euch alles Leid dieser Welt zugefügt hat, und ich bitte von neuem, Ihr möget mir schlechtem Menschen vergeben und mich nicht in den Ruf bringen, als habe ich Euch aus dem Hause gejagt, denn das geht mir näher als Ihr denkt, bin ich doch immer Euer Sohn. Diesen Brief wird Euch Raffaello da Gagliano bringen. Ich bitte Euch um Gottes-, nicht um meinetwillen, kommt nach Florenz, denn ich muß abreisen und habe Euch sehr wichtige Mitteilungen zu machen, kann aber nicht zu Euch kommen. Von meinem Diener Pietro habe ich aus seinem eigenen Munde Dinge gehört, die mir nicht gefallen. Ich habe ihn darum heute morgen nach Pistoja heimgeschickt, und er wird nicht mehr zu mir zurückkehren, denn ich will nicht, daß er unserem Hause Schaden bringt. Ihr hättet mich aber wirklich schon früher von der Sache in Kenntnis setzen können, denn ihr wußtet alle um sein Betragen und ließet mich darüber doch ganz im Dunkeln. Ich muß notwendig abreisen, will aber nicht fort, ehe ich Euch gesprochen habe und Euch hier im Haus zurücklassen kann. Ich bitte Euch, laßt allen Groll fahren und kommt!

Euer Michelangelo.

 

 

9. An Buonarroto … in Florenz.

[Carrara], den 23. November 1516.

Buonarroto! – Du schreibst mir in Deinen zwei letzten Briefen, Lodovico sei todkrank gewesen, der Arzt habe aber neuerdings erklärt, bis auf weiteres sei er außer Gefahr. Wenn es so ist, komme ich nicht nach Florenz, denn es würde mir sehr schwer fallen. Sollte aber noch Gefahr sein, so will ich ihn um jeden Preis noch einmal sehen, ehe er stirbt, und müßte ich auch mit ihm sterben. Aber ich hoffe zuversichtlich, es geht ihm gut, und deshalb komme ich nicht. Sollte ein Rückfall eintreten, wovor Gott ihn und uns behüten möge, so sieh zu, daß ihm die geistlichen Tröstungen und die Sakramente der Kirche nicht fehlen, und laß Dir von ihm sagen, ob er wünscht, daß wir etwas Bestimmtes für sein Seelenheil tun. Sorge auch, daß ihm für sein leibliches Wohl nichts abgeht, denn ich habe mich nur für ihn geplagt, um ihm noch bis zu seinem Tode helfen zu können. Sag' Deiner Frau, sie solle mit Liebe für seinen Haushalt sorgen; ich werde Euch alles vergüten, wenn es nötig ist. Sparet nichts, und

sollten wir auch alles darangeben, was wir besitzen. Damit mag es genug sein. Lebt in Frieden und Du schreibe mir, wie es steht, denn ich bin in großer Angst und Sorge. – –

 

10. An Papst Clemens VII. in Rom.

Florenz, [1524].

Heiliger Vater! – Mittelspersonen verursachen oft viel Ärger und Verwirrung, deshalb wage ich es, ohne eine solche an Eure Heiligkeit über die Gräber hier in San Lorenzo zu schreiben. Ich weiß wirklich nicht, was besser ist, das Schlimme, das Nutzen bringt, oder das Gute, das Unheil anrichtet. Doch so viel weiß ich gewiß: ich mag noch so untauglich und unvernünftig sein, aber wenn man mich ruhig hätte fortfahren lassen, wie ich angefangen hatte, dann wären jetzt alle Marmorblöcke für die Arbeiten in Florenz, und zwar mit geringeren Kosten, als bis jetzt bereits aufgewendet wurden, schon für ihren Zweck zugehauen und in so gutem Zustande, wie alle anderen, die ich bisher schon hergebracht habe.

Nun fürchte ich, daß sich die Sache noch lange hinziehen wird, und weiß nicht, wie sie ausgehen kann. Ich bitte daher im voraus Eure Heiligkeit um Entschuldigung für den Fall, daß sich etwas Mißliches ereignen sollte, denn ich habe keine Autorität und glaube deshalb auch für nichts verantwortlich zu sein. Ich bitte aber Eure Heiligkeit, wenn Ihr mir irgendeinen Auftrag zuweisen wollt, mir in meiner Arbeit keinen Vorgesetzten zu geben, sondern mir Vertrauen zu schenken und freie Hand zu lassen. Ihr werdet dann sehen, was ich vollbringen und wie ich Euch Rechenschaft über meine Tätigkeit geben werde.

Die Laterne der Kapelle von San Lorenzo hat Stefano vollendet und enthüllt. Sie gefällt jedermann und wird, so hoffe ich, auch Eurer Heiligkeit zusagen, wenn Ihr sie seht. Wir lassen jetzt die Kugel anfertigen. Sie wird einen Arm im Durchmesser betragen. Ich dachte, sie facettieren zu lassen, um sie von den übrigen etwas zu unterscheiden, und so wird sie denn auch ausgeführt.

Eurer Heiligkeit Diener

Michelangelo, Bildhauer.

 

11. An Sebastiano del Piombo in Rom.

[Florenz, Mai 1525.]

Mein teuerster Sebastiano! – Gestern abend nahmen mich unser Freund, der Hauptmann Cujo, und einige Edelleute gütigerweise zum Abendessen mit. Das machte mir große Freude, denn dadurch wurde ich für kurze Zeit aus meiner Melancholie – wenn ich sie nicht Wahnsinn nennen soll – gerissen. Die Mahlzeit war sehr ergötzlich. Noch mehr freuten mich die Gespräche, die da geführt wurden; besonders als ich den Hauptmann Euren Namen nennen hörte, war ich ganz entzückt. Und wie nun besagter Hauptmann erklärte, Ihr seiet einzig auf Erden und in der Kunst und werdet auch entsprechend in Rom geschätzt, wäre meine Freude noch gewachsen, wenn das nur möglich gewesen wäre. Auf diese Art wurde mir bestätigt, daß mein Urteil über Euch nicht falsch war. Drum widersprecht mir nicht mehr, wenn ich Euch in meinen Briefen „einzig“ nenne, denn ich habe der Zeugen genug; dazu haben wir hier ein Bild, das weiß Gott jeden, der Augen hat, zwingt, mir recht zu geben.

 

12. An Giovan Simone … in Settignano.

Florenz, [1533].

Giovan Simone! – Mona Margherita hat mich falsch verstanden. Als ich vorgestern morgen von Dir und Gismondo sprach – Ser Giovanni Francesco war dabei –, sagte ich, ich habe für Euch stets mehr getan als für mich und viele Mühen auf mich genommen, damit Ihr keine zu tragen hättet, Ihr aber habet nichts getan, als mich in ganz Florenz zu verleumden. So viel habe ich gesagt, und wollte Gott, es wäre nicht wahr, daß Ihr Euch wie Tiere benommen habt! Was Deinen Aufenthalt in Settignano angeht, so bleib nur dort, pflege dich und sieh zu, daß Du gesund wirst. Was an mir liegt, will ich stets für Euch tun, denn ich achte nur auf meine Pflicht, nicht auf Eure Reden. Dann wünschte ich, Du beschafftest dort eine Wohnung, damit auch Mona Margherita hinkommen kann, denn mein Vater hat sie mir vor seinem Tode empfohlen, und ich werde sie deshalb nie verlassen.

Michelangelo.

 

13. An Messer Luigi del Riccio in Rom.

[Rom, 1542.]

Dieses [Madrigal] habe ich vor längerer Zeit nach Florenz geschickt. Nun ich es umgearbeitet habe, sende ich es Euch, damit Ihr, wenn es Euch so beliebt, es den Flammen gebet, denen, meine ich, die mich verzehren. Noch bitte ich Euch um eine andere Gnade. Ihr sollt mich nämlich von einem Zwiespalt erlösen, in den mein Geist heute nacht geriet. Denn als ich unsern Liebling im Traum grüßte, schien es mir, als ob er mit einem Lächeln mir drohte. Da ich nun ungewiß bin, welcher der beiden Gebärden ich glauben soll, so bitte ich Euch, fragt ihn selbst; und wenn wir uns am Sonntag wiedersehen, laßt es mich wissen.

Ich bleibe, Euch stets verpflichtet, der Eurige.

– – – – – – – – – –

 

14. An Messer Luigi del Riccio, meinen Freund oder vielmehr verehrungswürdigen Herrn, in Rom.

[Rom, 1543.]

Mein lieber Messer Luigi! – Ich weiß, daß Ihr im Zeremonienwesen ein ebenso vollendeter Meister seid, als ich darin untauglich bin. Ich habe nun von Monsignor di Todi das Geschenk erhalten, von dem Euch Urbino berichten wird, und da ich glaube, daß Ihr mit Seinen Gnaden befreundet seid, so bitte ich Euch, danket ihm in meinem Namen mit den Zeremonien, die Euch leicht, mir aber schwer fallen. – –

Euer Michelangelo Buonarroti.

 

15. An Messer Luigi del Riccio.

[Rom 1545.]

Unser toter Freund redet und spricht: Der Himmel nahm allen Menschen der Welt ihre Schönheit und schenkte sie mir allein. Durch göttliches Gesetz werde ich am Tage des Gerichts auferstehen, wie ich im Leben war. Darum kann der Himmel die Schönheit, mit der er mich begabt hat, jenen nimmer wiedergeben, denen er sie raubte, und so muß ich in Ewigkeit schöner bleiben als alle, und alle anderen häßlich.

Diese Auffassung ist das Gegenteil von der, die Du mir gestern auseinandersetztest und ist die rechte, jene aber ist ein Gefabel.

Euer Michelangelo Buonarroti.

 

 

16. An Vittoria Colonna in Rom.

[Rom 1545.]

Edle Frau, ich wollte die Gaben, die Eure Gnade mir schon oft zugedacht hatte, nicht annehmen, bevor ich Euch nicht ein Werk von meiner Hand bieten könnte, um so ihrer weniger unwürdig zu sein. Aber ich sah ein und erkannte, daß man die Gnade Gottes nicht kaufen kann, und daß es große Sünde ist, ihr Hindernisse zu bereiten. So bekenne ich meine Schuld und nehme Eure Gaben freudig an. Und wenn sie mein sind, werde ich mich im Paradies fühlen; nicht weil ich sie in meinem Hause haben werde, sondern weil ich in ihrem Hause wohnen darf. Und ich werde dadurch, edle Frau, noch mehr in Eurer Schuld sein, als ich schon bin, wenn dies überhaupt möglich ist.

Diesen Brief wird Euch mein Diener Urbino bringen. Ihm werdet Ihr sagen können, wann ich nach

Eurem Wunsche kommen soll, um den Kopf zu sehen, den Ihr mir zu zeigen versprachet. Ich empfehle mich Eurer Gnade.

Michelangelo Buonarroti.

 

 

17. An Vittoria Colonna in Rom.

[Rom, 1538–41 oder 1545–46.]

Frau Marchesa! – Da ich in Rom bin, hätte ich eigentlich den Kruzifixus nicht Messer Tommaso anzuvertrauen und ihn so zum Mittler zwischen Euch und mir, Eurem Diener, zu machen brauchen. Ich wünsche für Euch Größeres zu schaffen, als für irgendeinen anderen mir bekannten Menschen dieser Welt. Allein ich war und bin noch in so viele Geschäfte verwickelt, daß ich Euer Gnaden dies nicht zu beweisen vermochte. Ich weiß ja, Euch ist bekannt, daß die Liebe den Weg stets findet, und der Liebende nicht schläft, und hätte darum um so weniger eines Mittlers bedurft. Aber wenn es auch den Anschein hatte, als ob ich nicht an Euch dächte, tat ich doch, was ich nicht aussprach, um Unerwartetes zu vollbringen. Mein Plan ist mißlungen. „Unrecht tut der, der solche Treue schnell vergißt.“

Eurer Gnaden Diener

Michelangelo Buonarroti.

 

18. An Lionardo di Buonarrota Simoni in Florenz.

Rom, [den 6. Februar 1546].

Lionardo! – Du bist mit Deiner Auskunft über die Besitzung der Corboli sehr rasch zur Stelle gewesen. Ich dachte nicht, daß Du noch in Florenz seiest. Hast Du am Ende Furcht, mein Anerbieten könnte mich reuen, wie man Dir vielleicht eingeredet hat? Ich sage Dir, daß ich langsam vorgehen will, denn ich habe das Geld hier mit einer Mühe verdient, die der nicht kennt, der wie Du im Überfluß geboren ist.

Ich glaube auch nicht, daß Du mit solcher Eile nach Rom gekommen wärest, wenn ich im Elend lebte und es mir an Brot fehlte. Du brauchst ja nur das Geld wegzuwerfen, das Du nicht verdient hast. So eifrig bist Du, diese Erbschaft nicht zu verlieren! Und sagst noch, es sei Deine Pflicht gewesen, zu kommen, weil Du mich liebest! Wie der Holzwurm die Balken! Wenn Du wirklich Liebe für mich hegtest, hättest Du mir jetzt geschrieben: „Michelangelo, verwendet Euer Geld für Euch, denn uns habt Ihr schon so viel gegeben, daß wir genug haben. Uns ist Euer Leben lieber als Euer Geld.“

Ihr habt seit vierzig Jahren von meiner Arbeit gelebt, aber noch nie habe ich von Euch auch nur ein gutes Wort bekommen. Freilich hast Du voriges Jahr so viel Tadel hören müssen, daß Du mir aus Scham eine Last Trebbianer schicktest, aber ich wünschte, Du hättest auch die behalten!

Ich schreibe dies nicht deshalb, weil ich dem Ankauf abgeneigt bin; ich will kaufen, um mir eine Rente zu sichern, weil ich nicht mehr arbeiten kann; aber ich werde langsam vorgehen, denn ich will mir keine Verdrießlichkeiten kaufen. – Darum eile Dich nicht.

Michelangelo.

Wenn man Dir in Florenz etwas in meinem Namen ausrichtet, oder Dich um etwas bittet, so darfst Du niemandem Glauben schenken, wenn er Dir nichts Handschriftliches von mir vorweisen kann. – –

 

 

19. An den Allerchristlichsten König von Frankreich.

Rom, den 26. April 1546.

Heilige Majestät! – Ich weiß nicht, was größer ist, Eure Gnade oder mein Erstaunen darüber, daß Eure Majestät sich herabgelassen hat, an meinesgleichen zu schreiben, ja mehr noch, mich um Arbeiten zu bitten, die des Namens Eurer Majestät wirklich nicht würdig sind. Doch mögen diese sein, wie sie wollen; Eure Majestät soll wissen, daß ich schon seit langem wünschte, Euch zu dienen. Da ich aber hierzu nicht, wie in Italien, Gelegenheit fand, habe ich es noch nicht tun können. Nun bin ich alt und noch für einige Monate mit Arbeiten für Papst Paul beschäftigt. Wenn ich aber nach deren Vollendung noch am Leben bin, so werde ich versuchen, das, was ich schon lange für Eure Majestät zu tun wünschte, auch wirklich auszuführen, und zwar ein Werk in Marmor, eins in Bronze und ein Gemälde. Und wenn der Tod die Verwirklichung dieses Wunsches vereitelt, und man im anderen Leben noch meißeln und malen kann, so werde ich dort, wo man nicht altert, es an mir nicht fehlen lassen. Eurer Majestät aber erflehe ich von Gott ein langes und glückliches Leben.

Aus Rom am XXVI. April MDXLVI.

Eurer Allerchristlichsten Majestät untertänigster Diener

Michelangelo Buonarroti.

 

20. An Lionardo …

Rom, [August 1547].

Lionardo! – Mit Deinem Brief erhielt ich die Quittung über die fünfhundertundfünfzig Dukaten in Gold, die ich hier bei Bettino eingezahlt habe. Du schreibst mir, vier davon werdest Du jener Frau zu Gottes Ehre geben. Damit bin ich wohl zufrieden. Ich wünsche, daß weitere sechsundvierzig zu Gottes Ehre, für das Seelenheil Deines Vaters Buonarroto und für das meinige verschenkt werden. Suche irgend einen bedürftigen Bürger, der Töchter zu verheiraten oder in einem Kloster unterzubringen hat. Dem gib, aber heimlich. Sieh zu, daß Du nicht betrogen wirst, laß Dir eine Quittung ausstellen und schicke sie mir; ich rede von Bürgern und weiß, daß sie sich zu betteln schämen, wenn sie in Not sind. – – – –

– – – – – – – Ich rate Euch, legt das Geld, das ich Euch schickte, in einem guten Grundstück oder dergleichen an, denn es ist gefährlich, es im Haus zu behalten, zumal heutzutage. Seid deshalb vorsichtig und haltet die Augen offen.

Michelangelo Buonarroti.

 

21. An Lionardo …

Rom, [den 16. Januar 1548].

Lionardo! – Durch Deinen letzten Brief erfuhr ich vom Tode Giovansimones. Die Nachricht hat mich tief geschmerzt, denn wenn ich auch schon so alt bin, hoffte ich doch, ihn vor seinem und meinem Tode noch einmal zu sehen. Gott hat es so gewollt, ertragen wir es! Ich möchte gern ausführlicher hören, wie er gestorben ist, ob er vor seinem Tode gebeichtet und kommuniziert hat, und alle seine religiösen Angelegenheiten geordnet sind; denn wenn ich erfahren habe, daß es so ist, werde ich weniger bekümmert sein. – –

Michelangelo Buonarroti.

 

22. An Messer Benedetto Varchi.

Rom, [1549].

Messer Benedetto! – Damit Ihr sehet, daß ich Euer Büchlein wirklich empfangen habe, will ich auf die Frage, die darin gestellt wird, einiges antworten, wenn auch bescheiden und als Laie. Ich meine, die Malerei sei um so höher zu achten, je mehr sie sich der Plastik nähert, und diese um so geringer, je mehr sie der Malerei nahekommt. So schien mir auch stets, als sei die Skulptur die Leuchte der Malerei und zwischen jener und dieser der gleiche Unterschied, wie zwischen Sonne und Mond. Seitdem ich aber Euer Büchlein gelesen habe, in dem Ihr auseinandersetzt, daß, philosophisch betrachtet, beide Künste das gleiche Ziel haben, beide das Gleiche sind, bin ich anderer Meinung geworden und sage so: Wenn nicht ein größerer Aufwand von Überlegung und Mühe, größere Schwierigkeiten und Anstrengungen dem Werke auch größeren Adel verleihen, dann sind Malerei und Skulptur ein Ding. Und damit sie auch als solches anerkannt würden, dürfte kein Maler die Bildhauerei weniger als die Malerei betreiben, und ebenso müßte jeder Bildhauer in gleichem Maße Maler wie Bildhauer sein. Ich verstehe unter Skulptur die Kunst, die durch Wegnehmen geübt wird, während die, die durch Auflegen arbeitet, Malerei ist. Dann sollte man es aber auch kurz machen und beide Künste, Skulptur und Malerei, weil sie doch durch die gleiche Intelligenz geübt werden, einen rechtschaffenen Frieden schließen und das viele Disputieren sein lassen, denn das kostet mehr Zeit, als die Bildwerke selbst zu machen. Versteht aber der, der die Malerei edler nannte als die Skulptur, alle Dinge, worüber er schreibt, so gut wie dies, so hätte meine Magd seine Schriften wohl besser geschrieben. Unendlich viele nie ausgesprochene Dinge ließen sich noch über dergleichen Künste sagen; aber, wie ich bemerkte, das würde viel Zeit erfordern, und ich habe nur wenig, denn ich bin nicht nur alt, sondern stehe schon fast im Grabe. Darum bitte ich Euch, haltet mich für entschuldigt. Euch aber empfehle ich mich und danke Euch nach bestem Können für die allzugroße Ehre, die Ihr mir erweiset, und die mir nicht zukommt.

Euer Michelangelo Buonarroti.

 

23. An Lionardo …

[Rom,] den 1. Februar 1549.

Lionardo! – Ich schickte Dir mit meinem letzten Brief ein Verzeichnis mehrerer heiratsfähiger Mädchen, das mir von Florenz zugesandt wurde, ich glaube von einem Vermittler, der übrigens ein wenig vernünftiger Mann sein muß, denn er konnte sich doch denken, daß ich, nun schon seit sechzehn oder siebzehn Jahren dauernd in Rom, wenig Kenntnis von den florentinischen Familien haben kann.

Ich sage Dir deshalb, achte nicht auf meine Meinung, wenn Du heiraten willst, denn ich vermag Dir keinen guten Rat zu geben. Nur das kann ich Dir ans Herz legen, laufe nicht dem Geld nach, sondern sieh auf Herzensgüte und guten Ruf.

Ich glaube, es gibt in Florenz viele verarmte, adlige Familien, für die es eine Wohltat wäre, wenn Du mit ihnen Verwandtschaft anknüpftest. Auf die Mitgift könntest Du verzichten, wenn nur auch kein Hochmut da wäre. Du brauchst eine Frau, die bei Dir bleibt und Dir gehorcht, die keinen Aufwand liebt und nicht jeden Tag auf Hochzeiten und Gastereien gehen will, denn wo ein Hof ist, ist es nicht schwer, zur Dirne zu werden. Du brauchst Dich auch nicht um das Gerede zu kümmern, Du wollest Dich adlig machen, denn es ist bekannt, daß wir alteingesessene Bürger von Florenz und so vornehmen Geschlechts wie irgendeine andere Familie sind. Nun empfiehl Dich Gott, daß er Dir das Rechte gebe. Ich wünschte, Du ließest es mich wissen, sobald Du etwas Geeignetes gefunden zu haben glaubst, und zwar bevor Du die Verbindung eingehst.

 

24. An Lionardo …

Rom, den 20. Mai 1553.

Lionardo! – In Deinem letzten Brief schriebst Du mir, Du habest Deine Frau nun heimgeführt, seiest sehr befriedigt und sollest mich in ihrem Namen grüßen. – – – – Es freut mich innig, daß Du so zufrieden bist, und ich denke, man soll Gott dafür nach bestem Können preisen. – – – – Für ihren Gruß danke ihr; sag' ihr in meinem Namen all das, was Du mündlich zu sagen weißt, ich aber nicht zu schreiben verstehe. Ich wünsche auch, daß man sie als die Frau eines meiner Neffen erkenne; bisher

konnte ich das nicht durch die Tat beweisen, weil Urbino noch nicht da war. Nun ist er seit zwei Tagen zurückgekehrt, und ich will meinen guten Willen zeigen. Man sagt mir, ein schöner Schmuck von guten Perlen werde hier wohl anstehen. Ich habe darum einen mit Urbino befreundeten Goldschmied beauftragt, nach solchen zu suchen und hoffe, er wird sie finden. Doch sag' ihr noch nichts davon.

Solltest Du aber etwas anderes für besser halten, so schreibe mir. Das sei's. Sorge für Deine

Gesundheit und vergiß nicht, daß es stets mehr Witwen als Witwer gibt.

Michelangelo Buonarroti.

 

 

25. An Giorgio Vasari.

Rom, April 1554.

Messer Giorgio, mein lieber Freund! – Euer Brief hat mir große Freude gemacht, denn er bewies mir, daß Ihr Euch noch des armen Alten erinnert. Ein wahrer Triumph war für mich Eure Botschaft, ein neuer Buonarroto sei geboren. Ich danke Euch darum von ganzem Herzen und soviel ich kann. Doch mißfiel mir der Aufwand, der getrieben wurde. Der Mensch soll nicht lachen, wenn die Welt ringsum weint. Ich meine daher, Lionardo hat nicht eben vernünftig gehandelt, als er eines Neugeborenen wegen solche Pracht entfaltete. Solche Festlichkeit soll man für den Tod dessen aufsparen, der rechtschaffen gelebt hat. Sonst habe ich nichts zu sagen. Ich danke Euch aufrichtig für die Liebe, die Ihr mir beweiset, obwohl ich Ihrer nicht würdig bin. Die Dinge gehen hier ihren alten Gang. Am – ich weiß nicht wievielten – April 1554.

Euer Michelangelo Buonarroti.

 

26. An Messer Giorgio, den vortrefflichen Maler, in Florenz.

Rom, den 15. Mai 1555.

Ich wurde mit Gewalt zur Leitung des Baues von Sankt Peter gezwungen und habe nun schon ungefähr acht Jahre ohne Entgelt, ja mit großem Schaden und viel Ärger der Aufgabe geopfert. Nun geht die Arbeit voran, wir haben Geld und ich bin im Begriff, die Kuppel zu wölben; wollte ich jetzt abreisen, so würde das den Bau zugrunde richten. Das müßte mir in der ganzen Christenheit die größte Schande bringen und würde eine schwere Schuld für meine Seele sein. Darum bitte ich Euch, mein lieber Herr Giorgio, dankt dem Herzog in meinem Namen für die großen Anerbietungen, von denen Ihr mir schreibt und bittet ihn, er möge mich in Gnaden noch so lange hier arbeiten lassen, bis ich in gutem Ruf und mit Ehren und ohne Sünde von hier abreisen kann.

Euer Michelangelo Buonarroti.

 

27. An Messer Giorgio Vasari, meinen lieben Freund, in Florenz.

Rom, den 23. Februar 1556.

Messer Giorgio, mein lieber Freund! – Das Schreiben kommt mich schwer an, aber um Euch zu antworten, will ich einiges sagen. Ihr wißt, daß Urbino gestorben ist. Durch seinen Tod hat Gott mir eine große Gnade gegeben, aber ich habe sie mit einem teuren Gut und mit unendlichem Schmerz bezahlen müssen. Die Gnade war die, daß er, der während seines Lebens mich am Leben hielt, durch seinen Tod mich sterben lehrte. Und nun sehe ich dem Tode nicht mehr mit Widerwillen, sondern mit Sehnsucht entgegen. Ich habe ihn sechsundzwanzig Jahre bei mir gehabt und ihn für ganz wahrhaftig und treu befunden; und nun, da ich ihn reich gemacht hatte und hoffte, er werde der Stab meines Alters sein, ist er mir entschwunden, und ich habe keine Hoffnung mehr als die, ihn im Himmel wiederzusehen. Für diese aber hat uns Gott seinen seligen Tod Bürge sein lassen. Nun schmerzt es mich nicht mehr, daß ich sterben muß, sondern daß er mich mit so viel Leiden in dieser treulosen Welt lebend zurückließ, denn der größere Teil von mir ist mit ihm gegangen, und mir ist nur ein tiefes Elend geblieben. Ich bitte Euch inständig, entschuldigt mich, wenn es Euch keine Mühe macht, bei Messer Benvenuto, daß ich ihm noch nicht auf seinen Brief antwortete. Ich bin so in diesen traurigen Gedanken versunken, daß ich nicht schreiben kann. Empfehlt mich ihm, und ich empfehle mich Euch.

Euer Michelangelo.

 

28. An Lionardo …

Rom, den 31. Mai 1556.

Lionardo! – Francesca bittet mich in einem Brief, ich möge ihrem Beichtvater zehn Dukaten geben, um ein armes Mädchen im Kloster von Santa Lucia unterzubringen. Ihr zu Liebe will ich es tun, denn ich weiß, sie würde mich nicht bitten, wenn es kein wohlangebrachtes Almosen wäre. Aber ich weiß nicht, wie ich das Geld in Florenz auszahlen lassen soll. Ich wünschte darum, dieser Beichtvater hätte hier einen zuverlässigen Freund; dem würde ich es geben, sobald ich benachrichtigt würde.

Es freut mich zu hören, daß es Cassandra gut geht; empfiehl mich ihr, und haltet Euch gesund.

Michelangelo Buonarroti.

 

29. An Giorgio Vasari.

Rom, den 18. Dezember 1556.

Messer Giorgio! – Ich habe das Büchlein Messer Cosimos, das Ihr mir schicktet, erhalten. In diesem Brief liegt ein Dankschreiben an seine Gnaden. Ich bitte Euch, gebt es ihm und empfehlt mich ihm. Ich habe dieser Tage unter großen Mühen und Kosten, aber mit innigem Vergnügen einen Besuch bei

den Einsiedlern in den Bergen von Spoleto gemacht und bin nur halb wieder hier in Rom, denn wirklichen Frieden findet man nur in den Wäldern. Sonst weiß ich Euch nichts zu sagen. Es freut mich, daß Ihr gesund und fröhlich seid, und ich empfehle mich Euch.

Euer Michelangelo Buonarroti.

 

30. An Lionardo …

Rom, den 16. Juni 1557.

Lionardo! – – – Mit meiner Gesundheit steht es schlecht; ich habe all die Beschwerden, die das Alter heimsuchen, ein Steinleiden, daß ich nicht urinieren kann, dazu Schmerzen in den Seiten und im Rücken, daß es mir oft unmöglich ist, eine Treppe zu ersteigen. Das Schlimmste sind aber die Sorgen, die mich quälen. Denn wenn ich all die Bequemlichkeiten aufgebe, über die ich hier verfügen kann, so lebe ich keine drei Tage mehr. Doch möchte ich auch nicht die Gnade des Herzogs verlieren, ebensowenig aber den Bau von Sankt Peter im Stich lassen oder mich selbst vernachlässigen. Bitte Gott, daß er mir helfe und rate. Sollte es mit mir schlimmer werden, mich etwa ein gefährliches Fieber anfallen, dann werde ich gleich nach Dir schicken. Laß Dir aber nicht einfallen, zu kommen, bevor Dich ein Brief von mir ruft.

Empfiehl mich Messer Giorgio. Er kann mir sehr nützlich sein, wenn er will, denn der Herzog ist ihm wohlgesinnt.

Michelangelo Buonarroti.

 

31. An Lionardo …

Rom, den 15. Juni 1559.

Lionardo! – – – – – – Ich erhielt von Dir zwei Briefe, in denen Du mich sehr angelegentlich bittest, ich möchte nach Florenz zurückkehren. Du weißt, glaube ich, noch nicht, daß ich vor ungefähr vier Monaten durch den Kardinal von Carpi, der zur Baukommission von Sankt Peter gehört, vom Herzog von Florenz die Erlaubnis erhielt, in Rom beim Bau von Sankt Peter zu bleiben. Ich dankte Gott dafür und freute mich sehr. Nun, wie schon gesagt, schreibst Du mir so angelegentlich, ich weiß aber nicht, tust Du das, weil Du mich dort haben möchtest, oder steht die Sache anders. Sprich Dich deshalb ein wenig klarer aus, denn alles Derartige regt mich auf und ist mir lästig. – –

Michelangelo Buonarroti.

Das Schreiben fällt mir sehr schwer, Hand, Augen und Gedächtnis versagen. Ich bin alt!

 

32. An Lionardo …

Rom, [den 15. März 1560].

Lionardo! – Ich antwortete auf Dein Schreiben vom Samstag nicht, denn ich hatte keine Zeit. Nun sage ich Dir, daß ich mich über die Geburt Deiner Tochter sehr freute. Unsere Familie steht allein; so wird sie uns einst eine gute Verwandtschaft erwerben können. Haltet sie gut. Ich werde ja nicht mehr am Leben sein, wenn es soweit ist. Wenn es Zeit ist, daß Du nach Rom kommst, werde ich Dich benachrichtigen, wie ich Dir ja schon schrieb. Wisse, daß die größte Plage für mich hier in Rom die Beantwortung Deiner Briefe ist.

Michelangelo Buonarroti.

 

33. An Lionardo …

Rom, den 21. August 1563.

Lionardo! – Ich ersehe aus Deinem Schreiben, daß Du neidischen, schlechten Menschen Glauben schenkst, die dir Lügenbriefe schicken, weil sie mich nicht bestehlen und nach Gutdünken regieren können. Es ist eine Bande habsüchtiger Kerle, und Du bist ein Tor, daß Du ihrem Gerede über mich glaubst, als ob ich ein Kind wäre! Schaff' Dir die schamlosen, neidischen, verkommenen Menschen aus den Augen! Dann schreibst Du, ich habe Scherereien im Haushalt und anderes. Laß Dir gesagt sein, daß es mir nicht besser gehen und daß ich in jeder Beziehung nicht sorgsamer behandelt werden könnte. Ich habe ganz vertrauenswürdige und ehrliche Leute im Hause, die mich durchaus nicht bestehlen, wie Du zu glauben scheinst. Sieh zu, daß Deine Angelegenheiten gut gehen und kümmere Dich nicht um die meinigen, denn ich weiß mir zu helfen, wenn es nötig ist und bin kein Kind. Laß es Dir gut gehen!

Michelangelo.

 

34. An Lionardo …

Rom, den 28. Dezember 1563.

Leonardo! – Zugleich mit Deinem letzten Brief erhielt ich zwölf hübsche und wohlschmeckende Märzkäschen. Besten Dank! Ich freue mich, daß es Euch wohl geht. Auch ich befinde mich nicht schlecht. In der letzten Zeit habe ich mehrere Briefe von Dir erhalten, konnte aber nicht antworten, denn meine Hand gehorcht mir nicht mehr. Von nun an werde ich andere schreiben lassen und selbst nur noch unterzeichnen. Das sei's.

Ich Michelangelo Buonarroti.

 

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Briefe der Vittoria Colonna an Michelangelo.

Übersetzt von R. A. Guardini.

1. [Rom, 1538–41, oder 1545/46.]

Mein teuerster Meister Michelangelo! – Ich bitte Euch, schickt mir auf kurze Zeit den Kruzifixus, wenn er auch noch nicht vollendet ist, denn ich will ihn einigen Kavalieren des Hochwürdigsten Kardinals von Mantua zeigen; und wenn Ihr heute nicht durch Arbeiten in Anspruch genommen seid, könntet Ihr ganz nach Eurer Bequemlichkeit zu einem Plauderstündchen zu mir kommen.

Eure ergebene

Marchesa di Pescara.

 

2. [Rom, 1538–41 oder 1545/46.]

Einziger Meister Michelangelo und mein ganz besonderer Freund! – Ich habe Euren Brief erhalten und den Kruzifixus gesehen. Er hat wahrhaftig in meinem Gedächtnis alle anderen Darstellungen, die mir je zu Gesicht gekommen sind, ans Kreuz geschlagen. Man kann sich nichts Lebendigeres und Vollendeteres denken als dieses Bild, und ich würde mich vergeblich bemühen, wenn ich die außerordentliche und wunderbare Feinheit seiner Ausführung schildern wollte. Ich bin entschlossen, das Bild von keinem anderen malen zu lassen. Gebt mir darum Gewißheit; rührt die Zeichnung von einem anderen her, dann muß ich wohl auf sie verzichten, sollte sie aber Euch gehören, so würde ich sie Euch unter allen Umständen rauben.

Stammt sie nicht von Euch, und wolltet Ihr das Bild von einem Eurer Gesellen ausführen lassen, so müßten wir erst darüber reden. Ich kenne nämlich recht wohl die Schwierigkeit, die Eigenart der Zeichnung in der Ausführung zu bewahren, und würde dann lieber den Betreffenden etwas anderes malen lassen. Wenn sie aber Euer Werk ist, dann – vergebt – erhaltet Ihr sie nicht wieder. Ich habe sie bei Licht und mit der Lupe und im Spiegel betrachtet und versichere Euch, ich habe nie etwas Vollendeteres gesehen.

Eure ergebene

Marchesa di Pescara.

 

3. [Rom, 1538–41 oder 1545/46.]

Die Taten Eurer Künstlerkraft reizen den beschauenden Geist, ungenügsam Höheres zu begehren. Auch mich faßte dies Verlangen, und darum fragte ich, ob die Vollkommenheit Eurer Werke wohl noch einer Steigerung fähig sei. Ich habe eingesehen, daß omnia sunt possibilia credenti. Ich hatte den festen Glauben, Gott werde Euch zur Darstellung dieses Christus übernatürliche Gnade geben, und als ich ihn sah, übertraf er in jeder Weise all meine Erwartungen. Eure Wundertaten machten mich kühn, und so sprach ich Wünsche aus, die ich jetzt staunend erfüllt sehe: Das Bild ist in allen Teilen von wunderbarer Vollendung, und kein Mensch vermöchte mehr, ja auch nur so viel zu wünschen. Und wißt, das freut mich besonders, daß der Engel zur Rechten viel schöner ist, als der andere; denn der heilige Michael wird Euch Michelangelo am jüngsten Tage zur Rechten des Herrn stellen. Ich aber kann dafür nichts tun, als zu diesem milden Christus darum zu beten, den Ihr so vollkommen gebildet habt; zugleich Euch zu bitten, daß Ihr über mich in jeder Weise gebietet.

Eure ergebene

Marchesa di Pescara.

 

 

4. Im Kloster zu Viterbo, den 20. Juli [1541–1543].

Kunstreicher Meister Michelangelo! – Euer Brief war gewissermaßen eine Antwort auf den meinigen; dies ist der Grund, weshalb ich Euch noch nicht antwortete. Dann dachte ich auch, wenn wir beide wie bisher in unserem Briefwechsel fortfahren wollten, wie es Euch Eure Liebenswürdigkeit und mir die Pflicht der Dankbarkeit vorschreiben, so könnte ich mich nicht mehr zu den vorgeschriebenen Stunden mit den Schwestern in der Kapelle der heiligen Katharina einfinden, und Ihr könntet nicht in der des heiligen Paulus vom frühen Morgen an den Tag in vertrauter Unterredung mit Euren Gemälden verbringen, die doch zu Euch in der natürlichen Sprache ihrer Linien ebenso verständlich reden, wie zu mir die lebendigen Menschen meiner Umgebung: und so würde ich gegen die Bräute und Ihr würdet gegen den Statthalter Christi fehlen. Ich kenne die Treue Eurer Freundschaft und die Kraft Eurer in christlichem Geiste gefestigten Zuneigung und denke darum, ich brauche Euch nicht durch eigene Briefe den Empfang der Euren zu bestätigen. Vielmehr will ich mich bereit halten und die erste Gelegenheit erwarten, um Euch gewichtigere Dienste zu leisten. Unterdessen bitte ich den Herrn, über den Ihr mir bei meiner Abreise Worte so glühender und demütiger Liebe sagtet, er möge mich bei meiner Rückkehr in Eurem Herzen sein Bild erneuert und so glaubenslebendig finden lassen, wie Ihr es mir auf dem Bild der Samaritanerin gemalt habt.

Euch und Eurem Urbino empfehle ich mich. Eure ergebene

Marchesa di Pescara.

 

5. [Rom, 1538–41 oder 1545–46.]

Der Ruhm, den Eure Kunst Euch schafft, ist so groß, daß Ihr vielleicht geglaubt hättet, weder die Zeit noch irgend ein Ereignis könnte ihm den Tod bringen, wäre nicht jener Strahl göttlichen Lichtes Euch ins Herz gedrungen, und Euch offenbar geworden, daß jeder irdische Ruhm stirbt und lebte er noch so lange. Wenn Ihr darum aus Euren Bildwerken die Güte dessen erkennt, der Euch zum einzigen Meister in dieser Kunst machte, werdet Ihr auch verstehen, daß ich nur dem Herrn für meine schon fast toten Schriften danken kann, denn dichtend beleidigte ich ihn weniger, als ich in meinem Müßiggang jetzt tue. Ich bitte Euch darum, nehmt diesen Ausdruck meiner Gesinnung als Unterpfand künftiger Werke an.

Eure ergebene

Marchesa di Pescara.

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Zu den Briefen Michelangelos.

Der italienische Text nach Gaetano Milanesi, Le lettere di Michelangelo Buonarroti, Firenze MDCCCLXXV (Mil. l. = Milanesi, lettera No. …). Ebendaher stammt die Datierung der Briefe, die nicht von Michelangelo selbst herrührt. Leider konnte den Übersetzungen und Anmerkungen die in Aussicht stehende kritische Gesamtausgabe der Briefe von C. Frey nicht mehr zugrunde gelegt werden.

1.

Mil. l. CCCXLIII. – Giuliano da San Gallo 1443 (45) bis 1516 (17), aus Florenz, war Bildhauer und vor allem Architekt. Er baute in Rom für Lorenzo den Prächtigen, wurde später nach Neapel gerufen und arbeitete 2 Jahre für den Bischof von Ostia, den nachmaligen Papst Julius II. Unter Julius veranlaßte er den Bau einer besonderen Grabkirche für das Denkmal, mit dessen Ausführung Michelangelo betraut war, unterlag er aber mit seinem Entwurf gegen Bramante und verließ Rom. Nach kurzer Zeit ernannte ihn der Papst zum Ingenieur, dann zum Architekten am Bau der neuen Peterskirche. – Durch seine Vermittlung war Michelangelo 1505 nach Rom gekommen. Über dessen Flucht folgendes: 1505 hatte er vom Papste den Auftrag erhalten, ihm ein Grabmonument zu errichten und war noch im April desselben Jahres nach Carrara gegangen. Dort leitete er bis zum Januar 1506 die Zurichtung der Blöcke und erwartete dann in Rom deren Ankunft. Unterdessen hatte aber Julius den Plan des Grabdenkmals fallen lassen und sich dem Neubau der Peterskirche zugewandt, für die, wie oben gesagt, Bramantes Pläne gesiegt hatten. Als Michelangelo an der veränderten Sachlage nicht mehr zweifeln konnte, floh er in seiner Enttäuschung nach Florenz. Der Papst bemühte sich, ihn zur Rückkehr zu bewegen, und veranlaßte viele Freunde und Gönner des Meisters, ihm brieflich oder mündlich zuzureden. Auf einen solchen Vermittlungsbrief antwortet das vorliegende Schreiben.

2.

Mil. l. CXXVII. – Vgl. Anm. zu Br. 3. – Der alte Buonarroti hatte Michelangelo geschrieben, das Betragen seiner Söhne, besonders Giovansimones, mache ihm viel Kummer. In seiner Antwort (Mil. l. VII) verspricht ihm Michelangelo, diesem einen Brief zu schreiben „auf meine Art“ — eben den vorliegenden.

3.

Mil. l. X. – Lodovico di Leonardo di Buonarrota Simoni (1444–1534) trieb keinerlei Gewerbe, sondern lebte von dem geringen Ertrag seiner wenigen Güter und dem Gehalt einer Zollschreiberstelle. Michelangelo sorgte bis an sein Lebensende in aufopfernder Weise für seine Familie. Von seinen Brüdern werden in den Briefen genannt: Buonarroto, von dem das bis in unsere Zeit lebende Geschlecht der Buonarroti abstammt, 1477–1528, Giovan Simone 1479–1548, Gismondo 1481–1555.

– Mona Cassandra, Lodovicos Schwägerin, hatte mit diesem nach dem Tode ihres Gatten einen Streit wegen ihrer Mitgift. – Michelangelo malte damals in der Sixtina.

4.

Mil. l. LXXX. – Lorenzo Strozzi besaß in Florenz eine Wollwirkerei, in der Buonarroto beschäftigt war.

5.

Mil. l. XXII. – Michelangelo pflegte sein Geld der Spitalverwaltung von Santa Maria Nuova in Florenz anzuvertrauen. Der Spitalverwalter wird auch noch in späteren Briefen öfter erwähnt.

6.

Mil. l. XXXVI. – Vgl. Anm. zu Ged. No. 2. Als Julius II. mit kaiserlichen Truppen Giuliano de Medici nach Florenz zurückführte, wurde in den Tagen vom 29. August bis 19. September die Stadt Prato besetzt und in furchtbarer Weise geplündert.

7.

Mil. l. XCII. – Im fortgelassenen ersten Teil des Briefes gibt Michelangelo seinem Bruder den Auftrag, eine gewisse Summe im Namen von Michele di Piero da Settignano, eines seiner Steinmetzen, in Florenz auszuzahlen. – Die Arbeiten, über die er klagt, sind die für das Juliusdenkmal.

8.

Mil. l. XXXIX. – Michelangelo erhielt von den Erben Julius II. 1516 die Erlaubnis, nach Belieben in Rom, Florenz oder Carrara an dem Denkmal zu arbeiten. Tatsächlich ging er 1516 nach Carrara, um Material zu beschaffen, und war auch einige Zeit in Florenz. Von hier aus schrieb er an seinen Vater, der sich in Settignano, einem kleinen Ort nahe bei Florenz, aufhielt, den Brief. Siehe auch Br. 9.

 

9.

Mil. l. CXII.

10.

Mil. l. CCCLXXXI. – 1520 wurde Michelangelo vom Kardinal Giulio de Medici beauftragt, für die Mediceer in Florenz ein Familiengrab zu bauen. 1521 erhielt er eine Anzahlung und schloß mit einigen Steinmetzgewerkschaften in Carrara Verträge auf Lieferung großer Marmormengen. Bald machte ihm aber der unbeständige Kardinal, der zudem durch die politischen Wirren (die Kämpfe Karls V. mit Franz I.) in Geldnöte geraten war, Schwierigkeiten. Er erklärte sich nicht bestimmt über die Art der

Ausführung und zögerte mit den Zahlungen. Die Arbeiten ruhten, his Giulio 1523 als Clemens VII. den päpstlichen Thron bestieg. 1524 begann der Bau der Kapelle (nuova sagrestia di San Lorenzo) und war bald zu Ende geführt. Über die letzten Arbeiten, Laterne und Goldkugel, berichtet der Brief. Der Papst, der wohl wissen mußte, daß es Michelangelos Charakter unmöglich war, die Leitung einer Arbeit mit einem anderen zu teilen, versprach doch Andrea Sansovino die Teilnahme an dem Werke. Im vorliegenden Brief verwahrt sich Michelangelo dagegen. – Über seine Stimmung während dieser Arbeiten vgl. Ged. No. 1 und Br. No. 11.

11.

Mil. l. CCCXCVII. – Sebastiano del Piombo (1485–1547) gehörte in Rom zur Partei Michelangelos gegen Raffael. – In dem am Schluß des Briefes erwähnten Porträt vermutet Milanesi das wahrscheinlich verlorene Bildnis des Francesco degli Albizzi, das Sebastiano in jener Zeit vollendet und nach Florenz gesandt hatte.

12.

Mil. l. CXXIX. – Der 1532 mit den Erben Julius II. abgeschlossene Vertrag bestimmte, daß Michelangelo Zeit und Arbeit zwischen Rom und Florenz teilen dürfe. – Mona Margherita war eine nahe Verwandte. – Ser Giovan Francesco Fattucci war Kaplan von Santa Maria del Fiore in Florenz und mit Michelangelo sehr eng befreundet.

13.

Mil. l. CDXXIII. – Der „Abgott“, der wohl auch das Feuer entzündet hat, das Michelangelo verzehrt, ist Cecchin Bracci. – Der Dichter schickt seinem Freunde ein bereits umgearbeitetes Madrigal und spricht von einer Zusammenkunft am Sonntag. Bei solchen Gelegenheiten wurden die Gedichte durchgesprochen und gemeinsam ausgefeilt.

14.

Mil. l. CDXXXIX. – Monsignor di Todi, Federigo Cesi, später Kardinal von San Pancrazio. – Urbino, eigentlich Francesco di Bernardino degli Amatori, war Michelangelos Diener, Farbenreiber, Gehilfe, Schüler und auch Freund. Vgl. Br. 27.

15.

Mil. l. CDXLVII. – Der Brief begleitete eines der Epitaphien auf Cecchinos Tod (G. No. 8: das 5. der unter No. 15 der Auswahl zusammengestellten.). – Riccio hatte wohl am vorhergehenden Tage eine Ansicht ausgesprochen, die Brief und Gedicht widerlegen.

16.

Mil. l. CDLIV. – Die Datierung von Brief 16 und 17 ist die von Milanesi getroffene. Nach Frey besteht für sie ebenso wie für die von Ged. No. 22, das mit Br. 16 abgeschickt wurde, der Spielraum von 1538–41 oder 1544–46. (41–44 war Vittoria in Viterbo.) – Vgl. Anm. zu Ged. No. 22.

17.

Mil. l. CDLV. – Vgl. die Briefe Vittorias No. 1 und 2; der vorliegende Brief fällt wohl zwischen sie. – Die letzten Zeilen deuten vielleicht auf eine Absicht Michelangelos, die Zeichnung – den Cruzifixus – als Gemälde auszuführen. „Mein Plan ist mißlungen“ übersetzt: „è stato guasto il mio disegno“ und würde auf eine Vereitelung dieser „Absicht“ anspielen, „disegno“ kann auch mit „Zeichnung“ übersetzt werden. „Meine Zeichnung ist mißlungen.“ Der Sinn wäre wohl derselbe.

 

18.

Mil. l. CLXII. – Lionardo di Buonarroto Simoni, also ein Sohn von Buonarroto, dem Bruder Michelangelos. An ihn ist ein großer Teil der Briefe gerichtet, etwa 200 von fast 500. – Michelangelo hatte in einem Briefe an Lionardo vom 16. Januar 1546 von einer Besitzung des Francesco Corboli gesprochen, der falliert hatte und zu verkaufen wünschte. Er hatte sich bereit erklärt, eine größere Summe in einem derartigen Wertobjekt anzulegen, und seinen Neffen beauftragt, Erkundigungen einzuziehen. Seiner Familie in Florenz war daran gelegen, sich die Summe zu sichern, und so war die Antwort sehr rasch gekommen – zu rasch für den etwas mißtrauischen Meister. – Der Trebbianer, ein süßer oberitalienischer Wein, war sein Lieblingsgetränk.

19.

Mil. l. CDLIX. – Franz I. von Frankreich schrieb im Februar 1546 den hier erwähnten Brief. Michelangelo wurde durch den bald danach erfolgten Tod des Königs (1547) von seinem Versprechen entbunden. – Zu jener Zeit arbeitete er an den Fresken der Capella Paolina in Rom (1542–49) im Auftrag von Paul III.

20.

Mil. l. CLXXXVII.

21.

Mil. l. CXCI.

22.

Mil. l. CDLXII. – Benedetto Varchi (1502–65), Historiker und Dichter, gehörte zu den durch die Medici Vertriebenen. Durch Cosimo I. wurde er zurückgerufen und schrieb in dessen Auftrag seine Geschichte von Florenz. Das hier genannte Buch, eine seiner vielen kleinen Schriften, behandelt die damals vielerörterte Frage, ob die Malerei oder die Skulptur den Vorrang verdiene. (Due lezioni di Messer Benedetto Varchi … Firenze appr. Lorenzo Torrentino … MDXLIX.) – Michelangelo war damals 74 Jahre alt.

23.

Mil. l. CCX. – Die Frage der Heirat Lionardos und der Wahl einer geeigneten Gattin wird im Briefwechsel seit Anfang 1547 erörtert. Dieser Brief ist typisch für die Stellung des Meisters zur Frage. Erst im Frühjahr 1553 (vgl. Br. 24) kam die Angelegenheit zum Abschluß, als Lionardo Cassandra di Donato Ridolfi heimführte.

24.

Mil. l. CCLXIII.

25.

Mil. l. CDLXXII. – Durch Vasari hatte Michelangelo die Nachricht von der Geburt seines Großneffen Buonarroto di Lionardo Simoni erhalten.

26.

Mil. l. CDLXXV. – 1547 wurde Michelangelo, halb gegen seinen Willen, als Nachfolger von Antonio da Sangallo zum Architekten von Sankt Peter ernannt und widmete sich dieser Aufgabe bis an sein Lebensende. In diesem und anderen Briefen wehrt er sich gegen die Bemühungen Cosimos, ihn nach Florenz zu ziehen. Er hatte die Arbeit als eine ihm von Gott auferlegte heilige Pflicht auffassen gelernt und führt dies als einen Hauptgrund für sein Bleiben oft an.

27.

Mil. l. CDLXXVII. – Vgl. Anm. zu Br. 14. – Der am Schluß Genannte ist Benvenuto Cellini.

28.

Mil. I. CCXC. – Francesca war Michelangelos Nichte.

29.

Mil. l. CDLXXIX. – Cosimo Bartoli, Difesa della lingua fiorentina e di Dante … 1566. – 1556 unternahm Michelangelo eine Wallfahrt nach Loreto, wurde aber in Spoleto, wo er sich einige Zeit aufhielt, durch eine päpstliche Botschaft zurückgerufen.

30.

Mil. l. CCCIV.

 

31.

Mil. l. CCCXIV. – Der Kardinal Rodolfo Pio da Carpi.

32.

Mil. l. CCCXX.

33.

Mil. l. CCCXL.

34.

Mil. l. CCCXLI.

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Zu den Briefen Vittorias an Michelangelo.

Der italienische Text bei Frey, a.a.O. in den Regesten p. 533 ff., ebendort die Datierung.

1.

Von der Zeichnung, die der Brief nennt, sagt Ascanio Condivi, Vita, Cap. LXIII: „Ihr zu Liebe zeichnete er Jesum Christum am Kreuze, aber nicht mit dem Aussehen eines Toten, wie er gewöhnlich dargestellt wird, sondern mit einer göttlichen Gebärde, das Antlitz zum Vater erhoben, als ob er die Worte spräche „Eli, Eli“. Sein Körper sinkt nicht tot und schlaff herab, sondern krümmt sich lebendig in bitterer Qual.“

2.

Von einer Ausführung der Zeichnung in Farben ist nichts bekannt. Vgl. Br. 17.

3.

Condivi, Cap. LXIII: Auf die Bitte dieser Dame zeichnete er einen nackten Christus, der vom Kreuz genommen ist. Wenn nicht zwei Engelchen mit ihren Armen den Leichnam hielten, würde er schlaff zu den Füßen seiner heiligsten Mutter niedersinken. Sie aber sitzt unter dem Kreuze mit tränenüberströmtem, schmerzbewegtem Antlitz, hebt mit ausgebreiteten Armen beide Hände zum Himmel und spricht diese Worte, die auch auf dem Stamm des Kreuzes geschrieben stehen: „Und niemand wägt den Preis, die Ströme Blutes“. (Dante Par. 29, 91.)“

4.

Während Vittoria sich im Katharinenkloster zu Viterbo aufhielt, arbeitete Michelangelo in der Paolina. – Die „Samaritanerin“ ist eine Zeichnung des Meisters: Christus in der Unterredung mit der samaritanischen Frau am Brunnen.

5.

Der Brief hat vielleicht eine der vielen Gedichtsendungen Vittorias an den Freund begleitet.